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CDU und AfD
"Die CDU muss wieder deutliches Profil zeigen"

Den Streit in der AfD sieht der CDU-Politiker Christean Wagner als Chance für die CDU, um enttäuschte Wähler zurückzugewinnen. Vor allem bei wertkonservativen Themen habe man zu viel Platz gelassen, sagte der Mitbegründer des rechtskonservativen Berliner Kreises in der Union im DLF.

Christean Wagner im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    "Ich lade alle, die unzufrieden sind und früher CDU gewählt haben, ein, wieder zur CDU zurückzukehren", sagte Wagner. Angesichts der heftigen Flügelkämpfe bei der Alternative für Deutschland (AfD) glaubt er nicht an eine erfolgreiche Zukunft der Partei. "Es sieht so aus, als ob die AfD sich selbst zerlegt, ohne fremdes Zutun", sagte er. Die Partei sei völlig zerstritten. "Da herrscht Chaos, es gibt unvorstellbare Beschimpfungen wechselseitig", sagte der frühere hessische CDU-Fraktionschef. Er rechne damit, dass die AfD eine zeitlich begrenzte Erscheinung bleibe - auch wegen erheblicher inhaltlicher Differenzen: "Es gibt in der AfD Rechtsradikale und jene, die aus bloßem Protest die AfD unterstützt haben."
    Für die CDU sei dies eine Chance - wenn man die richtigen Schlüsse ziehe: "Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir gerade im Bereich der Ordnungspolitik, im Bereich der liberalen Wirtschaftspolitik deutlicheres Profil wieder zeigen, auch bei wertkonservativen Themen", sagte Wagner. "Dort haben wir Platz gelassen, das war ein Fehler. Und deshalb gibt es jetzt die große Chance, diesen Platz wieder auszufüllen, wenn die AfD sich zerlegt."

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: Die Alternative für Deutschland (AfD) hat bei den letzten Wahlen einen Triumph nach dem anderen gefeiert. Ihr wurde zugetraut, dass sie sich im deutschen Parteiensystem fest etabliert. Die Betonung liegt schon fast auf "wurde zugetraut", denn in der Partei sind schwere inhaltliche und personelle Konflikte ausgebrochen. Angeblich - das meldet heute Morgen die "FAZ" - ist der E-Mail-Account von Parteichef Bernd Lucke in der Partei selbst abgeklemmt worden. Bernd Lucke selbst will heute in Straßburg am Morgen eine Plattform mit dem Namen "Weckruf 2015" vorstellen. Es droht damit der Anfang einer Abspaltung von der AfD zu werden.
    Als Weckruf der besonderen Art betrachtet vor allem der konservative Flügel in der CDU die Erfolge der AfD in der letzten Zeit. Der sogenannte Berliner Kreis in der CDU zum Beispiel fürchtet, dass das damit zu tun hat, dass die CDU unter Angela Merkel das konservative Profil sträflich vernachlässigt habe. Christean Wagner ist Mit-Initiator dieses Berliner Kreises und war bis letztes Jahr Vorsitzender der Landtagsfraktion der CDU in Hessen. Guten Morgen, Herr Wagner.
    Christean Wagner: Guten Morgen, Herr Meurer.
    Meurer: Freuen Sie sich, wenn die AfD auseinanderbricht?
    "Da herrscht Chaos"
    Wagner: Ich sehe das mit Zuversicht und Gelassenheit dahingehend, dass wir die Chance haben, CDU-Wähler und Mitglieder, die zur AfD übergewechselt sind, wieder zurückzugewinnen. Ich lade alle diejenigen in der AfD, die dort unzufrieden sind und die früher einmal CDU gewählt haben, ein, wieder zur CDU zurückzukehren.
    Meurer: Was macht die AfD aus Ihrer Sicht falsch?
    Wagner: Zunächst einmal ist es ja nicht meine Aufgabe, eine Partei zu bewerten, die im Wettbewerb sich befindet zur CDU. Die AfD ist völlig zerstritten. Das ist bereits ja in der Anmoderation gesagt worden. Da herrscht Chaos. Es gibt für mich dort unvorstellbare Beschimpfungen wechselseitig. Karrieristen, Opportunisten steht in diesem einen Brief drin, in dem "Weckruf 2015". Die Partei hat sich überhaupt noch nicht innerlich gefestigt. Sie besteht offenbar aus zwei sehr extrem gegeneinanderstehenden Flügeln. Deshalb sehe ich mit großer Zuversicht einer Entwicklung entgegen, die die AfD zum Schluss zu einer sehr zeitlich begrenzten politischen Erscheinung werden lässt.
    Meurer: Sie hoffen, dass AfD-Wähler wieder zur CDU zurückkommen. Da kommen wir gleich drauf zurück, Herr Wagner. Ist das wirklich, was sich da jetzt abspielt in der AfD, eine Auseinandersetzung zwischen zwei Flügeln, oder geht es hier um Hahnenkämpfe?
    Wagner: Sowohl als auch, muss man sagen. Der gegenwärtige Sachverhalt besteht darin, dass sich die führenden Leute nicht menschlich verstehen. Zur Geschlossenheit einer Partei gehört, dass die Führung ebenfalls geschlossen ist. Aber da gibt es ganz offenbar auch inhaltlich erhebliche Spannungen und man muss klar und deutlich sagen, es gibt auch innerhalb der AfD Rechtsradikale, es gibt dort jene, die aus bloßem Protest die AfD unterstützt haben. Sowohl inhaltlich als auch menschlich stimmt es dort nicht.
    Meurer: Als Gegenspieler von Lucke gilt Alexander Gauland, der das Etikett hat, ein National-Konservativer zu sein, Landeschef in Brandenburg. Herr Wagner, Sie kennen Gauland ziemlich gut. Sie waren mal mit ihm zusammen im Kabinett gewesen in Hessen. Lange ist es her unter dem Ministerpräsidenten Walter Wallmann. Was ist das für ein Typ, Alexander Gauland?
    Das Wertkonservative wieder deutlicher machen
    Wagner: Ich kenne ihn wahrscheinlich von allen, die ihn kennen, mit am längsten, weil wir zusammen in Marburg studiert haben. Dann waren wir, wie Sie zurecht sagen, im Kabinett Wallmann. Alexander Gauland ist ein gebildeter Mann, der eine eindrucksvolle politische Karriere in der CDU auch durchgezogen hat, der dann nach über 45 Jahren aus der CDU ausgetreten ist, was ich sehr bedauere. Den meisten ist nicht bekannt, dass er ursprünglich mal im Berliner Kreis kräftig mitgearbeitet hat. Ich glaube, dass er nach und nach einsieht, dass es falsch war, aus der CDU auszutreten.
    Meurer: Wieso ist er ausgetreten und Sie nicht?
    Wagner: Ich werde aus meiner eigenen Partei, in der ich auch seit Jahrzehnten Mitglied bin, nicht austreten. Ich werde immer wieder für meine Überzeugungen kämpfen. Die CDU ist eine große demokratische Partei mit vielfältigen Meinungen. Alexander Gauland glaubte, dass in einer Neugründung die in der Union in den letzten Jahren zu kurz gekommenen Akzente pro Wirtschaftsliberalität und pro Konservatismus, dass die in einer neu gegründeten Partei besser zur Geltung kommen könnten. Wir sehen, dass diese Absicht wohl zum Scheitern verurteilt ist.
    Meurer: Was war denn Ihrer Kenntnis nach der Grund, dass Alexander Gauland, eine so profilierte Figur, die CDU verlassen hat?
    Wagner: Um die Wahrheit zu sagen: Er hat mir das nicht vorangekündigt. Ich habe das dann aus den Medien entnommen. Aber er sagt es ja selbst. Er sagt, dass das Wertkonservative in einer neuen Partei stärker betont werden müsse. Das ist eine Aufforderung auch an die Union, an meine eigene Partei selbst. Dafür trete ich ja immer wieder ein, dass wir unsere wirtschaftsliberalen Grundsätze a la Ludwig Erhard, aber auch unsere wertkonservative Überzeugung deutlicher wieder in der Öffentlichkeit zur Geltung bringen, und ich sehe in dem sich ankündigenden Scheitern der AfD eine große Chance für die Union, dieses Feld wieder zu besetzen. Da haben wir ein bisschen Platz gemacht, um auf diese Art und Weise dann auch die Wähler, die uns weggegangen sind zur AfD, zurückzuholen.
    Meurer: Die Parteispitze in Berlin scheint ja den Kurs verfolgt zu haben, die CDU-Parteispitze, da gucken wir jetzt einfach mal in aller Ruhe zu, bis sie sich selbst zerlegen. Muss die CDU im Prinzip nichts tun als abzuwarten, bis die Wähler zu ihr zurückkehren?
    Im Bereich der liberalen Wirtschaftspolitik deutlicheres Profil zeigen
    Wagner: Das ist sicherlich für eine Partei immer zu wenig. Ich habe immer wieder gesagt, wir müssen uns mit den Themen, die die AfD besetzt hat, auch auseinandersetzen. Hände in den Schoß legen kann niemals richtig sein. Aber in der jetzigen aktuellen Situation sieht es tatsächlich so aus, als ob die AfD sich selbst zerlegt, ohne fremdes Zutun.
    Meurer: Gibt es irgendeine konkrete Forderung, Herr Wagner, von der Sie sagen, liebe CDU, meine Partei, bitte macht das, damit wir die AfD-Wähler zurückkriegen?
    Wagner: Ja. Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir gerade im Bereich der Ordnungspolitik, im Bereich der liberalen Wirtschaftspolitik deutlicheres Profil wieder zeigen, und ich werde nicht müde, dasselbe zu fordern für wertkonservative Themen. Dort haben wir Platz gelassen, das war ein Fehler, und deshalb gibt es jetzt die große Chance, diesen Platz wieder auszufüllen, wenn die AfD sich zerlegt.
    Meurer: Fühlen Sie sich Bernd Lucke näher oder Alexander Gauland, Ihrem alten Begleiter?
    Wagner: Ich nehme dazu überhaupt keine Stellung. Die AfD ist ein Wettbewerber der CDU in Wahlkämpfen und deshalb bin ich am nächsten meiner eigenen Partei.
    Meurer: Christean Wagner, der ehemalige Fraktionsvorsitzende der hessischen CDU und Mitbegründer des Berliner Kreises in der Union, zu den Aussichten bei der AfD. Da tut sich im Moment eine ganze Menge. Heute wird es eine Initiative geben, die Parteigründer und Chef Bernd Lucke starten wird. Herr Wagner, danke schön für das Interview und auf Wiederhören.
    Wagner: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.