Mitgliederentscheid über den CDU-Vorsitz
Wofür Merz als künftiger CDU-Vorsitzender steht

Aus der Mitgliederbefragung in der CDU über den künftigen Parteivorsitz ging Friedrich Merz als haushoher Sieger hervor. Die Basis entschied sich klar für Merz und gegen die Mitbewerber Helge Braun und Norbert Röttgen. Was sich daraus für den künftigen Kurs der Union ableiten lässt - ein Überblick.

    Friedrich Merz nach dem gewonnenen Mitgliederentscheid über den künftigen CDU-Vorsitz im Konrad-Adenauer-Haus
    Friedrich Merz nach dem Mitgliederentscheid über den künftigen CDU-Vorsitz (picture alliance/dpa)
    Der Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz hat den Mitgliederentscheid der CDU über den künftigen Parteivorsitz klar gewonnen. Wie Generalsekretär Paul Ziemiak am Freitag (17.12.2021) bekanntgab, erhielt Merz 62,1 Prozent der abgegebenen Mitgliederstimmen. Sein Mitbewerber Norbert Röttgen erhielt 25,8 Prozent, der ebenfalls angetretene Helge Braun kam auf 12,1 Prozent.
    "Ich nehme diese Nominierung an und freue mich auf die Zusammenarbeit, mit wirklich allen in der Partei", sagte Merz auch an die Adresse der parteiinternen Kritiker, die unter dem als Liebling der Konservativen geltenden Merz einen Rechtsruck fürchten. Merz sprach am Freitag von einem "Zerrbild", das von ihm teils in der Öffentlichkeit entstanden sei, und kündigte an: "Ich werde das Schritt für Schritt auch korrigieren."

    Söder: "Signal von neuer Stärke"

    CSU-Chef Markus Söder begrüßte das klare Votum beim Mitgliederentscheid als "Signal von neuer Stärke" der Schwesterpartei. Friedrich Merz werde ein starker Vorsitzender werden, sagte Söder am Freitag in München. Für die Union gehe es nun darum, sich "unterzuhaken" und "eine kraftvolle und konstruktive Opposition" in Berlin zu bilden.

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    66 Prozent der CDU-Mitgliedschaft hatten sich nach Parteiangaben an der Wahl beteiligt, die vom 4. bis zum 16. Dezember abgehalten wurde. Erstmals in der Geschichte der CDU konnten die Mitglieder über den künftigen Vorsitzenden abstimmen. Für den Fall, dass keiner der drei Bewerber im ersten Durchgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten hätte, wäre eine Stichwahl und eine weitere Mitgliederbefragung nötig gewesen.

    Formelle Abstimmung auf dem Parteitag

    Das Ergebnis der Mitgliederbefragung war innerhalb der CDU als richtungsweisend für den Bundesparteitag am 21. und 22. Januar 2022 in Hannover bestimmt worden. Die Delegierten werden erst auf dem Parteitag formell über den neuen CDU-Vorsitzenden entscheiden. Dies schreibt die Satzung der CDU, aber auch das Parteiengesetz vor.
    Infolge des historisch schlechten Ergebnisses der Union von 24,1 Prozent bei der Bundestagswahl hatte Armin Laschet den CDU-Vorsitz wieder abgegeben, den er erst seit Januar inne hatte. Damit brauchte die CDU zum dritten Mal seit 2018 einen neuen Parteivorsitzenden.

    Merz - der Favorit setzt sich durch

    Mit dem 66 Jahre alten Merz setzte sich jener Kandidat durch, der im Vorfeld als Favorit galt. Andererseits war das Wahlverhalten der CDU-Basis schwer einzuschätzen - die rund 400.000 Mitglieder der CDU sind zu einem erheblichen Teil eine unbekannte Größe. Viele sind in der Partei kaum oder gar nicht aktiv.
    Bekannt ist aber: Etwa 70 Prozent der CDU-Mitglieder sind Männer, mehr als 50 Prozent sind über 60 Jahre alt. Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Ulrich von Alemann hatte Merz den größten Rückhalt bei den Mitgliedern. Kanzleramtsminister Helge Braun sei dagegen chancenlos. Auch der ARD DeutschlandTrend sah Friedrich Merz schon kurz nach der verlorenen Bundestagswahl früh als Favoriten für den Parteivorsitz.
    Kandidaten-Townhall - Interview mit Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann
    Die drei Kandidaten waren Anfang Dezember, zum Start der Mitgliederbefragung, in einer sogenannten Townhall-Debatte in der Parteizentrale aufeinandergetroffen und hatten dabei ihre Programmatik vorgestellt.
    Townhall-Meetings der CDU: Wenn Medien die Inszenierung von Parteien übernehmen
    Dabei sprachen sich alle drei Kandidaten dafür aus, neue Zielgruppen anzusprechen, insbesondere Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Doch es gab von vornherein Unterschiede zwischen den Kandidaten.

    Friedrich Merz

    Für Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz war es bereits der dritte Anlauf auf den Parteivorsitz. 2018 unterlag der frühere Unionsfraktionschef im Bundestag der scheidenen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, 2021 dann Armin Laschet. Seinen früheren Nimbus des Hoffnungsträgers hat er durch die Niederlagen und auch Fehler, die er bei vorherigen Anläufen gemacht hat, verloren. Er positionierte sich lange als Außenseiter gegen das Establishment, was ihm eher geschadet hat. Dass er Armin Laschet als Kanzlerkandidat unterstützte, hat ihm aber Anerkennung eingebracht. Viele, die Anfang des Jahres noch gegen Merz als Parteivorsitzenden waren, sahen seine Kandidatur nach der Bundestagswahl anders, weil er in der Opposition für die Union eine andere Rolle spielen könnte: Wenn es darum geht, das Profil der Partei zu schärfen und auch den konservativeren Flügel der Partei wieder einzubinden.
    Für Ursula Münch von der Akademie für Politische Bildung Tutzing war dies auch der Grund für das klare Votum bei der Mitgliederbefragung: Für viele an der Basis sei Merz ein "Gegenmodell zu Armin Laschet", sagte Münch am Freitag (17.12.2021) im Deutschlandfunk. Viele in der CDU erhofften sich von Merz "klarere Ansagen und auch ein konservativeres Profil, ohne dabei gleich einen Rechtsruck auszulösen". Es gebe bei Teilen der Parteibasis eine Unzufriedenheit mit dem Kurs der Merkel-Jahre, vor allem in der Flüchtlingspolitik, so Münch. Genau dies sei aber die Herausforderung für den künftigen Vorsitzenden Merz: "Die CDU braucht ein neues Grundsatzprogramm, das bislang letzte stammt aus dem Jahr 2007."
    Merz selbst bemühte sich allerdings während der Bewerbung um den künftigen Parteivorsitz, den Verdacht zu widerlegen, er stehe für ein konservatives Rollback der CDU. Mit ihm werde es keinen Rechtsruck oder eine Achsenverschiebung in der Union geben, betonte der 66-Jährige. Bei der Vorstellung seiner Kandidatur legte er einen Schwerpunkt seiner Rede auf das Thema soziale Gerechtigkeit. Merz müsse zeigen, dass er die Union in ihrer Breite adressiere und nicht "der Racheengel gegenüber der Ära Merkel wäre", sagte der Historiker Andreas Rödder im Dlf.
    Merz zur Kandidatur um den CDU Parteivorsitz
    Team Merz: Friedrich Merz (Mitte) mit Christina Stumpp und Mario Czaja (CDU) (picture alliance/dpa)
    Als Generalsekretär schlug Merz den früheren Berliner Sozialsenator Mario Czaja vor, einen ausgewiesenen Sozialpolitiker. Erstmals sollte es auch eine Stellvertreterin für dieses Amt geben, die bisherige baden-württembergische Kommunalpolitikerin Christina Stumpp. Viele Frauen könnten aber unzufrieden damit sein, dass Merz sie in seinem engeren Führungsteam mit dem neuen Posten einer stellvetretenden Generalsekretärin abspeisen will.
    Mit Blick auf die Arbeit der stellvertretenden Parteivorsitzenden sagte Merz, diese sollen künftig konkrete Aufgaben übernehmen und in der Öffentlichkeit sichtbarer werden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Fraktionsvize Carsten Linnemann sollen wichtige Rollen in der CDU spielen. Beide erwägen als Parteivize zu kandidieren, was Merz begrüßte. Linnemann könnte zudem die Grundsatzkommission leiten.

    Norbert Röttgen

    Norbert Röttgen (56), Außenpolitiker und ehemaliger Umweltminister, präsentierte sich als Erneuerer der CDU, der den Anschluss an eine klimabewegte Jugend sucht, Parteistrukturen reformieren will und Mehrheiten in der liberalen Mitte des Wählerspektrums anstrebt. Im Januar 2021 unterlag er Armin Laschet bei seiner ersten Kandidatur für den Parteivorsitz. Nach der schweren Wahlniederlage der CDU könne es kein "Weiter so" geben, sagte er bei der Bekanntgabe seiner erneuten Kandidatur. Im Deutschlandfunk erklärte Röttgen, er stehe "in der modernen Mitte" der Partei.
    Debatte um Wahl des neuen CDU-Vorsitz - Interview Norbert Röttgen, CDU
    "Sie können auch sagen, er ist ein Vertreter einer im Grunde grünen CDU", sagte der Historiker Andreas Rödder, selbst CDU-Mitglied, im Deutschlandfunk. Röttgen müsse deshalb unter Beweis stellen, inwiefern sich seine Umwelt- und Gesellschaftspolitik von der Politik der Grünen unterscheide.
    Kandidatenfeld zum CDU-Vorsitz - Interview mit Professor Andreas Rödder, Uni Mainz
    Röttgen hatte angekündigt, im Fall seiner Wahl die 39-jährige Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann aus Hamburg als Generalsekretärin vorzuschlagen.
    Berlin, Dr. Norbert Röttgen gemeinsam mit Franziska Hoppermann bei der Bundespressekonferenz zum Thema Kandidatur für den Vorsitz der CDU
    Team Röttgen: Norbert Röttgen mit seiner Wunsch-Generealsekretärin Franziska Hoppermann (www.imago-images.de/ Political-Moments)

    Helge Braun

    Der frühere Kanzleramtschef Helge Braun (49) galt von vornherein als der Überraschungskandidat im Rennen um den CDU-Vorsitz. Braun hat viel Regierungserfahrung und war ein Vertrauter von Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Er setzte auf den Merkel-Effekt, mit dem auch Olaf Scholz (SPD) die Bundestagswahl gewonnen haben dürfte. Damit bildete er auch ein Gegengewicht zu Konkurrent Friedrich Merz. Historiker Andreas Rödder wies im Dlf allerdings darauf hin, dass der Merkel-Kurs nicht gerade für strategische Ziele bekannt sei, sondern eher als "Kurs der pragmatischen Reaktion". Größte Herausforderung für Braun werde es sein, deutlich zu machen, wofür er eigentlich inhaltlich stehe.
    Braun trat aber auch nicht als jemand in Erscheinung, der alle Macht und Sichtbarkeit in der CDU auf seine Person vereinen will. Der studierte Mediziner wäre vielmehr auch eine Figur des Übergangs an der Parteispitze gewesen - bis vielleicht andere als neue Hoffnungsträger erscheinen. Denn sollten Tobias Hans im Saarland, Daniel Günther in Schleswig-Holstein und Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen 2022 die Landtagswahlen gewinnen, werden sie in die Reihe der zukunftsträchtigen Akteure der CDU eintreten. In der Partei gab es durchaus Überlegungen, Platz für sie als mögliche Vorsitzende und Kanzlerkandidaten freizuhalten. Dies hätte am ehesten für Helge Braun als Parteivorsitzenden gesprochen.
    Team Braun: Helge Braun kandidiert für den CDU-Vorsitz und will im Falle seines Sieges die ehemalige Integrationsstaatssekretärin in NRW, Serap Güler (links), zur Generalsekretärin machen. Digitalpolitikerin Nadine Schön soll Leiterin der Grundsatzkommission der CDU werden.
    Team Braun: Serap Güler (von links), Helge Braun und Nadine Schön (picture alliance/dpa/ Wolfgang Kumm)
    Für das Amt der Generalsekretärin hatte Braun die Bundestagsabgeordnete Serap Güler vorgeschlagen. Die 41-Jährige war von 2017 bis zu ihrem Wechsel in den Bundestag Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen. Sie könne diskutieren, manchmal polarisieren und integrieren, sagte Braun am 22. November bei der Präsentation seines Teams in Berlin. Es gebe künftig für die Oppositionspartei CDU nur noch drei Machtpositionen, betonte Braun mit Hinweis auf Partei- und Fraktionsvorsitz sowie den Generalsekretärsposten. "In allen drei Positionen Frauen auf Stellvertreter-Rollen zu verweisen, kann ich mir ehrlich gesagt für eine Partei im Jahr 2022 nicht mehr vorstellen", sagte er in Anspielung auf seinen Kontrahenten Friedrich Merz. Dieser sieht für keine dieser Positionen eine Frau an erster Stelle vor.
    Kommentar: Endlich Hoffnung auf Frauen und Vielfalt
    Braun hätte als Vorsitzender zudem Nadine Schön als Leiterin der Grundsatzkommission der CDU mit ins Team genommen. Schön ist Digitalpolitikerin und bisherige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. Die 38-jährige Juristin aus dem Saarland soll sich um eine Reform der Parteiarbeit kümmern.
    CDU chairman Armin Laschet briefs the media after a leaders meeting of Merkel's Christian Democratic Union, CDU, party in Berlin, Germany, Tuesday, Nov. 2, 2021. (AP Photo/Markus Schreiber, Pool)
    CDU-Mitgliederbefragung - Aus purer Not und Alternativlosigkeit
    Die Ankündigung einer Mitgliederbefragung zum CDU-Vorsitz sei eine Bankrotterklärung der bisherigen Parteiführung und eine Drohgebärde, kommentiert Stephan Detjen. Zugleich verbinde sich damit die vage Hoffnung auf einen Aufbruch.
    (Quellen: Katharina Hamberger, Stephan Detjen, Nina Voigt, dpa, AFP)