Die Nachtigall – ein Vogel, dem gewisse hellseherische Fähigkeiten zugeschrieben werden. Gut zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl und zur Halbzeit der Großen Koalition hört man sie ab und an durchs Regierungsviertel in Berlin trapsen. Denn in der Großen Koalition knirscht es langsam immer lauter. Die Frage stellt sich, ob das 2017 so weitergehen kann und soll. Und so saß vielleicht Anfang der Woche in einem der Bäume vor der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin auch eine Nachtigall und beobachtete einen Flirt ganz besonderer Art.
"Bitte begrüßen Sie mit mir recht herzlich, die Vorsitzende Bundestagsfraktion Bündnis 90/die Grünen, Katrin Göring-Eckardt.
Und ich freue mich sehr auf den Generalsekretär der CDU, Dr. Peter Tauber."
Schwarz und Grün auf einem Podium. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Das Thema: Einwanderung. Damit hatte sich der CDU-Generalsekretär Anfang dieses Jahres weit aus dem Fenster gelehnt und ein Einwanderungsgesetz gefordert.
Zurückgewiesen wurde er von seinen eigenen Leuten, ganz vorne weg Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Er kommt zu dem Schluss: "Dass unsere rechtlichen Regelungen allen Kriterien eines Einwanderungsgesetzes entsprechen, und dass wir deshalb ein Einwanderungsgesetz haben und kein neues brauchen."
Inzwischen spricht auch Tauber nur noch von Vereinfachung der bestehenden Gesetze. Aber: "Jeder weiß, dass Thomas de Maiziere und ich da drüber wie wir Einwanderung in Deutschland organisieren auch schon kontrovers gestritten haben."
Die Grünen betrachten's mit Interesse.
"Er hat das ja versucht, ist groß gestartet und ist erstmal gravierend gestoppt worden. Und dann hat man gesagt: Jetzt wollen wir darüber erstmal nicht weiter reden, es ist nicht Zeit dafür. Ich glaub, dass es ist absolut Zeit dafür wäre. Auch für eine Partei, die die demografische Entwicklung ja thematisiert und auch thematisieren muss."
Tauber trägt einen schwarzen Anzug, der Stuhl auf dem er sitzt ist grün. Ein Schelm, wer da ...
Göring-Eckardt hat zum schwarz-grünen Date eine Kombination aus Rot-Tönen gewählt. Nun macht man sich morgens selten Gedanken darüber, welche Farbe die Stühle haben, auf denen man abends sitzt. Aber grundsätzlich zeigen die Grünen aktuell noch mehr Distanz zur CDU als umgekehrt. Die CDU kann sich Nettigkeit leisten, bei den Grünen dagegen gibt es immer noch zwei Flügel. Und einer davon liebäugelt dann doch lieber mit der SPD und den Linken.
Göring-Eckardt zählt nicht zum linken Flügel der Partei, hat allein schon durch ihren starken Kirchenbezug immer schon den Brückenschlag zur Union gesucht – und sie schließt ein Bündnis mit der Union nicht aus. Aber mehr will sie dazu in dieser Woche jedenfalls auch nicht sagen. Sie bleibt lieber inhaltlich:
"Na, ehrlich gesagt, sind das ja die beiden Parteien, die da am weitesten auseinander sind, die darüber diskutieren. Und ich glaube das war der Sinn der Veranstaltung für beide Seiten. Außerdem, ich bin fest überzeugt, bei der Frage der Einwanderung braucht man eine gesamtgesellschaftliche Debatte. Und deswegen ist es glaube ich ganz gut herauszufinden, wo gibt es eigentlich gemeinsame Grundlagen, aber wo muss man sich auch sehr hart streiten."
Streit gibt es an diesem Abend jedoch tatsächlich kaum. Nicht einmal, als Göring-Eckardt ankündigt:
"Wenn ich darf, hab ich noch etwas für das Dissensbarometer. Das ist jetzt wahrscheinlich das, was wir jetzt nach jeder Frage haben."
"Nach jeder zweiten."
"Nach jeder zweiten nur? Ok."
Nur an einer Stelle kommt es tatsächlich zu einem kleinen Dissens, der auch gleich offenbart, dass es noch ganz andere Themen gibt, über die Grüne und Union in Koalitionsverhandlungen streiten könnten.
"Jetzt muss ich aber einmal richtig kontrovers werden, wenigstens einmal. Ich hätte gesagt, wir kochen jetzt auch mal hessisch, da gibt's auch mit grün Soß´ wunderbare vegane Gerichte. Aber ich bin dezidiert: Wir brauchen eine Leitbilddebatte."
Göring-Eckardt sieht das anders. Ein Leitbild, wie der deutsche Bürger zu sein hat, findet sie falsch.
Aber selbst hier suchen grün und schwarz das Einigende in der Uneinigkeit.
Aber selbst hier suchen grün und schwarz das Einigende in der Uneinigkeit.
"Ich möchte nicht, dass wir irgendwie so Mainstream-Vorgabe und dann müssen wir alle irgendwie versuchen, so zu werden. Ich hab da jedenfalls keine Lust drauf, irgendwie zu werden, wie mir jemand vorgibt."
"Aber dass wir Unterschiede in einer gewissen Bandbreite alle gut finden, kann doch auch ein deutsches Leitbild sein. Und dass wir sie dann nicht mehr gut finden, wenn sie zum Beispiel zur Diskriminierung von Frauen führen oder zum religiösen Fanatismus."
"Oder Leute von der Ehe ausschließen ..."
Stille. Dass Tauber da nicht gegenhält, hat seinen Grund. Denn er ist für die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Und er ist nicht der Einzige in der CDU. Und die Fraktionschefin der Grünen weiß auch: Peter Tauber ist nicht die ganze CDU, genießt allerdings den sehr umfassenden Segen der Kanzlerin.
Von Seiten der SPD betrachtet man diese schwarz-grünen Annäherungen kritisch. Sozialdemokrat Karl Lauterbach twitterte auf die Veranstaltungsankündigung hin: "Die beiden können es wohl kaum erwarten."
Göring-Eckardts Antwort kam prompt: "Ihr hingegen könntet es einfach machen und mal für irgendwas kämpfen."
Die SPD bangt um ihre Machtoption, die einstmals so treuen Grünen. Doch die gemeinsamen Abende von Schwarz und Grün auf Bundesebene werden zahlreicher. Die Adenauer- und die Böll-Stiftung haben jüngst zusammen ein Projekt zu Parteireform zusammen unterstützt, auf dem Sommerfest der Adenauer-Stiftung wird sich Bettina Jarasch, selbst im Bundesvorstand der Grünen dort aufs Podium begeben und unter anderem mit dem JU-Chef Paul Ziemiack diskutieren.