Statt über Verbote zu reden, sollten die Parteien den Diskurs über die tatsächlichen Probleme der Bürger suchen. Linnemann verwies in dem Zusammenhang auf das neue Grundsatzprogramm der Christdemokraten. Sachsen-Anhalts Innenministerin Zieschang mahnte, ein Verbotsverfahren dürfe niemals parteipolitisch motiviert sein. Es müsse vom ersten Verfahrensschritt an von den für ein Verbot erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen getragen sein, erklärte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.
Zuvor hatte CDU-Chef Merz ein Verbotsverfahren strikt abgelehnt und von "Scheindebatten" gesprochen. Im Münchner Merkur fragte er mit Verweis auf SPD-Chefin Esken, ob diese "allen Ernstes" glaube, dass man eine Partei, die in Umfragen an die 30 Prozent heranreiche, einfach verbieten könne? Das sei schon eine beängstigende Verdrängung der Wirklichkeit. Wirksam seien nur vernünftige politische Lösungen für Probleme.
"Wenn der Verfassungsschutz die Partei in drei Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch einstuft"
Neben Esken hatten sich mehrere Mitglieder der Sozialdemokraten für die Prüfung eines Verbotsverfahrens ausgesprochen. Alt-Bundestagspräsident Thierse sagtedem "Tagesspiegel", wenn der Verfassungsschutz die Partei in drei Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch einstufe, habe der Staat die Pflicht, sich mit dieser Frage zu befassen. Allerdings gebe er zu bedenken, dass ein Verbotsverfahren vermutlich viele Jahre dauern würde. Zudem, - so Thierse weiter - würde die AfD das propagandistisch eheblich ausschlachten werde, um sich als Opfer zu stilisieren.
Die sächsische SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Herbst, Köpping, sagte dem Spiegel, die AfD sei stark und eine Gefahr für die Demokratie. Aus ihrer Sicht ist die Ausgangslage eine ganz andere als bei dem früheren NPD-Verbotsverfahren. Das sei seinerzeit vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil die NPD nur geringe Wahlergebnisse erzielt und somit keine Gefahr dargestellt habe.
Auch Skepsis in der SPD
Innerhalb der SPD gibt es aber auch Skepsis. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke erklärte in Potsdam, Diskussionen über ein mögliches Verbotsverfahren halte er für unangebracht. Der Eindruck, dass mit Parteiverboten in politische Diskussionen eingegriffen werden könne, sei "verheerend". Diese Debatte helfe nur den Falschen. In den Debatten über die AfD dürfe aber nicht nur deren "ekelhafte rechtsextreme Seite" in den Blick genommen werden. Man müsse stärker die inhaltliche Auseinandersetzung suchen. In Brandenburg präsentiere sich die AfD beispielsweise als Unterstützerin der Kommunen, während sie gleichzeitig vor Gericht die Finanzierung der Kommunen mit zusätzlichen Landesmitteln kippen wolle. Auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Schneider, hatte zuvor gewarnt, ein Verbot hätte kaum Chancen und würde die Solidarisierung mit der AfD verstärken.
Grünen-Fraktionsvize von Notz plädierte ebenfalls für eine politische Auseinandersetzung. Allerdings sei die AfD ein Partei, die die deutsche Demokratie zutiefst verachte und ein Parteienverbot in Deutschland ein mögliches Instrument, auch wenn die Hürden hoch seien. Die Verfassungsorgane müssten Einschätzungen der Sicherheitsbehörden im Blick behalten und "die Argumente des Für und Wider eines Verbots sorgfältig abwägen".
Linken-Chef: Option eines AfD-Verbots nicht voreilig aufgeben
Der Linken-Vorsitzende Schirdewan sagte: die Option eines Parteienverbotes dürfe nicht voreilig aus der Hand gelegt werden. Man dürfe nur nicht meinen, die eigenen Hausaufgaben würden sich erledigen, wenn man eine faschistische Partei verbiete.
Die AfD liegt in Umfragen zur Bundestagswahl mit mehr als 20 Prozent auf Platz zwei hinter der CDU/CSU - und deutlich vor den Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo im September neue Landtage gewählt werden, sehen Umfragen die AfD mit teils deutlichem Abstand an der Spitze und über 30 Prozent. In Sachsen wurden ihr zuletzt37 Prozent vorhergesagt, während die SPD dort mit 3 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und den Wiedereinzug in den Landtag verpassen würde.
Diese Nachricht wurde am 05.01.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.