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Chanukka in Thüringen

Mit dem achttägigen Lichterfest Chanukka feiert die jüdische Welt alljährlich die Wiedereinweihung des Tempels von Jerusalem vor über 2100 Jahren. Zwar ist die Chanukka vor allem ein privates Fest mit Familien und Freunden. In Erfurt gibt es zum Auftakt am 11. Dezember aber auch eine Feier vor dem Rathaus.

Von Katrin Kühne |
    "Und nun geschah das große Wunder. Diese Ration Öl langte acht Tage statt für einen Tag und daraufhin beschloss dann der Aufstandsführer Juda Makkabi, von nun an bis in alle Zeiten soll dieser Tag gefeiert werden."

    Symbol für das Lichterfest "Chanukka" ist denn auch nicht ein siebenarmiger, sondern der achtarmige Leuchter.

    Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde von Thüringen, Wolfgang Nossen,schildert das dramatische Geschehen um die Wiedereinweihung des geschändeten Tempels in Jerusalem vor über 2100 Jahren mit sachlichen Worten, ganz wie es sich für einen vormaligen Textilmaschinen-Techniker gehört. Schlicht, fast nüchtern wirkt auch die Neue Synagoge in Erfurt, in der mich der Endsiebziger herumführt. Es ist der einzige Synagogenneubau auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, 1952 geweiht. Solange ist aber Wolfgang Nossen nicht dabei. Erst vor 20 Jahren kam er wieder nach Erfurt. Er wollte seine Elisabeth wiederfinden, die er 1947 auf der Volkshochschule kennen und lieben gelernt hatte.

    "48 bin ich nach Israel und sie sollte ja nachkommen, das hat nicht funktioniert durch einen, na ja, Missgriff einer meiner Schwestern Es war aber, als wir uns wieder trafen eigentlich, nach wenigen Stunden waren die 40 Jahre wie weggewischt."

    Die Schwester hatte einfach seinen Brief nicht an die Freundin weitergeleitet. Doch nun die beiden sind bereits seit 20 Jahren zusammen. Zu Chanukka kocht die übrigens nicht-jüdische Elisabeth als echte Thüringerin ihrem Wolfgang Gänsebraten mit Rotkraut und Klößen. Dazu gibt's Rotwein aus Israel.

    Die Gemeinde wie auch ihr Vorsitzender Nossen sind sehr liberal, zumal nach der Wende vorwiegend Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion kamen, die auch gerne "Väterchen Frost" feiern.

    Die Stadt Erfurt besinnt sich heute auf ihr fast 1000-jähriges jüdisches Erbe und hat letztes Jahr einen großen Chanukka-Leuchter spendiert, der abends am 11. Dezember nun zum zweiten Mal vor dem Rathaus mit einer kleinen Feier entzündet wird. Das Misrach-Quartett ist mit Chanukka-Musik dabei. Leiter Lutz Balzer lebt mit Frau und Kindern in Erfurt.

    "Ich lebe in keiner jüdischen Familie, es ist eine gemischte Familie. Meine Frau ist katholisch aufgewachsen und unsere Tochter, die findet beides ganz gut, und wir feiern Chanukka mit der jüdischen Gemeinde zusammen und zuhause mit den Kindern auch Weihnachten. Geht gar nicht anders."

    Nicht immer war das Verhältnis der Erfurter zu ihren jüdischen Nachbarn so ungetrübt und unkompliziert. Die Neue Synagoge ist errichtet auf der Stelle, wo in der Reichskristallnacht das Gotteshaus der im 19. Jahrhundert neu gegründeten reichen dritten jüdischen Gemeinde in Flammen aufging. Die zweite Gemeinde des späteren 14. Jahrhunderts zerstob Mitte des folgenden Säkulum in alle Windesrichtungen, nachdem Wanderprediger mit ihren Hasstiraden jüdisches Leben in Erfurt unmöglich gemacht hatten. Steigt man noch weiter die Zeitschichten hinab ins elfte Jahrhundert ist man bei der ersten jüdischen Gemeinde in Erfurt angelangt.

    Gleich hinter dem Rathaus, in der heutigen Waagegasse, ist vor kurzem die Alte Synagoge nach 20-jähriger Restaurierung als Museum wieder eröffnet worden.

    "Diese Westfassade, vor der wir jetzt stehen, ist um 1270 erbaut worden. Ist aber die dritte nachgewiesene Bauphase. Sie sehen hier ganz schön, typisch für Synagogen der damaligen Zeit, das Maßwerkfenster und die Lanzettfenster. Für Erfurt sind fünf Fenster hier damals gebaut worden, es ist ne relativ reiche Fensterfront gewesen. Und wenn man etwas hinuntergeht, dann sieht man auch, daß die Grundmauern romanisch noch sind."

    Über ein halbes Jahrtausend lang war die Synagoge nicht mehr als solche erkennbar gewesen, erklärt Eike Küstner vom Museum weiter. Das weiß gestrichene Gebäude war vollkommen umbaut und wurde als Lagerhaus und später auch als Tanzsaal genutzt.

    1349 fiel die gesamte erste jüdische Gemeinde einem Pest-Pogrom zum Opfer. Die fast 1000 Mitglieder galten als Schuldige für die vor den Toren Erfurts lauernde Pest. Unter den Toten war auch der Bankier Kalman von Wiehe. Vermutlich sein Goldschatz war es, der bei Ausgrabungsarbeiten 1998 gefunden wurde - über 3.000 Münzen aus Silber und kostbarste Goldschmiedearbeiten, versteckt auf dem Gelände des ehemaligen Wohnhauses von Kalman. Darunter ein Jüdischer Hochzeitsring vom Anfang des 14. Jahrhunderts. 23 Gramm pures Gold. Er ist einer der drei noch weltweit existierenden Jüdischen Ringe dieser Art.

    "Und zwar wurde dieser Ring nur für den Akt der Trauung getragen. der Reif endet in zwei sich ineinander greifenden Händen. Auf diesem Reif ist ein Miniaturgebäude mit gotischen Bögen und im Inneren dieses Gebäudes ist eine kleine Goldkugel noch, also wenn man den Ring bewegt, klingelt er ein bisschen."

    Seit über 50 Jahren nun feiert die vierte jüdische Gemeinde der Stadt das traditionelle Lichterfest "Chanukka" wieder in Erfurt. Höhepunkt und Abschluss der acht Tage währenden Feiern ist der Chanukka-Ball.

    "Chanukka ist auf jeden Fall ein fröhliches Fest, dann wird also eifrig getanzt und es ist auch sehr schönes Fest für die Kinder. Weil es Chanukka-Geld gibt und kleine Geschenke und natürlich die Lichter sind für Kinder immer beeindruckend. Es wird ja jeden Tag ein Licht mehr angebrannt mit dieser Dienerkerze und bis dann am achten Tag Chanukka der ganze Leuchter brennt."

    Musiktipp:
    Adventslied "Tochter Zion": Unter dem Titel "See the conqu'ring heroe comes" verwendete es Händel in seinem Oratorium"Joshua", dann im"Judas Maccabaeus". Erst im 19. Jahrhundert wurde daraus mit neuem Text "Tochter Zion, freue dich"!

    Infos:

    www.juedisches-leben.erfurt.de
    www.thueringen-tourismus.de
    www.erfurt-tourismus.de