Manfred Kloiber: Neben der Parallelisierung hat ja - vor allem bei Echtzeitanwendungen mit großen Datenmengen, also echten Big-Data-Anwendungen – noch eine andere Technologie für einen massiven Geschwindigkeitsschub gesorgt: die In-Memory-Technologie. Stromkonzerne etwa prognostizieren damit den Energiebedarf der nächsten Stunden und Tage und können die Stromproduktion genauer steuern. E-Business-Anwendungen, bis runter zum mittleren Onlineshop, können so die Transaktionen auf ihren Kaufsystemen besser planen und etwa Rechnerkapazität für Zeiten mit vielen Anfragen und Käufen zuschalten, sodass Kunden zu Hause am Bildschirm nicht warten müssen. IBM, Oracle und die SAP waren hier auch auf der Cebit die großen Drei.
In-Memory-Datenbanken werten Sensoren aus
Peter Welchering: Erstaunlich war, wie unterschiedlich sich die drei in Hannover präsentiert haben. Oracle etwa hat sehr stark auf Visualisierung großer Datenmengen und der Ergebnisse von Big-Data-Analysen gesetzt. Außerdem hatten die noch so einen zweiten Schwerpunkt, den Außendienst per Smartwatch an die In-Memory-Datenbank anzubinden. Da braucht es immer noch ein paar Vermittlungsebenen. Aber ein interessanter Ansatz. IBM hat in Hannover auf die Watson Analytics gesetzt, auch noch einmal erläutert, warum die Big-Data-Anaylse von Twitter und anderen sozialen Plattformen auch für kleine Unternehmen wichtig ist, weil die nämlich ihre lokalen Nachfragetrends darüber erfahren können. Und sie können auf lokaler Ebene bessere Kundenbindung betreiben. Etwa rauskriegen, an welcher Verkäuferin der Brötchenkunde hängt, bei wem er am liebsten einkauft. Und die Verkäuferin dann einsetzen, wenn ihre Lieblingskunden gerade am Samstagvormittag oder nach 18:00 Uhr gegen Feierabend Brot oder Brötchen kaufen.
Kloiber: Am SAP-Stand dagegen ging es ja diesmal ziemlich grün zu. Die hatten sich ein Weizenfeld in die Hale geholt und nannten das Digital-Farming. Die wollen also mit Hana als In-Memory-Lösung stark in neue Bereiche.
Welchering: Digital-Farming ist für Stefan Brandt von SAP auch nur eine Industrie-4.0-Anwendung. Produkte reden also mit Maschinen, Maschinen tauschen untereinander Daten aus. Die Maschinen mit Dienstleistern. Also zum Beispiel tauschen Kartoffelacker und Erntemaschine Daten aus, sodass über eine Big-Data-Analyse sichergestellt wird, dass die richtigen Kartoffeln für bestimmte Kunden zu einer bestimmten Zeit geerntet werden können. Stefan Brandt hat da ein Beispiel:
"Wenn eine Kartoffel am Ende des Tages für die Pommes Frites sieben Zentimeter in der Länge haben muss und vier Zentimeter im Durchmesser, dann funktioniert das nicht, wenn ich die alle gleichmäßig auswerfe, weil der Boden sehr unterschiedlich ist. Das ist ja mit dem Setzen nicht getan. Ich muss es pflegen, ich muss es wachsen lassen. Irgendwann muss ich es ernten. Selbst der Zeitpunkt der Ernte kann sehr genau bestimmt werden, sagen: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt aufgrund der Wetterbedingungen, da ist der richtige Reifegrad da. Dann muss ich den Betreiber der Maschine kontaktieren und sagen: Du musst jetzt auf diesen Ackerschlag kommen und häckseln oder ernten."
Kloiber: Allerdings ist so eine Big-Data-Anwendung in der Landwirtschaft nicht gerade billig. Denn das Kartoffelfeld in dem Fall muss ja eine Menge Sensoren bekommen, die dann Feuchtigkeit, Bodenbeschaffenheit, Sonneneinstrahlung, Reifegrad der Frucht und so weiter messen.
Sensoren-Hersteller stark auf Cebit vertreten
Welchering: Darauf setzen natürlich die Sensoren-Hersteller, die übrigens extrem stark auf der Cebit vertreten waren. Also das ist eine Branche, die migriert tatsächlich gerade von der Industriemesse auf die Cebit. Denn Sensoren sind die Sinnesorgane für Industrie 4.0. Bevor die allerdings massenhaft in die Äcker verbuddelt werden können, damit Digital Farming tatsächlich stattfinden kann, müssen die Landwirtschaftsminister der EU noch darüber beraten. Beispielsweise sind derzeit Förderungsrichtlinien fürs Digital Farming so ein Gesprächsthema unter den EU-Polit-Bürokraten. Bei den Unternehmen, die solche Lösungen entwickelt haben, führt das natürlich zu Kopfschütteln. Denn die wollen mit einigen Pilotprojekten zeigen, wie es geht, und dann natürlich ihre Lösung verkaufen. Aber da zeigt sich dann eben, dass das digitale Wirtschaftswunder mitunter von der Politik ausgebremst wird.
Kloiber: Darüber haben ja in den Hannoverschen Messehallen nicht nur die Big-Data-Lösungsanbieter geklagt, sondern auch der Einzelhandel und die Finanzwirtschaft. Immer wieder war zu hören, dass zur D'conomy unbedingt das digitale Bezahlen gehöre. Aber weder Verleger für ihre Nachrichten und anderen journalistischen Produkte im Netz, noch Online-Lieferservices haben die richtig tolle digitale Bezahllösung für kleine Beträge.
Diskussion über Handy-Bezahlsysteme-Standard
Welchering: Die fehlt auch noch im stationären Einzelhandel, also in der analogen Welt, obwohl sie da von den Einzelhändlern wie auch von den Kunden immer wieder gefordert wird. Bezahlen per Handy etwa setzt sich einfach nicht richtig durch. Dabei sind technisch ausgereifte Lösungen dafür verfügbar. In Italien etwa wird mit gutem Erfolg das Bezahlsystem Jiffy betrieben. Das könnte auch hierzulande das Bezahlen per Handy attraktiv machen, aber so weit sind wir noch nicht, wie Bernd-Josef Kohl vom Finanzspezialisten GFT Technologie beschreibt.
"Da ist eine Zahlungsanwendung, wie sie auch dem Standard der Europäischen Union entspricht. Die Frage ist allerdings, wie jetzt der Standard tatsächlich aussehen wird. Im European Payment Council muss nun festgelegt werden, ob diese Anwendung den Standards vollkommen entspricht und auch für andere Länder akzeptabel ist, politisch und eben auch von der Finanzdienstleistung her."
Welchering: Der Trick bei Jiffy: Das Geld wird nicht auf dem Smartphone gespeichert, sondern bleibt auf dem Konto. Wenn der Jiffy-Anwender im Laden eine Fanta oder eine Illustrierte bezahlt, dann lädt er von seinem Konto den Betrag herunter und reicht ihn an den Einzelhändler weiter. Alle Technologien dafür sind in den Banken und bei den Mobilfunkprovidern eingeführt. Die Kassensysteme der Einzelhändler sind überwiegend kompatibel. Also genau solch eine digitale Bezahllösung ist technisch durchdekliniert, aber sie kann noch nicht eingesetzt werden, weil der politische Wille fehlt.
Kloiber: Auch die Verschlüsselung bei Jiffy ist ziemlich ausgeklügelt. Warten wir also mal ab, was der European Payment Council dazu sagt.
Verschlüsselung als Topthema
Welchering: Verschlüsselung war insgesamt ein Topthema auf der Cebit, Datensicherheit auch. Insgesamt konnte man feststellen: Der NSA-Schock aus dem Sommer 2013 sitzt so tief, dass die Unternehmen hier zu Investitionen bereit sind. Gleichzeitig wird aber auch die Forderung an die staatlichen Stellen laut, zähmt endlich eure Nachrichtendienste. Unisono war das von Industrieverbänden und Sicherheitsexperten auf der Cebit zu hören. Und sie meinen damit nicht nur bessere Kontrolle dessen, was die Dienste da so treiben. Sie sagen auch ganz klar: Wir brauchen eine Diskussion über den Umgang mit Sicherheitslücken. Raimund Genes, Cheftechniker beim japanischen Sicherheitsdienstleister Trend Micro bewertet das so.
"Ich finde es sehr schlecht, wenn Staaten – und da schließe ich jetzt die Bundesrepublik Deutschland nicht aus – Millionen in die Hand nehmen, um Sicherheitslücken aufzukaufen, um dann fremde Staaten damit zu beglücken. Die Steuergelder könnte man – glaube ich – besser verwenden. Und Transparenz ist in diesem Bereich wichtig. Denn früher oder später weiß nicht nur der Staat von der Sicherheitslücke, sondern auch irgendwelche Cyberkriminellen. Und die machen dann was anderes damit. Die beglücken nicht nur eine Zielperson in einem anderen Land, sondern die gehen auch gegen die eigenen Bürger vor."
Welchering: Allerdings ist da auch in den Diskussionen von Vertretern der Sicherheitsbehörden mit Unternehmern und in den Gesprächen von Politikern mit Unternehmern deutlich geworden, dass die Bereitschaft seitens der Politik und der Dienste, auf Sicherheitslücken für die eigene Spionage- oder Angriffstätigkeit zu verzichten und damit für größere Sicherheit zu sorgen, nicht sehr ausgeprägt ist. Sogar den inzwischen sehr weitreichenden Einsatz von Verschlüsselungssoftware durch möglichst viele Internetnutzer und Mailanwender bewerten vor allen Dingen die Sicherheitspolitiker als Gefahr. Sie hätten gern eine Art Zwangsschlüsselabgabe, sodass Behörde jederzeit, wenn sie meinen, es sei Gefahr im Verzuge, entschlüsseln können. Auch das war eine enorm kontroverse Diskussion auf der Cebit.