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CETA-Abkommen
Streit um den Freihandel

Nach wie vor ist unklar, ob das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada ratifiziert wird - und von wem. EU-Präsident Jean-Claude Juncker und seine Handelskommissarin wollen es ohne die Zustimmung der Länderparlamente durchsetzen - nicht nur in Deutschland stößt das auf viel Kritik.

    Demonstranten halten rote Buchstaben-Luftballons in den blauen Himmel, die die Parole "Stop Ceta" bilden. Im Hintergrund das Brandenburger Tor.
    In Deutschland gibt es viel Protest gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP (dpa / Paul Zinken)
    Jean-Claude Juncker ist völlig klar: wenn CETA vor die Hürden der nationalen EU-Parlamente muss dann hat das Freihandelsabkommen mit Kanada keine Chance. Der Kommissionspräsident braucht nur vor seine Brüsseler EU-Haustür zu schauen: Das wallonische Parlament zum Beispiel ist fest entschlossen der belgischen Regierung zu untersagen, CETA zu unterschreiben. Die frankophonen Belgier sehen nämlich europäische Umwelt-und Lebensmittelstandards in Gefahr. Zu Unrecht argumentieren EU-Parlamentarier wie der christdemokratische Handelsexperte Daniel Caspary:
    "Es wird eben jetzt nicht so sein, dass wir kanadisches Hormonfleisch akzeptieren."
    Vielmehr sei Kanada wegen des Handelsabkommens mit der EU zum ersten Mal bereit im großen Stil Bio-Rinder zu züchten.
    "Alles Fleisch, das aus Kanada zu uns kommt, muss nach unseren Standards produziert sein. Das heißt, es dürfen keine Hormone gespritzt werden."
    Wandel durch Handel - auch der SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament Bernd Lange sieht durch CETA die Chance für eine artgerechtere Rindviehhaltung in Kanada.
    "Wir haben vereinbart, dass die Kanadier 50.000 Tonnen hochqualitatives Rindfleisch ohne Hormonbelastung zollfrei in die EU importieren dürfen."
    Im Namen des Rohmilchkäses
    Umgekehrt biete CETA neben dem Wegfall fast aller Zölle auch europäischen Exporteuren ganz neue Chancen betont der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Lange.
    "Wir dürfen 30.000 Tonnen Rohmilchkäse nach Kanada exportieren".
    EU-Kommissionschef Juncker sieht darüber hinaus mit dem CETA-Abkommen eine letzte Chance das EU-Freihandelsabkommen TTIP mit den USA zu retten, sozusagen den großen Bruder von CETA. Denn beide Abkommen sehen vor, dass Konzerne EU-Staaten vor speziellen Investitionsgerichten auf Schadensersatz verklagen können. Aber in CETA ist zum ersten Mal in der Freihandelsgeschichte festgeschrieben, dass die Richter öffentlich ernannt werden müssen, dass die Verfahren öffentlich sind und es eine Revisionsmöglichkeit gibt.
    Scheitert CETA bei der Abstimmung?
    Juncker und seine Handelskommissarin Cecilia Malmström betrachten CETA deshalb als eine ideale Blaupause für TTIP - und wollen verhindern, dass diese Blaupause vor den nationalen Parlamenten zur Makulatur wird. Das CETA-Abkommen sei ein reines Handelsabkommen. Und deshalb seien ausschließlich der europäische Rat und das EU-Parlament für seine Verabschiedung zuständig, lautet die Einschätzung der Juncker-Kommission.
    "Ich muss sagen, das ist eine ziemliche Unverfrorenheit", empört sich der grüne Europapolitiker Reinhard Bütikofer.
    "Ich habe den Eindruck, an der Stelle haben die Leute den Schuss nicht gehört."
    Im Gegensatz zu Juncker und Malmström ist der Grüne Bütikofer mit Bundeskanzlerin Merkel der Ansicht:
    "CETA ist ein gemischtes Abkommen und deshalb braucht es auch die Ratifizierung."
    Und zwar nicht nur durch das EU-Parlament. Sondern auch durch die Parlamente der Einzelstaaten.
    "Es kann wohl nicht angehen, dass nur weil die EU-Kommission befürchtet, dass es bei der Ratifizierung Schwierigkeiten geben könnte, die Parlamente der Mitgliedsländer ins Trockene setzt."
    Junckers und Malmströms Strategie - trotz der Brexit-Signale allein auf Brüssel zu setzen - birgt aus Bütikofers Sicht die Möglichkeit, dass CETA gleich doppelt scheitert: in den nationalen Parlamenten und auf EU-Ebene.
    "Es kann sogar sein, dass diese selbstherrliche Entscheidung der Kommission wesentlich dazu beiträgt, dass das Europäische Parlament jetzt erst recht nein sagt."