Musik: Jacques Offenbach, "Concerto militaire" für Violoncello und Orchester
Dumpfe Paukenschläge eröffnen das Cellokonzert von Jacques Offenbach. Es klingt mächtig und erhaben, das Thema wird breiter und taucht nach kurzen Einwürfen der Holzbläser immer wieder auf. Nach zweieinhalb Minuten ist schließlich die Bühne frei für das Soloinstrument:
Musik: Jacques Offenbach, "Concerto militaire" für Violoncello und Orchester
Mit Doppelgriffen und einer sanglichen Melodie beginnt Edgar Moreau sein Solo und nach einigen Takten begleitet ihn das Orchester mit Klangtupfern. Das Cellokonzert schrieb Jacques Offenbach übrigens für sich selbst, denn obwohl man bei seinem Namen vielleicht zuerst an Operetten denken mag, war Offenbach ein begnadeter Cellist. Karikaturen, die ihn als "teuflischen Virtuosen" zeigen, kursierten in französischen Satire-Zeitschriften. Mit gerade einmal 28 komponierte er im Jahr 1847 dieses allein schon in seinen zeitlichen Dimensionen gigantische Konzert. Bei Edgar Moreau dauert es gut 40 Minuten und ist gespickt mit technischen Herausforderungen.
Musik: Jacques Offenbach, "Concerto militaire" für Violoncello und Orchester
Dass diese rasenden Doppelgriffe im aberwitzigen Tempo trotzdem noch so leicht und aufmüpfig klingen, liegt vor allem an Edgar Moreau. Mit ausgefeilter Technik und Spielfreude meistert er dieses Stück bravourös. Begleitet wird er dabei vom Orchester Les Forces Majeures. Der etwas ironische Name lautet auf deutsch "Höhere Gewalten". Das Ensemble bezeichnet sich als Kollektiv von Kammermusikern. Unter der Leitung von Raphaël Merlin, selbst Cellist im berühmten Quatuor Ébène, gelingt ein schlüssiger Gesamtklang, in dem das Orchester zwar klar in den Hintergrund tritt, aber trotzdem das Cello wohl dosiert, auf humorvolle Art unterstützt. Das Ganze wirkt an manchen Stellen transparent und intim wie Kammermusik, trotz der üppigen Besetzung mit vier Hörnern, zwei Trompeten und drei Posaunen.
Musik: Jacques Offenbach, "Concerto militaire" für Violoncello und Orchester
Schmaler Grat zwischen Schönklang und Kitsch
Offenbach komponiert sein Showpiece wie eine Art Rhapsodie, indem er einzelne Melodien und Themen aneinanderreiht und damit die klassische Konzertform sprengt. Das Ergebnis: Wilde Tonkaskaden und schwierige Doppelgriffe, gewürzt mit einer kräftigen Prise Humor.
Der zweite Satz, das Andante in E-Dur, hat eine andere Stimmung. Statt mit aufgekratzten Sechzehntelnoten zu glänzen, zeigt das Cello mit einer getragenen, elegischen Melodie eine andere Klangfarbe. Moreau wandelt stilsicher auf dem schmalen Grat zwischen süffigem Schönklang und banalem Kitsch.
Musik: Jacques Offenbach, "Concerto militaire" für Violoncello und Orchester
Während sich das Cello immer wieder in der pathetischen Melodie verliert, wird es vom Orchester mit einem dichten Streicherteppich begleitet. In einem kurzen Seitenthema umspielt die Klarinette das Cello über dem sanften Pizzicato der Streicher, danach erklingt von neuem das bekannte romantische Thema.
Musik: Jacques Offenbach, "Concerto militaire" für Violoncello und Orchester
Im dritten Satz, dem Allegretto, merkt man sofort, woher das Konzert seinen Namen hat. Offenbach hat es nämlich "Concerto militaire" genannt. Gleich zu Beginn werden stoßartige Fanfaren geblasen, dann setzen Orchester und Marschtrommel ein.
Musik: Jacques Offenbach, "Concerto militaire" für Violoncello und Orchester
Das Cello schäkert mit der Trommel und antwortet mit einer verschmitzt-fröhlichen Melodie. Das klingt sehr nach dem typischen Humor von Jacques Offenbach. Immer wieder wechseln sich Marschtrommel und Cello wie in einem Dialog ab.
Musik: Jacques Offenbach, "Concerto militaire" für Violoncello und Orchester
Big Band im Bierzelt
Das zweite Werk auf der CD stammt von Friedrich Gulda, den viele nur als Pianisten und Enfant terrible im Wien der Nachkriegszeit kennen. Es heißt zwar "Konzert für Cello und Blasorchester", könnte aber genauso gut für Big Band geschrieben sein. Schon in der Ouvertüre flippen alle regelrecht aus: Das Cello spielt eine funkige Melodie, die wie improvisiert klingt, über dem groovigen Rhythmus von Schlagzeug, Kontrabass und E-Gitarre.
Musik: Friedrich Gulda: Konzert für Violoncello und Blasorchester
Was als funkiger Rock beginnt, endet in einer alpenländischen Melodie. Friedrich Gulda mixt die verschiedenen Genres wild durcheinander. Hier ein bisschen Funk, dort eine Prise Jazz oder große romantische Geste, die an Franz Schubert erinnert.
Musik: Friedrich Gulda: Konzert für Violoncello und Blasorchester
Gulda hat dieses Konzert im Jahr 1980 für den Cellisten Heinrich Schiff komponiert, angeblich, weil Schiff sich bei ihm über das zu klassische Repertoire beschwert hatte und da war er bei Gulda gerade richtig. Er war sein Leben lang bemüht, E- und U-Musik miteinander zu vereinen und spielte als einer der wenigen als klassischer Pianist mit Jazzgrößen wie Chick Corea, Herbie Hancock oder Joe Zawinul zusammen.
Der zweite Satz in seinem Konzert klingt wie ein idyllischer Ländler. Oboe und Klarinette spielen eine fröhliche Melodie über dem gezupftem Dreiertakt der Gitarre.
Musik: Friedrich Gulda: Konzert für Violoncello und Blasorchester
Entfesselte Raserei auf dem Cello
Eine virtuose, ausgeschriebene Kadenz erinnert an die Musik von Dmitri Schostakowitsch und bildet das Herzstück des Cellokonzerts. Sie beginnt zwar voll Ruhe und Innigkeit, aber es dauert nicht lange und Moreau rast auf seinem Cello von David Tecchler aus dem Jahr 1711 wie entfesselt auf und ab.
Musik: Friedrich Gulda: Konzert für Violoncello und Blasorchester
Ganz anders klingt dagegen der vierte Satz, das Menuett. Es erinnert an die Musik von Lully oder einen höfischen Tanz wie zum Beispiel die Pavane. Die punktierte Melodie des Cellos wird von Gitarre und Kontrabass begleitet und danach von Bläsern und Tamburin als Antwort imitiert.
Musik: Friedrich Gulda: Konzert für Violoncello und Blasorchester
Im letzten Satz, dem "Finale alla marcia", führt Moreau den Hörer geradewegs in den Zirkus oder ein Bierzelt in Tirol. Die Blaskapelle könnte mit ihrer Marschmusik genauso gut auf einem Volksfest aufspielen. Moreau unterstützt mit erfrischend ungestümem Spiel.
Musik: Friedrich Gulda: Konzert für Violoncello und Blasorchester
Das Konzert für Cello und Blasorchester von Friedrich Gulda greift vergangene Musikstile auf und führt so den Witz und Humor von Jacques Offenbach mit einem Augenzwinkern weiter. Die beiden Cellokonzerte auf dieser CD, erschienen bei Erato, passen programmlich gut zusammen. Beide strotzen nicht nur vor Virtuosität, sondern ähneln sich außerdem in ihrer rhapsodischen Anlage. Ihre Schöpfer waren Visionäre, sie hielten wenig vom damals üblichen Kompositionsstil und wagten mit diesen Werken, jeder auf seine Weise, etwas Neues. Edgar Moreau verblüfft durch sein exzellentes Spiel, das Les Forces Majeures unter der Leitung von Raphaël Merlin mit spritziger Leichtigkeit unterfüttern. Eine beeindruckende Aufnahme.
Cellokonzerte von Jacques Offenbach und Friedrich Gulda
Edgar Moreau, Violoncello
Les Forces Majeures
Ltg.: Raphaël Merlin
ERATO
Edgar Moreau, Violoncello
Les Forces Majeures
Ltg.: Raphaël Merlin
ERATO