Manfred Götzke: Für Verbraucher und Umweltschützer in Deutschland steht schon lange fest, besser wird durch das Freihandelsabkommen TTIP nichts. Und wenn die Verhandlungen schlecht laufen, sind möglicherweise auch unsere Umwelt-, Verbraucher- und Sozialstandards futsch. Aber wie sieht es in der Bildung aus? Legt uns da ein Chlorhühnchen ein Ei ins Schul- und Hochschulsystem? Mit dieser Frage hat sich gestern die Kultusministerkonferenz beschäftigt beziehungsweise deren Kommission für internationale Angelegenheiten. Geleitet wird die vom brandenburgischen Wissenschaftsstaatssekretär Martin Gorholt. Herr Gorholt, bedroht TTIP unser Bildungssystem?
Martin Gorholt: Das kann man noch nicht so sagen. Wir haben ja gestern eine Anhörung der Kultusministerkonferenz durchgeführt und uns mit CETA und mit TTIP beschäftigt. Bei CETA kann man jetzt weitgehend Entwarnung geben. CETA ist ja das Handelsabkommen mit Kanada. Das ist ja ausverhandelt, und da ist zum einen erst mal der Bereich Audiovision ausgenommen, auch der Bereich der Kultur ausgenommen und der Bereich der öffentlichen Bildung ausgenommen, also der öffentlich finanzierten Bildung.
Nicht ausgenommen ist der Bereich der privat finanzierten Bildung, das ist etwas, womit wir durchaus so zufrieden sein können. Das entspricht auch dem GATT-Abkommen, also dem Handelsabkommen, wo wir immer gesagt haben, da sollten die Standards auf keinen Fall unterschritten werden.
TTIP ist jetzt noch in den Verhandlungen, und bei TTIP kann man sich das Ganze auch schwerer vorstellen, weil auch zum Beispiel im Bereich der Kultur und vielleicht auch im Bereich der Hochschulen die USA da sehr viel deutlichere und klarere Interessen haben, beispielsweise das UNESCO-Abkommen zur kulturellen Vielfalt nicht unterschrieben haben. Diese Fragen, die auch vielleicht kontrovers sein werden, die werden erst in den nächsten Verhandlungsrunden besprochen. Insofern, bei TTIP kann man das jetzt noch nicht genau absehen.
"Man muss genau verhandeln, hart verhandeln"
Götzke: Was könnte denn da schlimmstenfalls aus Ihrer Sicht auf den deutschen Hochschulsektor zukommen?
Gorholt: Im Bereich der Hochschulen muss man sich das dann genau angucken. Die Frage ist dann auch von gemischt finanzierten Hochschulen, unter welchen Bedingungen dürfen auch privat finanzierte Hochschulen der USA sich hier in Deutschland niederlassen? Gelten dann auch die Standards? Das sind Fragen, die sich dann stellen.
Ich würde jetzt auch sagen, man muss jetzt nicht irgendwie mit großen Befürchtungen daran gehen, aber man muss genau verhandeln, hart verhandeln in diesen Punkten und dann auch genau hingucken, ob das dann auch für Deutschland zustimmungsfähig ist.
Götzke: Ein Ableger von Harvard in Deutschland wäre ja vielleicht gar nicht so übel?
Gorholt: Ja, da ist auch dann die Frage, gelten dann trotzdem auch für Harvard aus den USA die Standards, die wir in der Bundesrepublik Deutschland setzen für diese Hochschule? Wie ist das dann mit den Finanzierungsquellen? Haben die dann Ansprüche hinterher, wenn sie hier niedergelassen sind, auch auf bestimmte Schutzabkommen?
Insofern, was die Bedenken in Deutschland hochtreibt, ist ja diese zum Teil fehlende Transparenz insbesondere auf der Verhandlungsseite der USA.
Und deswegen muss man da schon auch sehr skeptisch sein und skeptisch rangehen mit einer gesunden Skepsis. Und wenn dann hinterher so dann alles in der Vereinbarung drin steht, dass man zufrieden sein kann, umso besser.
"Es müssen alle Hochschulen von den Ländern geprüft werden"
Götzke: Aber was würde das denn konkret bedeuten? Wir müssen das ja jetzt durchspielen. Sie haben gesagt, die Transparenz ist noch nicht da. Es wird noch verhandelt, da stehen noch Verhandlungsrunden aus. Aber nehmen wir jetzt mal den Fall, die Uni Harvard kommt nach Deutschland. Droht dann das Problem, dass deutsche öffentliche Gelder an Hochschulen fließen, private Hochschulen aus den USA, und dann weniger Geld für staatliche Hochschulen in Deutschland da wäre?
Gorholt: Ich glaube nicht, dass es da einen Zwang geben kann auf Subventionierung von der deutschen Seite. Die Frage ist dann eher, insofern ist jetzt Harvard auch nicht die Frage, ich weiß auch nicht, ob Harvard Interesse hat, sich hier anzusiedeln.
Die Frage ist eher von Hochschultypen, unterliegen die dann den deutschen Standards? Was ist mit kleineren Hochschulen, die sich hier ansiedeln wollen und die dann auf Dienstleistungsfreiheit pochen und dann aber nicht die Standards erfüllen, die wir halt anlegen.
Es müssen alle Hochschulen von den Ländern geprüft werden auf die Frage, wie ist das mit der Qualität der Lehre, wie ist das mit der dauerhaften Finanzierung, wie ist das mit der Ausstattung.
Insofern ist dann die Frage, sind diese Prüfungen auch in dieser Form dann durchsetzbar oder verstößt das dann schon gegen den Freihandel. Das sind so Dinge, die uns dann eher beschäftigen als die Frage Harvard.
"Bildung ist schwierig zu verhandeln"
Götzke: Ist denn überhaupt mittlerweile klar, ob Kultur und Bildung Teil der Verhandlungen sind? Es wurde ja lange darüber geredet, sie auszusparen.
Gorholt: Es ist ja so, dass wir früher, in den Abkommen vor Kanada, immer Positivlisten hatten. Das heißt, dann wurde in diesen Vereinbarungen, in diesen Handelsabkommen festgelegt, was wird überhaupt dem freien Handel ausgesetzt.
Jetzt ist es bei Kanada und USA so, dass jetzt Negativlisten entwickelt werden. Das heißt, es wird dann jetzt extra festgelegt, was ist ausgenommen. Und das ist viel schwieriger zu verhandeln, das ist auch im Bereich Bildung so vielfältig, wenn man den ganzen Bereich der beruflichen Bildung dazu nimmt, so vielfältig, dass man dann nicht mit einem Satz formulieren kann, das und das ist ausgenommen, sondern es betrifft ganz verschiedene Passagen auch des Abkommens, und es betrifft Kultur genauso.
Götzke: Vielleicht können Sie uns da mal einen Zeithorizont geben. Wann wird das denn klar sein, ob Bildung oder Teile der Bildung verhandelt werden oder nicht?
Gorholt: Sie werden auf jeden Fall verhandelt. Die Frage ist dann halt, mit welchen Ergebnissen. Und bei TTIP muss man sehen, die elfte Verhandlungsrunde steht jetzt an, und da ist ja die Frage, ist es überhaupt noch im Rahmen der Präsidentschaft von Obama, wird es noch zu einem Ergebnis kommen oder nicht. Davon hängt das ein bisschen ab. Ist man bis Mitte nächsten Jahres so weit, dass man sagt, wie haben ein Verhandlungsergebnis, oder nicht? Wie das bei TTIP sein wird, ist zurzeit vom Zeithorizont völlig offen.
Von daher ist wichtig, dass wir jetzt zum einen ein Abkommen haben, wo man sagen kann, daran kann man sich auch bei TTIP orientieren. Und wenn man das so schafft, mit den USA zu verhandeln, wie es auch bei CETA herausgekommen ist, dann sind wir eher auf der sicheren Seite, was Bildung und was Kultur angeht.
Götzke: Sehen Sie irgendwelche Vorteile, die sich durch das Handelsabkommen TTIP ergeben könnten für das deutsche Bildungssystem?
Gorholt: Nein, sehe ich nicht. Da geht es eher um den Schutz des deutschen Bildungssystems und der deutschen Hochschullandschaft als auch den Schutz der Kultur, die wir hier in Deutschland haben, auch die Vielfalt der Kultur, auch der subventionierten Kultur. Vorteile gibt es nicht, die Vorteile gibt es halt mehr in dem Bereich, wo es tatsächlich um den Handel von Gütern geht, Handel von Dienstleistungen jenseits dieses Bereiches, oder die Frage auch von Mobilität der Arbeitskräfte.
Götzke: Na, das ist mal deutlich. Besser wird durch TTIP nichts in der Bildung, sagt Martin Gorholt, Wissenschaftsstaatssekretär in Brandenburg. Danke schön!
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