Von einem Bildschirm aus begrüßt Angela Merkel ihre Besucher im sogenannten begehbaren Programm der CDU in Berlin Mitte:
"Ein Regierungsprogramm ist ja recht abstrakt. Bei unseren Überlegungen fragten wir uns deshalb, wie können wir das begreifbar machen, erlebbar machen? So ist die Idee zu diesem Haus entstanden."
Dieses Haus ist ein altes Kaufhaus, erbaut 1904. Vom alten Glanz ist wenig übrig geblieben. An den Wänden abbröckelnde Farbe, der Bodenbelag: Löchriger Estrich. Seit einigen Jahren wird es als Event-Location vermietet - nun auch an die CDU. Sie präsentiert vor allem eine Wohlfühl-Welt. Hier sind die Pfiffe und Hassparolen, die der Bundeskanzlerin bei einigen Wahlkampfauftritten entgegenschlagen, weit weg.
Herz der deutschen Wirtschaft
Im Zentrum des Hauses: ein meterhohes, rotes Herz. Daraus ist ein Pochen zu hören, dass sich in allen Räumen ausbreitet. 30 mal pro Minute schlägt es. Gleichmäßig, entspannt.
"Das ist der Puls der deutschen Wirtschaft. Es wiegt 750 Kilogramm, ist so ein Stahlgerüst drin, mit einer Bassbox unten drin und ist mit Plüsch überzogen."
Erklärt Philip Riedel, ein CDU-Mitarbeiter. Zwei riesige LED-Wände flankieren das pochende Plüschherz. Darauf: Zahlen zur deutschen Wirtschaft - vor allem, wie diese sich seit 2005, seit dem Merkel Kanzlerin ist, entwickelt hat. Konkretes zum Wahlprogramm der CDU findet der Besucher oft nur, wenn er danach sucht - das ist so gewollt.
"Das sind Türöffner dafür, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen."
Erklärt Riedel einer Besuchergruppe die Installationen. Das Haus ist Teil des Wahlkampfkonzeptes, das sich die Werbeagentur Jung von Matt für die CDU überlegt hat. Es setzt stark auf Emotionen, auf Kosten des Konkreten, Gefühle sollen vermittelt werden, nicht unbedingt Inhalte.
Wahlkampf auf der Straße
400 bis 600 Besucher kämen hier pro Tag vorbei, erzählt eine Mitarbeiterin. Besuchergruppen, Touristen, Spaziergänger. Aber auch politische Diskussionen finden hier statt - auch die Parteichefin ist oft anzutreffen. Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft bietet sogar einmal die Woche Yoga im Sitzen und Lunch. Einatmen - ausatmen - CDU wählen.
Von der Wahlkampfkür zur Pflicht - dem Wahlkampf auf der Straße.
"Guten Tag" – "Guten Tag!" – "Ich bin ihr CDU-Bundestagskandidat." – "Ja Mensch" – "Ich wollte Ihnen ein Flugblatt in die Hand drücken. Das können Sie sich in Ruhe durchlesen. Da sind ein paar Positionen, können mich anschreiben, wenn Sie Rückfragen haben. Ja das wars eigentlich auch schon. Noch einen Kugelschreiber?"
Von Tür zu Tür
Unterwegs mit Timur Husein. Der 36-Jährige ist der Kandidat der CDU für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg. Seit Anfang August zieht er dort jede Woche von Haustür zu Haustür:
"Nach dem Wahlkampf kaufe ich mir neue Schuhe."
Eine mühsame Aufgabe - denn selbst wenn eine Tür geöffnet wird, weiß Husein nie, wie er empfangen wird:
"Guten Tag!" - "CDU - Falsche Partei, wirklich!" - "Was?!" - "Ich bin SPD-Mitglied." - "Also wieder große Koalition" (lachen)
Die CDU-Anhänger überzeugen zur Wahl zu gehen
Manchmal schlägt Husein auch der Hass entgegen, der CDU-Chefin Angela Merkel auch auf Wahlkampfveranstaltungen begegnet. Einer habe mal gerufen:
"Merkel, Landesverräterin, hat dann die Tür zugeschlagen und hat dann aber weitergeschimpft. Unflätiger Art und Weise."
Die Haustürwahlkämpfer gehen von Tür zu Tür, um vor allem die CDU-Anhänger zu überzeugen, zur Wahl zu gehen.
"Nicht mit dem Ziel, einen SPD-Wähler zu überzeugen, dass er das nächste Mal CDU wählen müsste. Selbst, wenn es Ihnen gelingen sollte, dafür brauchen sie eine Dreiviertelstunde und das ist einfach nicht zeiteffizient," sagt Johannes Neumann aus dem Ortsvorstand der CDU Frankfurter Tor. Er begleitet Husein an diesem Tag.
Wettbewerb um die meisten Haustüren
Mobilisierung heißt das Stichwort. Denn die Union befürchtet, dass ausgerechnet die eigenen Wähler am Sonntag zuhause bleiben oder ihre Zweitstimme an eine andere Partei vergeben, weil die Umfragewerte so gut sind, dass sie den Unionssieg für sicher halten. Damit auch an den richtigen Türen geklingelt wird, hat die CDU eine App entwickelt, die aufgrund von Analysen den Wahlkämpfern die Straßenzüge mit Potenzial anzeigt.
In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es davon nicht viele: Seit 2002, seit der Wahlkreis in diesem Zuschnitt existiert, haben die Grünen ihn geholt. Der CDU-Kandidat bekam nie mehr als 15 Prozent.
"Da gehen wir zuerst an unsere Hochburgen. Also das sind bei uns in Friedrichshain-Kreuzberg Straßenzüge so mit 15 bis 20 Prozent."
Husein läuft sich die Schuhe also vor allem für die Zweitstimmen kaputt. Ein Mandat kann er voraussichtlich nicht gewinnen - nur noch einen der vorderen Plätze im Wettbewerb der CDU um die meisten Haustüren - damit motiviert die Partei ihre Wahlkämpfer.