Richtig bedrohlich klingt das nicht, was aus Raum 103 der Musikschule der Stadt Lüdenscheid kommt.
Marianne Grimmenstein, 70 Jahre alt, dunkle, dichte Haare, sitzt auf einem Holzstuhl. Zierlich. Hellrosa Schlabberpulli, dunkle Hose.
Das Mädchen neben ihr verfolgt konzentriert jeden ihrer Finger an der Querflöte. Zweimal die Woche – jeden Dienstag und jeden Freitag – gibt Marianne Grimmenstein hier, im Erdgeschoss, Flötenunterricht, genauer gesagt: Quer- und Blockflötenunterricht. Seit 1972, also insgesamt seit 44 Jahren lehrt sie. Doch in den letzten Monaten ist aus dem Haupt- einen Nebenberuf geworden:
"Diese Musiklehrerin könnte das Freihandelsabkommen CETA stoppen."
Marianne Grimmenstein, 70 Jahre alt, dunkle, dichte Haare, sitzt auf einem Holzstuhl. Zierlich. Hellrosa Schlabberpulli, dunkle Hose.
Das Mädchen neben ihr verfolgt konzentriert jeden ihrer Finger an der Querflöte. Zweimal die Woche – jeden Dienstag und jeden Freitag – gibt Marianne Grimmenstein hier, im Erdgeschoss, Flötenunterricht, genauer gesagt: Quer- und Blockflötenunterricht. Seit 1972, also insgesamt seit 44 Jahren lehrt sie. Doch in den letzten Monaten ist aus dem Haupt- einen Nebenberuf geworden:
"Diese Musiklehrerin könnte das Freihandelsabkommen CETA stoppen."
Schrieb die "Süddeutsche Zeitung".
"Hobbyjuristin gegen Freihandel."
Titelte "Neues Deutschland" und in "Christ und Welt" hieß es gar:
"Kriegerin aus dem Sauerland."
"Hobbyjuristin gegen Freihandel."
Titelte "Neues Deutschland" und in "Christ und Welt" hieß es gar:
"Kriegerin aus dem Sauerland."
Erste Beschwerde scheitert
Es ist eine Geschichte, die am 24. August 2014 ihren Anfang nahm: Denn Marianne Grimmenstein, die Flötenlehrerin aus Lüdenscheid, reichte damals eine zehnseitige Verfassungsbeschwerde gegen CETA ein – das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada.
Der Grund: Sie fürchtet eine entfesselte Freihandelszone, in der die Macht der Unternehmen und Investoren über beispielsweise den Rechten der Arbeitnehmer oder Umweltrechten steht. Doch das Ganze scheiterte:
"Ich sehe ein, dass das abgewiesen worden ist, es war viel zu früh."
Es gab noch keinen ratifizierungsfähigen Text, auf den sich das Bundesverfassungsgericht hätte beziehen können. Grimmenstein hat mittlerweile ihre Flöten-Schülerin nach Hause geschickt, sitzt jetzt alleine im Unterrichtsraum und erzählt von ihrem Kampf gegen CETA, der eben in jenen Augusttagen 2014 nicht endete – sondern im Grunde erst begann. Denn die auf Kampagnen spezialisierte Website Change.org nahm zu ihr Kontakt auf. Gemeinsam wurden Spender und Unterstützer gesammelt.
"Ich sehe ein, dass das abgewiesen worden ist, es war viel zu früh."
Es gab noch keinen ratifizierungsfähigen Text, auf den sich das Bundesverfassungsgericht hätte beziehen können. Grimmenstein hat mittlerweile ihre Flöten-Schülerin nach Hause geschickt, sitzt jetzt alleine im Unterrichtsraum und erzählt von ihrem Kampf gegen CETA, der eben in jenen Augusttagen 2014 nicht endete – sondern im Grunde erst begann. Denn die auf Kampagnen spezialisierte Website Change.org nahm zu ihr Kontakt auf. Gemeinsam wurden Spender und Unterstützer gesammelt.
Zugleich konnte Grimmenstein einen Verfassungsrechtler gewinnen, der sie bei der neuen Klage unterstützen wollte: Andreas Fisahn von der Universität Bielefeld. Sie beiden begannen, Unterschriften zu sammeln und Menschen, die die Klage unterstützten. Und das gelang: Über die Monate kamen so fast 40.000 Unterschriften zusammen – bis, ja bis zum vergangenen März:
"Und wo dann die Medien alle berichtet haben, dann habe ich also die Massenpost bekommen."
Und der Postbote kam schon gar nicht mehr zu dem unscheinbaren Mehrfamilienhaus in der Corneliusstraße 11 in Lüdenscheid.
"Da kam jeden Morgen ein Postauto. Gut eine Woche kam ein Postauto und brachte kistenweise die Briefe."
"Und wo dann die Medien alle berichtet haben, dann habe ich also die Massenpost bekommen."
Und der Postbote kam schon gar nicht mehr zu dem unscheinbaren Mehrfamilienhaus in der Corneliusstraße 11 in Lüdenscheid.
"Da kam jeden Morgen ein Postauto. Gut eine Woche kam ein Postauto und brachte kistenweise die Briefe."
Zuspruch von 70.000 Bürgern
Gut 30.000 Briefe in einer Woche waren das – und die machten dem Ehepaar Grimmenstein ordentlich zu schaffen. Schon alleine aus Platzgründen:
"Das habe ich alles in Säcke verstaut. Richtig in Säcke geschmissen erst einmal."
Und dann, ging es los:
"Die Briefe wurden alle von meinem Mann geöffnet. Und dann kam die Bearbeitung. Das wir sämtliche Adressen in Computer eintippen mussten."
69.356 Unterschriften sind es aktuell. Dazu kommen noch fast 240.000 Menschen, die bei der Internetplattform ihre Unterstützung zugesichert haben. Grimmenstein muss die letzten Zusendungen noch überprüfen, dass es keine doppelten Unterzeichner gibt, aber in diesen Tagen ist Schluss.
"Heute habe ich die letzten Bearbeitungen gekriegt. Jetzt kommt das endgültige Zählen und dann ist fertig."
Und für Grimmenstein beginnt das Warten: Am 5. Juli, so der aktuelle Zeitplan, will die Europäische Kommission darüber entscheiden, nach welchem Verfahren der CETA- Vertrag in Kraft tritt und welche Institutionen darüber entscheiden dürfen. Erst dann – wohl im Herbst – können Grimmenstein, Professor Fisahn und die knapp 70.000 Unterschreiber, ihre Klage einreichen – und in Grimmensteins Wohnung entsteht Platz:
Und dann, ging es los:
"Die Briefe wurden alle von meinem Mann geöffnet. Und dann kam die Bearbeitung. Das wir sämtliche Adressen in Computer eintippen mussten."
69.356 Unterschriften sind es aktuell. Dazu kommen noch fast 240.000 Menschen, die bei der Internetplattform ihre Unterstützung zugesichert haben. Grimmenstein muss die letzten Zusendungen noch überprüfen, dass es keine doppelten Unterzeichner gibt, aber in diesen Tagen ist Schluss.
"Heute habe ich die letzten Bearbeitungen gekriegt. Jetzt kommt das endgültige Zählen und dann ist fertig."
Und für Grimmenstein beginnt das Warten: Am 5. Juli, so der aktuelle Zeitplan, will die Europäische Kommission darüber entscheiden, nach welchem Verfahren der CETA- Vertrag in Kraft tritt und welche Institutionen darüber entscheiden dürfen. Erst dann – wohl im Herbst – können Grimmenstein, Professor Fisahn und die knapp 70.000 Unterschreiber, ihre Klage einreichen – und in Grimmensteins Wohnung entsteht Platz:
"Ja, dann gehen die ganzen Bögen nach Karlsruhe."
Für Grimmenstein war es auch klar, dass sie sich gegen CETA stellt – und nicht gegen das transatlantische Projekt TTIP:
"Im Grunde genommen, wenn CETA durchkäme, braucht man gar kein TTIP mehr."
"Im Grunde genommen, wenn CETA durchkäme, braucht man gar kein TTIP mehr."
Das nächste Projekt ist in der Mache
In Zeiten, in denen Parteien Nachwuchssorgen habe, gesellschaftliche Gleichgültigkeit um sich greift, ist Grimmensteins Engagement ein Kontrast. Und bei allem Zuspruch, bei aller Resonanz, sieht Grimmenstein in ihrer Arbeit auch ein Versagen der übrigen politischen Akteure:
"Ich habe auch immer darauf gewartet, dass andere NGOs das anstoßen, haben sie nix getan, dann habe ich eigentlich beschlossen: Jetzt musst Du was tun, sonst tun die anderen nix."
Und nach dieser Devise hat die Flötenlehrerin aus dem Sauerland schon das nächste Projekt initiiert. Denn eine ihrer Lehren aus dem Kampf gegen CETA: Es geht nicht nur um Inhalte, sondern letztendlich auch um das Personal. Im Hinblick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr möchte sie, dass die Bürger ihre Direktkandidaten in den jeweiligen Wahlkreisen selbst auswählen können:
"Die Aktion nenne ich: Frischen Wind in den Bundestag, dass unabhängige, potenzielle Kandidaten in den Bundestag kommen sollen, die praktisch keinen Parteihintergrund haben."
Für den Herbst hat sie im Märkischen Kreis die ersten Versammlungen geplant, das Ganze soll eine bundesweite Bewegung werden, die an der Vormachtstellung der Parteien rüttelt. Eigentlich klingt alles zu idealistisch, eigentlich zu ambitioniert, als dass man sich in den Parteizentralen ernsthaft Sorgen machen müsste. Eigentlich.
"Ich habe auch immer darauf gewartet, dass andere NGOs das anstoßen, haben sie nix getan, dann habe ich eigentlich beschlossen: Jetzt musst Du was tun, sonst tun die anderen nix."
Und nach dieser Devise hat die Flötenlehrerin aus dem Sauerland schon das nächste Projekt initiiert. Denn eine ihrer Lehren aus dem Kampf gegen CETA: Es geht nicht nur um Inhalte, sondern letztendlich auch um das Personal. Im Hinblick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr möchte sie, dass die Bürger ihre Direktkandidaten in den jeweiligen Wahlkreisen selbst auswählen können:
"Die Aktion nenne ich: Frischen Wind in den Bundestag, dass unabhängige, potenzielle Kandidaten in den Bundestag kommen sollen, die praktisch keinen Parteihintergrund haben."
Für den Herbst hat sie im Märkischen Kreis die ersten Versammlungen geplant, das Ganze soll eine bundesweite Bewegung werden, die an der Vormachtstellung der Parteien rüttelt. Eigentlich klingt alles zu idealistisch, eigentlich zu ambitioniert, als dass man sich in den Parteizentralen ernsthaft Sorgen machen müsste. Eigentlich.