Es war die Bundeskanzlerin selbst, die zu Beginn einen einfachen, aber wichtigen Ratschlag hatte.
"Je zielstrebiger Sie fragen oder ihre Anmerkungen machen, umso mehr Menschen können hier zu Wort kommen. Für uns ist das wichtig und ich freue mich auf die Diskussion."
Rund 1000 Menschen waren am Abend in die Halle Münsterland gekommen, zur dritten von insgesamt vier CDU-Regionalkonferenzen. Das Ziel: Fragen an die Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende im Vorfeld des Bundesparteitages. Doch während es bei den vorausgegangen Veranstaltungen wie beispielsweise in Heidelberg auch eine Rücktrittsforderung gab, war der Tenor in Münster wohlwollend. Applaus gab es bereits beim Einmarsch.
Fast alle der insgesamt 27 Fragen – entweder zur Vermögenssteuer, der Macht von Konzernen, dem Klimawandel oder auch nach dem Umgang mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump – waren konstruktiv. Die kritischste Äußerung gab es fast direkt am Anfang:
"Als ich 2008 in die CDU eingetreten bin, da stand meine CDU noch für die Generationsgerechtigkeit und nicht den Rentenwahnsinn von Frau Nahles, für eine starke Polizei, für den Verdienst, gegen einen sozialistischen Mindestlohn, gegen den EU-Beitritt der Türkei, ich glaube die Liste könnte man noch weiterführen. Auf welchen nächsten Kurswechsel muss ich mich einstellen, wenn sie noch weitermachen, Frau Bundeskanzlerin? Erkenne ich meine CDU dann noch wieder oder wechseln wir noch öfters das Hemd? Dankeschön."
Verhaltener Applaus, doch nur knapp eine Minute später wurde dann richtig geklatscht. "Frau Dr. Merkel, ich möchte Ihnen zunächst sagen, dass ich ihre Entscheidung vor gut einem Jahr für vollkommen richtig gehalten habe, als sie gesagt haben, dass sie die Flüchtlinge hereinlassen."
Ein harmonischer Abend
Diese Danksagungen stand stellvertretend für einen harmonischen Abend – und nicht alleine: Ein syrischer Flüchtlinge dankte im Namen seines Volkes, eine Jesidin lobte Merkel für deutsche Hilfe und eine neun-jährige Schülerin aus Köln durfte für ihre Mathe-Eins die Hand der Kanzlerin schütteln. Es gab aber auch inhaltliche Antworten: Merkel war gegen die Vermögenssteuer, sprach den Grünen ab ein bevorzugter Partner der CDU zu sein, warb für eine respektvolle Auseinandersetzung.
"Die Art und Weise, wie wir es zum Beispiel auch im amerikanischen Wahlkampf gesehen haben, wie dort die Auseinandersetzung laufen, sind für mich kein Vorbild. Wer die Würde des Menschen achtet, muss auch den Andersdenkenden achten."
Und fand auch deutliche Worte, für die von der CSU geforderte Flüchtlingsobergrenze: "Ich halte aus verschiedenen Gründen diese Obergrenze für nicht richtig. Es ist für mich ein riesen Unterschied, ob ich Frieden in Syrien habe. Und im Irak. Oder ob ich die schlimmsten Bürgerkriege habe. Jetzt zu sagen: Jedes Jahr maximal 200.000. Es kann auch mal ein Jahr sein, da sind ganz wenig und ein Jahr, da sind es eben ein paar mehr."
Stattdessen: Partnerschaften mit den Ländern an den EU-Außengrenzen. Inhalt und Auftreten kamen an: "Ich bin begeistert von unserer neuen oder alten Kanzlerin, wie sie es wollen. Vor allen Dingen von ihrem Esprit, ihrem Humor."
"Die soll nur ihren Standpunkt beibehalten, das liegt mir am Herzen."
"Richtig Kante gezeigt. Und man erlebt sie ganz anders als in so einem Referat, als wenn das im Fernsehen passiert."
"Mir hat gefallen, dass Merkel sehr offen gegenüber allen Fragen war, mir hat so ein bisschen noch der praktische Ansatz gefehlt."
Die Kanzlerin als Zugpferd – darauf hoffen viele in der NRW-CDU, die im kommenden Mai bei der Landtagswahl erfolgreich sein will. Und dann auch bei der Bundestagswahl. Doch welche Geschichte, welche Vision, welche Vorhaben Merkel für ihre vierte Amtszeit plant, das blieb auch an diesem Abend offen. Antworten dann vielleicht nächstes Mal – auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen.