Die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer sagte, im Fall Lübcke lasse sich deutlich sehen, wie Hass und Hetze, wie sie auch von der AfD betrieben werde, Hemmschwellen so absenke, dass sie offenbar in pure Gewalt umschlagen würden, sagte sie bei einem Besuch in Paris. Rechtspopulismus sei für jeden Staat eine große Gefahr. Mit Blick auf die Geschichte in Deutschland sei das für die Bundesrepublik aber eine noch größere Herausforderung.
In einem Gastbeitrag für die Zeitung "Die Welt" schreibt der CDU-Politiker Tauber, die politische Rechte könne man nicht integrieren oder einbinden. Dies gelte, auch wenn Menschen wie der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes Maaßen oder die – Zitat – "namenlosen Wichtigtuer von der Werte-Union" dies nicht einsehen wollten.
"Der Feind steht rechts"
Tauber, von 2013 bis 2018 Generalsekretär der CDU und inzwischen Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, verlangt, die CDU dürfe als bürgerliche Kraft nicht wanken. Sie müsse nach der Ermordung Lübckes so reagieren wie der Kanzler und Zentrumspolitiker Wirth in der Weimarer Republik nach dem Mordanschlag von Rechtsextremisten auf Außenminister Rathenau. Wirth hatte im Juni 1922 im Reichstag erklärt: "Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!"
AfD-Vertreter seien mitschuldig im Mordfall Lübcke
Vertretern der AfD warf Tauber vor, eine Mitverantwortung für den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke zu tragen. Nicht nur die politische Gewalt und Gewaltbereitschaft von rechts nehme zu. Auch das politische Klima der Republik sei ein anderes geworden. Die AfD im Bundestag und in den Länderparlamenten leiste dazu einen Beitrag. Sie habe mit der Entgrenzung der Sprache den Weg bereitet für die Entgrenzung der Gewalt.
Tauber benennt namentlich Erika Steinbach, Björn Höcke, Alice Weidel und Max Otte. Sie seien durch eine Sprache, die enthemme und zur Gewalt führe, mitschuldig am Tod Walter Lübckes. Steinbach war langjährige Bundestagsabgeordnete und bis 2017 Mitglied der CDU. Sie leitet nun die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung. Der Wirtschaftswissenschaftler Otte ist Mitglied der CDU und auch bei der Werteunion, einer Gruppierung konservativer Mitglieder beider Unionsparteien. Er arbeitet im Kuratorium der AfD-nahen Stiftung. Weidel ist die Fraktionschefin der AfD im Bundestag, Höcke ist AfD-Vorsitzender in Thüringen.
Tauber schlug vor, den Artikel 18 des Grundgesetzes ins Spiel zu bringen. Er sieht vor, dass Menschen, die Meinungsfreiheit und andere Grundrechte missbrauchen, "diese Grundrechte verwirken".
In einer ersten Reaktion der Werte-Union heißt es, Tauber habe selbst nichts mehr zu melden, werde nun arrogant und sehe in der Basis den Pöbel.
Meuthen fordert Rücktritt
AfD-Fraktionschefin Weidel entgegnete: "Enthemmt ist offensichtlich Herr Tauber, der einen Mordanschlag dazu nutzt, um den politischen Mitbewerber auf tiefste Art und Weise zu diskreditieren. Und: "Wer gegen illegale Masseneinwanderung kämpft, ist kein Helfershelfer von Mördern. Er nimmt nur seine Rechte im demokratischen Meinungskampf wahr." AfD-Chef Meuthen warf Tauber vor, aus dem Mord an Lübcke politisches Kapital zu schlagen, indem er AfD-Politiker für mitschuldig erkläre. "Das ist genauso abstoßend und niederträchtig wie falsch", sagte er der dpa. Er forderte Taubers Rücktritt als Parlamentarischer Staatssekretär.
Die Thüringer AfD wirft Tauber ein fehlendes Demokratie-Verständnis vor.
Die AfD Heidelberg meldete sich ebenfalls bei Twitter zu Wort. Sie nennt die CDU ein "totalitäres System". Wer nicht die Union wähle, solle offenbar gar nicht mehr wählen dürfen,
Auch andere Parteien äußerten Kritik. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jelpke, erklärte: "Wer so etwas fordert, arbeitet den demokratiefeindlichen Zielen der Naziterroristen geradezu in die Hände." Der FDP-Innenpolitiker Strasser warf Tauber Aktionismus vor. In Deutschland gebe es heute rund 13.000 gewaltbereite Rechtsextremisten, sagte er. Die Union, die seit 2005 ununterbrochen den Bundesinnenminister stelle, habe dies schon lange anders angehen müssen.
Der Vorsitzender der Werte-Union, einer konservativen Gruppierung von CDU- und CSU-Politikern, Mitsch, warnte: "Wer grausame Gewalttaten dazu instrumentalisiert, um andere, von der eigenen Position abweichende Meinungen, zu diskreditieren und gegen deren Protagonisten zu hetzen, gefährdet unsere Demokratie."
Auch die Zeitung "Junge Freiheit" reagierte sofort. In ihrem Beitrag heißt es, man habe ähnliche Forderungen von Tauber nicht gehört, wenn Islamisten in Deutschland mordeten. In Wirklichkeit gehe es dem CDU-Politiker darum, den Mord an Walter Lübcke zu missbrauchen, um die parteipolitische Konkurrenz von rechts sowie missliebige parteiinterne Kritiker wie Hans-Georg Maaßen und die Werte-Union mundtot zu machen. Dies sei hysterisch und schäbig. Und es offenbare Taubers totalitäre Wunschvorstellungen einer Ächtung von Kritikern der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin als Rechtlose.