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CDU-Vize Julia Klöckner
"Wir sind eins als Union"

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner verbucht es als Erfolg, dass ihre Partei in der Koalitionsregierung das Wirtschaftsministerium erhalten soll. "Es wurde ja über viele Jahre beklagt, dass wir dieses wichtige Schlüssel- und Zukunftsressort Wirtschaft nicht hätten", sagte Klöckner im Dlf.

Julia Klöckner im Gespräch mit Philipp May |
    Julia Klöckner, Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz, kommt während der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD aus der SPD-Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus 05.02.2018, Berlin
    Julia Klöckner, CDU: "Ich bin dagegen, dass wir uns irgendwie ins Koma reden, dass das Land und die CDU am Abgrund stünden" (picture alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Philipp May: Nur mal ein kurzer Blick in zwei deutsche große wichtige Zeitungen in Deutschland: "Merkel schenkt der SPD die Regierung", das titelt heute die "Bild"-Zeitung. Und die "Süddeutsche" titelt "Zwei Gewinner und Merkel". Also große Einigkeit auf beiden Seiten des Pressespektrums, und den zwischen Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag. Darüber reden wir jetzt mit Julia Klöckner, stellvertretende Vorsitzende der CDU. Guten Morgen, Frau Klöckner!
    Julia Klöckner: Hallo, guten Morgen, Herr May!
    "Da sieht man klar eine Unionshandschrift"
    May: Haben Sie sich da über den Tisch ziehen lassen?
    Klöckner: Nein. Ich finde das auch Floskeln. Sie haben jetzt gerade von einem Pressespektrum gesprochen. Ich fand übrigens sehr bemerkenswert, gestern im ZDF-heute-journal den Kommentar von Herrn Theveßen, das ist dann ein weiteres Spektrum. Ich glaube, es lohnt sich, mal reinzuschauen und sich die Mühe zu machen, den Koalitionsvertrag zu lesen, was für die Bürgerinnen und Bürger da auch ganz konkret beschrieben worden ist und auch finanziell hinterlegt worden ist. Und da sieht man klar eine Unionshandschrift. Im Einleitungstext hörte sich das vorhin bei Ihnen so an, als sei jetzt auch noch das Innenressort an die SPD gegangen.
    May: Nein, das hat die CSU, aber das hätte die Kanzlerin ja auch gern bei der CDU behalten. So habe ich sie auch verstanden, das hat sie ja sogar gesagt.
    Klöckner: Wir sind ja eins als Union. Wichtig ist, dass wir ein weiteres Schlüsselressort aber auf der anderen Seite bekommen haben, nämlich das Thema Wirtschaft. Es wurde ja über viele Jahre beklagt, dass wir dieses wichtige Schlüssel- und Zukunftsressort Wirtschaft nicht hätten, Wirtschaft und Energie. Und wir haben jetzt als CDU seit Jahrzehnten erstmalig wieder dieses Ressort. Und ich bin ehrlich gesagt auch sehr froh, dass wir das Staatsministeramt im Kanzleramt wieder stellen, denn so kriegen wir wieder das Thema Migration, Fluchtursachenbekämpfung und auch Integration in eine Hand.
    "Schön wäre auch, wenn wir alle Ministerien hätten"
    May: Aber jetzt noch mal ganz - also das finden, da finden Sie, dass Sie einen guten Schnitt gemacht, Wirtschaftsministerium gegen Finanzministerium eingetauscht?
    Klöckner: Nein, ich bin nur dagegen, dass wir uns irgendwie ins Koma reden, dass das Land und die CDU am Abgrund stünden. Am Ende sind es Kompromisse, die wir eingehen. Natürlich hätten wir gern das Finanzministerium behalten, und schön wäre auch, wenn wir alle Ministerien hätten. Aber das ist illusorisch.
    Und die Frage ist, wie hätte Deutschland, wie hätte die Presse heute reagiert, wenn wir wegen des Finanzministeriums eine Regierungsbildung hätten platzen lassen? Dann hätte es geheißen, den Politikern geht es nur um die Posten. Wichtig ist, was wir für das Finanzministerium festgehalten haben. Keine neuen Schulden, keine Steuererhöhungen, das ist ganz wichtig, und mit dem Geld auszukommen, das die Bürger uns zur Verfügung stellen.
    "Was wir gemeinsam vereinbart haben, hat beiden Seiten viel abverlangt"
    May: Wenn Sie gerade sagen, was los gewesen wäre, wenn Sie die Regierung hätten platzen lassen - kann man also sagen, Sie haben sich von einer SPD, die getrieben ist von einem Mitgliederentscheid, erpressen lassen?
    Klöckner: Nein. Ich weiß gar nicht, warum wir hier immer diese Formulierungen haben, "erpressen lassen". Das entspricht nicht unserem demokratischen Verständnis, auch wenn es vielleicht für die Schlagzeilen einfacher ist. Wir haben sehr, sehr ernsthaft hinter verschlossenen Türen gerungen, mit ganz viel Sachverstand übrigens auf allen Seiten. Und das, was wir gemeinsam vereinbart haben, hat sicherlich beiden Seiten viel abverlangt.
    Aber wenn Sie sich diese 177 Seiten durchlesen, sehen Sie, was uns wichtig ist für Deutschland. Dass die Schulen mit mehr Personal und neuester Technik ausgestattet werden, dass wir bei Arbeit, Gesundheit, Steuern, Wohnen gerechter werden. Dass die Umwelt geschützt wird. Uns geht es darum, dass wir mit den Finanzen ordentlich umgehen, dass Familien mehr bekommen und entlastet werden. Dass wir Versprechen aus dem Wahlkampf auch einhalten.
    May: Verstehe ich. Jetzt ist es aber auch gerade so, dass die Wirtschaftsverbände auch innerhalb der CDU nicht sonderlich zufrieden sind beziehungsweise die laufen Sturm. Die sagen, das ist eben kein klassisches bürgerliches Profil, das die Regierung hat, sondern ein klassisches sozialdemokratisches Profil, das teuer ist, viel Umverteilung beinhaltet und wenig wirtschaftsfreundlich ist. Was entgegnen Sie denen?
    Klöckner: Dann müssen Sie sich die Wohlfahrtsverbände anschauen, die genau das Gegenteil sagen. Das wissen wir beide doch, Herr May, dass das die Aufgabe von Verbänden ist, die für ihre Mitglieder das Profil einfordern müssen. Und dann müssen Sie mal mit ihnen reden hinter vorgehaltener Hand, die froh sind, dass wir viele wirtschaftspolitische Positionen als CDU gehalten haben, dass wir vor allen Dingen wieder das Wirtschaftsministerium geholt haben. Es hieß ja die ganzen Jahre, die CDU würde dieses Schlüsselressort aufgeben. Also ich glaube, in der Mitte liegt die Wahrheit, und ich würde mich freuen, wenn wir auch über Inhalte reden, über diesen Koalitionsvertrag.
    Erst die Inhalte, dann das Personal
    May: Ich gebe damit nur wieder, was nicht nur große Teile der Medien und viele Wirtschaftsverbände denken, sondern auch in Ihrer Partei. Da grummelt es ja unüberhörbar. Wir haben es sogar gerade in den Nachrichten gehört. Daniel Günther, nun wirklich bisher nicht aufgefallen als Merkel-Kritiker, der ist auch groß unzufrieden und fordert jetzt eine personelle Erneuerung.
    Klöckner: Nein, er fordert jetzt keine personelle Erneuerung dahingehend, dass Angela Merkel ersetzt werden müsse, so hört sich dann so an. Ich kenne Daniel Günther sehr gut, und ich teile das auch, dass wir mit Bildung einer neuen Regierung auf der einen Seite die Inhalte im Blick hatten als Erstes, das ist ganz wichtig, und nicht die Personen. Und als Zweites natürlich auch immer eine Chance besteht, sich neu aufzustellen personell. Und da hat die CDU sehr viele Personen, sei es Frauen, sei es Männer, sei es jung, sei es etwas reifer. Aber das ist nicht das, was zuerst im Fokus steht. Zuerst müssen die Inhalte im Fokus stehen, und dann kommt das Personal.
    May: Wenn Sie jetzt sagen Inhalte, das sind doch alles klassische SPD-Themen. Aber die machen Sie sich ja seit Angela Merkel sowieso immer zu eigen. Ist das jetzt auch hier wieder der Fall?
    Klöckner: Das ist jetzt nett, dass Sie das so sagen, weil Sie mich auch ein bisschen provozieren wollen, das gehört ja für einen guten Journalisten dazu. Gehen wir mal in das Familienkapitel rein: 100 Prozent haben wir das umgesetzt, was wir in unserem Wahlprogramm hatten. Das heißt, dass es ein Baukindergeld gibt, dass es Unterstützung bei der Betreuung gibt, dass es einen Rechtsanspruch auch gibt im Grundschulalter auf Betreuung, dass es mehr Kindergeld gibt, 25 Euro im Monat.
    Schauen wir uns das Kapitel Migration an: Es wird ein ganz klares Zentrum geben, das vor der Verteilung von Schutzsuchenden klar feststellt, ob sie überhaupt hier bleiben dürfen, ob sie verteilt werden in die Kommunen. Es gibt eine klare [Haltung] auch darin, wenn jemand Sozialleistungsbetrug betreibt, dass sich das auf seinen Aufenthaltsstatus auch auswirkt. Und bei der Integration genauso. Das sind Themen, wo ich Ihnen einfach widersprechen muss. Wenn Sie die These haben, man hätte alles von der SPD übernommen. Aber das wissen Sie ja auch, dass das nicht so ist.
    May: Wo Sie gerade das Thema Migration ansprechen. Die Obergrenze, die nicht so heißt, die Begrenzung der Zuwanderung, das wollen Sie sich jetzt nicht auf die Fahnen schreiben, weil das war jetzt CSU-Position.
    Klöckner: Wir haben eine Steuerung und eine Reduzierung immer auch als CDU beschlossen, und Sie wissen, dass ich als CDU Rheinland-Pfalz auch einen klaren Vorschlag gemacht hatte. Wir hatten es damals Transitzonen genannt, aber die Kontingentfrage, auch die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Kommunen spielt eine wichtige Rolle, und das findet sich eins zu eins wieder im Koalitionsvertrag.
    "Wir haben so viele Personen, die für Ämter in Frage kommen"
    May: Was heißt das denn, personelle Erneuerung? Heißt das jetzt, dass Sie jetzt in die Bundespolitik wieder zurückkehren? Ist das personelle Erneuerung?
    Klöckner: Ich wusste genau, dass Sie auf dieses Thema zu sprechen kommen. Diese ganzen Personalspekulationen. Wir haben so viele Personen, die für Ämter in Frage kommen. Und Erneuerung hat nicht nur was mit mir zu tun. Mich zieht es nicht in die Bundespolitik. Ich bin ja sowieso alle paar Wochen dort als Bundesvize.
    May: Ist ja auch die Frage, ob das wirklich Erneuerung ist, wenn Sie, ja schon ein alter Hase, verzeihen Sie mir, wenn Sie zurück in die Bundespolitik gehen.
    Klöckner: So ganz alt bin ich auch nicht. Ich bin 45!
    May: Eine erfahrene Politikerin wie Sie, wenn Sie jetzt wieder zurück in die Bundespolitik gehen.
    Klöckner: Nein, also Personalentscheidungen werden in der Union später getroffen. Ich weiß, dass das natürlich immer das Knackigste und am spannendsten ist, aber wichtig ist, dass wir uns auf die Inhalte auf diesen 177 Seiten konzentriert haben. Und ich vertraue der Kanzlerin, dass sie einen ausgewogenen Vorschlag machen wird.
    May: Meinen Sie nicht, dass das jetzt eine Eigendynamik bekommt in der CDU, weil wir gesagt, die Basis, die grummelt ja wirklich. Die haben das noch nicht so verstanden wie das jetzt Sie verstanden haben beziehungsweise Sie konnten sie jetzt auch noch nicht so überzeugen. Meinen Sie, das könnte noch problematisch werden?
    Klöckner: Sie sprechen von so unbestimmten Begriffen - "die Basis", das ist so ähnlich wie "die Bürger" oder wenn ich "die Journalisten" beschimpfen würde. Man muss schon ein bisschen differenzieren. Ich hatte mit "meiner Basis" mit einigen eine Schaltkonferenz gestern gehabt, eine sehr große Telefonkonferenz. Und da ist es nicht so pauschal so, wie Sie es sagen. Und auch die Zuschriften, die wir bekommen: Es gibt viele Fragen, viele lesen den Koalitionsvertrag. Ich habe heute früh schon E-Mails im Fach, wo ich auch viel Zustimmung erfahre, bei der Familienpolitik, bei der Innenpolitik oder zum Beispiel auch bei der Landwirtschaftspolitik. Das sind schon ..., ich glaube, ein bisschen differenzierter müssen wir da ran gehen.
    "Wir delegieren unserer Verantwortung nicht einfach an Mitglieder"
    May: Aber froh, dass Sie jetzt keinen Mitgliederentscheid machen wie die SPD, sind Sie schon?
    Klöckner: Was heißt froh? Wir haben eine klare Führungsbeschreibung bei uns. Wir delegieren unserer Verantwortung nicht einfach an Mitglieder, denn das wäre auch nicht ganz fair, denn wir haben ja tagelang verhandelt, sind in die Details reingegangen, und würden dann einem Mitglied zumuten, einmal Daumen hoch, einmal Daumen runter, ohne all diese Informationen, die wir ja hatten. Wir werden einen Bundesparteitag haben, und bei diesem Bundesparteitag werden wir den Koalitionsvertrag vorstellen und dann darüber abstimmen.
    May: Und 54 Prozent Zustimmung, so wie die SPD, würde Ihnen reichen?
    Klöckner: Darüber haben wir gar nicht gesprochen. Ich habe auch gar nichts zu sagen, was ich erwarte von unseren Mitgliedern, und dass wir dann quasi ein Prozentbarometer haben. Es wird so abgestimmt, wie es eben rauskommt, was jeder für richtig hält.
    Philipp May: Julia Klöckner war das, stellvertretende CDU-Vorsitzende und im Gespräch als Ministerin in einer künftigen großen Koalition, sollte sie denn kommen. Vielen Dank, Frau Klöckner, für dieses Gespräch!
    May: Ja. Danke Ihnen, Herr May, auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.