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Chakuza: "Jetzt macht's wieder Sinn, gute Musik zu machen"

Früher habe er eine Rolle gespielt, da sei es vor allem darum gegangen, durch Skandale mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Das habe sich mit seinem neuen Album "Magnolia" geändert, sagt der Deutschrapper Chakuza, seine Musik sei nun ehrlicher und weit weniger pathetisch.

Das Gespräch führe Sasha Verlan |
    Sascha Verlan: Wenn ich mir Ihr Album anhöre, Sie entschuldigen sich ziemlich oft. Sehr untypisch für einen Rapper eigentlich.

    Chakuza: Das stimmt, leider. Das sollten viel mehr machen. Ja, ich sag mal so: mir tun viele Sätze, die ich gesagt habe, im Nachhinein leid, oder die waren Blödsinn, wenn ich jetzt so zurückblicke. Und dann sag ich: Okay, ich mach 's jetzt anders, ich mach 's besser, und wir fangen noch mal von neu an.

    Verlan: Jetzt ist Ihre Rapkarriere ja schon relativ fortgeschritten, wie kommt es dazu, jetzt einfach zu sagen, ich muss jetzt noch mal neu anfangen?

    Chakuza: Ich glaube, das kam auch mit dem Älterwerden, und ich hab mein Umfeld gewechselt und mich halt auch wirklich mal auf die wichtigen Dinge im Leben konzentriert. Und bei mir hat sich vieles verändert, so auch das Denken. Und ja, jetzt musste ich mich halt auch musikalisch verändern. Das war der einzige Weg für mich.

    Verlan: Wie sind Sie denn da, ich muss jetzt sagen, reingerutscht damals. Wenn das jetzt nicht mehr Ihnen entspricht, Sie haben das doch relativ lange durchgezogen.

    Chakuza: Mir war halt wirklich alles neu, und da ist sehr viel auf mich eingeprasselt, und man kriegt dann halt diesen Tunnelblick und merkt gar nicht, was so um einen rum passiert. Und ich hab das damals auch als eine Rolle gesehen, die wir halt so gespielt haben und mit einem gewissen Augenzwinkern. Und dass ich dann gemerkt hab, okay, die Leute nehmen aber alles für bare Münze, dann konnt ich damit nicht mehr leben. Außerdem bin ich jetzt auch 32 Jahre und könnte gar nicht mehr die Musik machen von früher.

    Verlan: Ist das tatsächlich diese Schwelle, 30 werden?

    Chakuza: Ich glaube schon, dass das mit dem Altern kommt. Und wenn man ein bisschen was im Kopf hat, glaub ich, dann verändert man sein Denken auch mit dem Alter, grade von 25 auf 32. Es gibt natürlich auch Menschen in meinem Alter, die sich nicht weiter entwickeln in dieser Musikszene.

    Verlan: Vieles hängt ja, ob jetzt Gangsta Rap oder auch die harte Rap-Schiene, auch davon ab, dass man den anderen jegliche Glaubwürdigkeit abspricht, dass man sagt: ich bin der harte Mann, ich bin der wirkliche Gangster, und was ihr macht, das ist alles Kindergarten. Gibt 's viele Zeilen bei Ihnen. Jetzt sagen Sie selber, das was ich damals gemacht hab, ist ja nur eine Art Spiel gewesen.

    Chakuza: Ja..

    Verlan: Was hat sich denn jetzt geändert? Nachdem Sie jetzt gesagt haben das war alles gespielt damals.

    Chakuza: Nicht alles, also ich hab ja auch persönliche Songs gemacht, die halt nicht gespielt waren, da war schon viel Echtes dabei, aber auch viel Pathos, das hab ich weg gelassen. Das war halt einfach meine Entwicklung. Und als ich dann gemerkt hab, dass es halt wirklich viele Leute gibt, die das nicht verstehen, dass wir hier eine Rolle spielen, war 's für mich halt schlimm, weil ich mir dachte, du tust den Menschen damit auch nichts Gutes, weil die wollen Dir das nachmachen und leben halt, was du das sagst.

    Verlan: Warum sollen wir Ihnen denn jetzt glauben, dass es jetzt ernst ist?

    Chakuza: Allein die Geschichten erzählen, die stehn ja schon für sich. Das ist einfach das Leben, das ein erwachsener Mann führt. Also die Geschichten, die man erlebt als erwachsener Mann, wenn jemand aus der Familie stirbt oder wenn 's einem persönlich nicht gut geht, wenn man manches versucht, im Alkohol zu ertränken oder einfach 'ne Lebenskrise hat, das findet sich halt auf dem Album wieder. Und ich glaub, das ist auch glaubwürdig dargestellt.

    Verlan: Erst mal müssen wir 's Ihnen jetzt einfach glauben?

    Chakuza: Ja, weil ich es sage. Aber das ist ja der Unterschied zwischen dem Jetzigen und früher. Ich hab ja früher nie behauptet, dass ich das lebe, was ich da sage. Das ist ja der Unterschied. Viele tun das ja und lügen dann halt dabei, aber ich lüge ja nicht. Das müssen Sie mir jetzt auch wieder glauben.

    Verlan: Es ist ja nicht Ihr Leben, das Sie erzählen in den Songs.

    Chakuza: Doch, das ist alles passiert, ist definitiv so.

    Verlan: Es sind aber Ausschnitte aus Ihrem Leben.

    Chakuza: Natürlich, ich kann nicht bei fünf Jahren anfangen, also das würde ja keinen interessieren, glaub ich, was ich mit fünf gemacht hab. Aber alles, was in den letzten Jahren so passiert ist.

    Verlan: Weil es ist schon ein sehr deprimiertes Album.

    Chakuza: Ja, also ich seh es so, dass trotzdem immer so 'n kleiner Funken Hoffnung darin steckt. Und es ist für mich eher melancholisch als depressiv.

    Verlan: Meine Frage ist: Es ist ein Ausschnitt, aber ist nicht auch da jetzt wieder die Gefahr, von Pathos und von Klischee, dass Sie jetzt quasi wechseln vom wütenden jungen Mann zum verletzten älteren Mann?

    Chakuza: Glaub ich nicht. Ich hab ja im Vorhinein gesagt, dass ich mich definitiv verändern werde, bevor ich überhaupt angefangen habe, jetzt quasi in Anführungszeichen, die neue Musik zu machen. Und ich hab ja auch gesagt, ich weiß nicht, wo die Reise hingeht, ich muss mich jetzt erst mal auf mich selber konzentrieren, auf mich selber hören, und dann einfach anfangen damit. Und das kam halt dabei raus, das sind die Dinge, die in meinem Kopf waren, die ich erlebt habe. Und von daher ist da für mich kein Pathos zu finden.

    Verlan: Was ist Pathos für Sie?

    Chakuza: Dieses Übertriebene, dieses Ausschmücken von Dingen und eben auch immer 'n bisschen was dazu erfinden. Viele Sachen beschönigen oder noch größer machen, als sie eigentlich sind. Was man auch auf Probleme beziehen kann.

    Verlan: Sie sagen, der Funke der Hoffnung ist immer da, ja auf jeden Fall, aber die Auswahl dessen, was Sie erzählen, ist doch eher die traurige Seite des Lebens. Sind Sie so?

    Chakuza: Ich hab das Album ja zu einem Zeitpunkt geschrieben, wo es mir echt noch so ging, jetzt ist natürlich vieles besser geworden, dass sich auch meine komplette Situation verbessert hat, dass ich jetzt halt wieder eine Plattenfirma hab, die hinter mir steht, ein neues Management, ein Verlag, also das heißt, hinten, zum Schluss von der Platte merkt man ja auch, dass sich da was ändert, der letzte Song heißt ja auch 'Alles gut', weil zu diesem Zeitpunkt hat sich wirklich alles komplett gut angefühlt. Aber die Nummern, die traurig sind oder jetzt sehr melancholisch, die sind auch Momentaufnahmen.

    Verlan: Wenn wir das jetzt einfach mal, Ihr Album in den Zusammenhang der Rapgeschichte in Deutschland, dann sind Sie jetzt wieder da, wo es eigentlich so Ende der 90er-Jahre aufgehört hat: persönliche Texte, keine Klischees, keinen Vorgaben von außen gehorchend, sondern einfach ehrlich zu rappen.

    Chakuza: Ja, das kann man so stehen lassen.

    Verlan: Haben Sie da selber Anknüpfungspunkte, irgendwelche Menschen auch oder Texte oder Songs, die Sie inspirierten, jetzt?

    Chakuza: Nein, eigentlich nicht. Deswegen hat mein Prozess ja auch so lange gedauert, bis ich es wieder geschafft habe, so einfach ehrliche Sachen zu schreiben, weil ich mich echt zuhause einsperren musste, und für mich alleine sein und über mich nachdenken. So Einflüsse hatte ich da keine, bis auf die Jungs, die mit mir halt das Album produziert haben, weil die meinten, so, komm jetzt, stell dich hin, pack mal aus, dir ist viel passiert, du hast viel gesehen und viel erlebt, schreibe das einfach mal nieder, also geradehin und unverblümt. Und das war mir ja lange nicht möglich. Wie gesagt, man hat ja früher, also ich habe früher immer viel dazu erfunden, wie man es halt so gemacht hat, das war ja üblich. Und das musste ich erst mal da wieder rauskriegen, also diese ganzen Lückenfüller oder Sachen, die einfach nicht stimmen.

    Verlan: Grade Ihr Labelchef von damals, für Bushido sind ja so Leute wie Torch und das, was man unter Old School-Rap sieht, das waren ja die Gegner, das waren ja die Feinde. Und jetzt, ja nicht nur Sie, sondern auch wenn man Sido-Songs oder selbst Bushido-Sachen sich anhört, ist jetzt doch wieder dieses In-sich-Gehen, mal überlegen … positiv ist vielleicht das falsche Wort, aber ehrliche und damit fruchtbare Geschichten zu erzählen, das kommt jetzt wieder, also wie 'Blauer Samt', Torch 2001.

    Chakuza: Also für mich war immer so Curse, der für mich am ehrlichsten war, und was ich auch so feiern konnte von der Musik her. Für die Medien war halt eben dieses Bushido-Zeug relevant oder interessant, weil 's einfach die Skandale gab, die jeder abdrucken kann, für die Bravo war 's ja auch super, man hatte immer irgendeinen Aufhänger, genauso wie für die RTL II-News oder so. Also wir haben abgeliefert, und die haben sich natürlich gefreut. Und ja keine Ahnung, wie 's jetzt ist, ich glaub, jetzt haben die anderen aber auch eine Plattform, jetzt kann man auch mit guter Musik in den Medien wieder wahrgenommen werden oder wird wahrgenommen. Jetzt macht 's wieder Sinn, gute Musik zu machen und schöne Musik.