Monika Seynsche: Die erste Überraschung ist vorbei, Dirk Lorenzen, aber haben die Raumfahrer ihren Schock schon überwunden?
Dirk Lorenzen: Frau Seynsche, die Schockstarre zumindest ist überwunden. Und jetzt reiben sich alle ein bisschen die Augen. Es herrscht eigentlich großes Durcheinander, es gibt auch richtig politisches Gerangel hinter den Kulissen, zum Teil auch davor. Es geht einfach darum: Welche Rolle soll die Nasa künftig spielen? Was kommt ihr da zu, in dieser Gemengelage aus irgendwie großer nationaler Raumfahrtpolitik und den Firmen? Es geht ja nicht, dass man einfach der Industrie sagt: Nun baut mal schön! Es bedarf ja trotzdem einer Strategie, es muss klar sein, welches Geld da ist, woher es kommt und die Nasa muss auch sagen, was sie an Kapseln und an Raketen braucht. Da ist noch alles sehr viel im Fluss. Und man schätzt, dass die Nasa sicherlich mindestens ein halbes Jahr brauchen wird, bis sie sich selber ein bisschen darüber im Klaren ist, wie sie jetzt weiter vorgehen soll.
Seynsche: Ein halbes Jahr ist eine ganz schön lange Zeitspanne. Hat die Nasa noch so viel Zeit?
Lorenzen: Nein, die hat sie eigentlich nicht. Sie müsste sofort loslegen und auch Nasa-Chef Charles Bolden hat gesagt, er versteht die Enttäuschung bei den Mitarbeitern am Kennedy-Spacecenter, am Shuttle-Programm, in diesem früheren Mondprogramm, was jetzt eingestellt werden soll. Aber er sagt, man kann sich die Hängepartie nicht leisten, man muss wirklich nach vorne gucken. Und man hofft, dass so frühestens 2014 dann wirklich ein von der Industrie entwickeltes Raumschiff zur Verfügung steht, das Material nach oben bringt. Wann das dann aber so sicher sein könnte und wer auch entscheidet, dass es jetzt sicher genug ist, dass Menschen mitfliegen können nach oben, das ist völlig offen. Und im Moment ist eher einfach nur bei der Nasa dieser Druck. Man muss das Nachfolgeprogramm für den Shuttle abbauen. Aber es ist bisher völlig unklar, ob mit den schon bisher getätigten Entwicklungen und mit diesen ersten neun Milliarden Dollar, die man dafür ausgeben hat, ob da irgendwie die Industrie nochmal drauf zurückgreift oder ob die Industrie dann etwas ganz neues beginnen wird.
Seynsche: Was bedeutet denn diese Nasa-Entscheidung für die deutschen und auch die europäischen Pläne, mal zum Mond zu fliegen. Sind die jetzt komplett hinfällig?
Lorenzen: Da gab es so konkrete Pläne ohnehin nicht. Man hatte ja mal so ein bisschen gedacht: Na gut, wenn die Amerikaner ihre internationale große Mondstation bauen, dann könnte sich Deutschland beteiligen oder Europa mit Materialtransport nach da oben. Dafür ist jetzt schlicht die Geschäftsgrundlage entfallen. Aber ohnehin hat man mit diesem Teil des Bush-Programms, also das man wirklich eine Mondrakete bauen würde, nicht wirklich gerechnet. Ich kenne auch in der Industrie viele, die gesagt haben, das hat man immer schon dem Programm angesehen, den bisherigen Nasa-Haushalten, dass dafür eigentlich kein Geld da war. Das heißt, in dem Punkt passiert hier nicht sehr viel. Die Mondforscher haben, glaube ich, ein bisschen Angst, dass es eine veränderte Wahrnehmung geben wird, dass man sagt: Na, wenn die USA jetzt nicht zum Mond wollen, warum soll dann Deutschland oder Europa hin? Dabei könnten kleine robotische Sonden, die irgendwo auf dem Mond landen und dort Forschung vornehmen, die könnte Europa auch ganz alleine machen, denn solch vergleichsweise günstigen kleineren Projekte, die kann man ganz ohne Zusammenarbeit mit der NAasa auch auf den Weg bringen.
Seynsche: Wie ist denn die Stimmung? Sind die Europäer jetzt so abgeschreckt, dass sie sagen: Generell wollen wir mit der Nasa lieber nichts mehr zu tun haben?
Lorenzen: Ich glaube man sieht es eher als Chance. Man hat ja mit der Nasa auch manche sehr unangenehme Erfahrungen schon vorher gemacht. Ich glaube man guckt jetzt ein bisschen, wartet einmal ab, wie sich das entwickelt. Man hat die Chance, dass man von dem politischen und auch zeitlichen Druck der Amerikaner profitiert und auch dann ein bisschen vom eigenen Können. Der NASA-Chef Charles Bolden hat gesagt, die NASA hat Mängel bei Robotik, beim automatischen Andocken – alles etwas, was Europa kann. Also vielleicht kann Europa sich hier wirklich gut auf Augenhöhe in so einen Neustart miteinbringen.
Seynsche: Sind denn die USA überhaupt interessiert daran, an so einer Kooperation?
Lorenzen: Das ist die große Frage. Das werden die nächsten Monate zeigen. Sie werden irgendwann interessiert sein müssen. Denn sie kriegen, wenn der Shuttle nicht mehr fliegt, ihre Astronauten nicht mehr nach oben. Man hat da bisher dann ja schon sechs Plätze bei den Russen gekauft, in den Sojus-Kapseln. Die Russen haben aber schon gesagt, wenn die sechs verbraucht sind, dann wird das natürlich viel teurer, dann lässt da also das Monopol schön grüßen. Insofern hoffen vielleicht auch manche: Na, vielleicht könnten die Amerikaner auf die Idee kommen und sagen, Europas Ariane-5-Rakete, die auch fast schon Menschen tragen könnte, vielleicht könnte man die weiter ausbauen. Also man hofft da auf ein bisschen vielleicht auch unkonventionelle überraschende neue Ansätze.
Seynsche: Was ist denn Ihre Einschätzung, Herr Lorenzen? Ist der Nasa-Kurs jetzt der große Wurf?
Lorenzen: Er kann es vielleicht werden. Also Buzz Aldrin, der eine Mondastronaut, sagte, es sei jetzt so dieser Kennedy-Moment von Obama gewesen, ich bin da noch etwas skeptisch. Andere sagen, vielleicht geht alles schief und die Chinesen winken irgendwann von oben und die Amerikaner staunen unten. Man muss schon klar sagen, die Ziele, irgendwelche Visionen, wo es hingehen soll, die braucht sicherlich die Nasa, darüber muss sie sich klar werden. Und wenn sie dann noch international die Leute einlädt mitzumachen, dann ist der 1. Februar 2010 vielleicht wirklich der Beginn einer großen neuen Raumfahrtära.
Seynsche: Vielen Dank. Das war mein Kollege Dirk Lorenzen.
Dirk Lorenzen: Frau Seynsche, die Schockstarre zumindest ist überwunden. Und jetzt reiben sich alle ein bisschen die Augen. Es herrscht eigentlich großes Durcheinander, es gibt auch richtig politisches Gerangel hinter den Kulissen, zum Teil auch davor. Es geht einfach darum: Welche Rolle soll die Nasa künftig spielen? Was kommt ihr da zu, in dieser Gemengelage aus irgendwie großer nationaler Raumfahrtpolitik und den Firmen? Es geht ja nicht, dass man einfach der Industrie sagt: Nun baut mal schön! Es bedarf ja trotzdem einer Strategie, es muss klar sein, welches Geld da ist, woher es kommt und die Nasa muss auch sagen, was sie an Kapseln und an Raketen braucht. Da ist noch alles sehr viel im Fluss. Und man schätzt, dass die Nasa sicherlich mindestens ein halbes Jahr brauchen wird, bis sie sich selber ein bisschen darüber im Klaren ist, wie sie jetzt weiter vorgehen soll.
Seynsche: Ein halbes Jahr ist eine ganz schön lange Zeitspanne. Hat die Nasa noch so viel Zeit?
Lorenzen: Nein, die hat sie eigentlich nicht. Sie müsste sofort loslegen und auch Nasa-Chef Charles Bolden hat gesagt, er versteht die Enttäuschung bei den Mitarbeitern am Kennedy-Spacecenter, am Shuttle-Programm, in diesem früheren Mondprogramm, was jetzt eingestellt werden soll. Aber er sagt, man kann sich die Hängepartie nicht leisten, man muss wirklich nach vorne gucken. Und man hofft, dass so frühestens 2014 dann wirklich ein von der Industrie entwickeltes Raumschiff zur Verfügung steht, das Material nach oben bringt. Wann das dann aber so sicher sein könnte und wer auch entscheidet, dass es jetzt sicher genug ist, dass Menschen mitfliegen können nach oben, das ist völlig offen. Und im Moment ist eher einfach nur bei der Nasa dieser Druck. Man muss das Nachfolgeprogramm für den Shuttle abbauen. Aber es ist bisher völlig unklar, ob mit den schon bisher getätigten Entwicklungen und mit diesen ersten neun Milliarden Dollar, die man dafür ausgeben hat, ob da irgendwie die Industrie nochmal drauf zurückgreift oder ob die Industrie dann etwas ganz neues beginnen wird.
Seynsche: Was bedeutet denn diese Nasa-Entscheidung für die deutschen und auch die europäischen Pläne, mal zum Mond zu fliegen. Sind die jetzt komplett hinfällig?
Lorenzen: Da gab es so konkrete Pläne ohnehin nicht. Man hatte ja mal so ein bisschen gedacht: Na gut, wenn die Amerikaner ihre internationale große Mondstation bauen, dann könnte sich Deutschland beteiligen oder Europa mit Materialtransport nach da oben. Dafür ist jetzt schlicht die Geschäftsgrundlage entfallen. Aber ohnehin hat man mit diesem Teil des Bush-Programms, also das man wirklich eine Mondrakete bauen würde, nicht wirklich gerechnet. Ich kenne auch in der Industrie viele, die gesagt haben, das hat man immer schon dem Programm angesehen, den bisherigen Nasa-Haushalten, dass dafür eigentlich kein Geld da war. Das heißt, in dem Punkt passiert hier nicht sehr viel. Die Mondforscher haben, glaube ich, ein bisschen Angst, dass es eine veränderte Wahrnehmung geben wird, dass man sagt: Na, wenn die USA jetzt nicht zum Mond wollen, warum soll dann Deutschland oder Europa hin? Dabei könnten kleine robotische Sonden, die irgendwo auf dem Mond landen und dort Forschung vornehmen, die könnte Europa auch ganz alleine machen, denn solch vergleichsweise günstigen kleineren Projekte, die kann man ganz ohne Zusammenarbeit mit der NAasa auch auf den Weg bringen.
Seynsche: Wie ist denn die Stimmung? Sind die Europäer jetzt so abgeschreckt, dass sie sagen: Generell wollen wir mit der Nasa lieber nichts mehr zu tun haben?
Lorenzen: Ich glaube man sieht es eher als Chance. Man hat ja mit der Nasa auch manche sehr unangenehme Erfahrungen schon vorher gemacht. Ich glaube man guckt jetzt ein bisschen, wartet einmal ab, wie sich das entwickelt. Man hat die Chance, dass man von dem politischen und auch zeitlichen Druck der Amerikaner profitiert und auch dann ein bisschen vom eigenen Können. Der NASA-Chef Charles Bolden hat gesagt, die NASA hat Mängel bei Robotik, beim automatischen Andocken – alles etwas, was Europa kann. Also vielleicht kann Europa sich hier wirklich gut auf Augenhöhe in so einen Neustart miteinbringen.
Seynsche: Sind denn die USA überhaupt interessiert daran, an so einer Kooperation?
Lorenzen: Das ist die große Frage. Das werden die nächsten Monate zeigen. Sie werden irgendwann interessiert sein müssen. Denn sie kriegen, wenn der Shuttle nicht mehr fliegt, ihre Astronauten nicht mehr nach oben. Man hat da bisher dann ja schon sechs Plätze bei den Russen gekauft, in den Sojus-Kapseln. Die Russen haben aber schon gesagt, wenn die sechs verbraucht sind, dann wird das natürlich viel teurer, dann lässt da also das Monopol schön grüßen. Insofern hoffen vielleicht auch manche: Na, vielleicht könnten die Amerikaner auf die Idee kommen und sagen, Europas Ariane-5-Rakete, die auch fast schon Menschen tragen könnte, vielleicht könnte man die weiter ausbauen. Also man hofft da auf ein bisschen vielleicht auch unkonventionelle überraschende neue Ansätze.
Seynsche: Was ist denn Ihre Einschätzung, Herr Lorenzen? Ist der Nasa-Kurs jetzt der große Wurf?
Lorenzen: Er kann es vielleicht werden. Also Buzz Aldrin, der eine Mondastronaut, sagte, es sei jetzt so dieser Kennedy-Moment von Obama gewesen, ich bin da noch etwas skeptisch. Andere sagen, vielleicht geht alles schief und die Chinesen winken irgendwann von oben und die Amerikaner staunen unten. Man muss schon klar sagen, die Ziele, irgendwelche Visionen, wo es hingehen soll, die braucht sicherlich die Nasa, darüber muss sie sich klar werden. Und wenn sie dann noch international die Leute einlädt mitzumachen, dann ist der 1. Februar 2010 vielleicht wirklich der Beginn einer großen neuen Raumfahrtära.
Seynsche: Vielen Dank. Das war mein Kollege Dirk Lorenzen.