Friedbert Meurer: WikiLeaks ist eine Plattform im Internet, auf die wer auch immer will geheimes oder brisantes Material einstellen konnte, ohne dass man die Spur zu ihm zurückverfolgen kann. Informanten, sogenannte Whistleblower, können hier anonym über Machenschaften in ihrem eigenen Betrieb die Öffentlichkeit informieren. Zuletzt waren beispielsweise spektakulär die Korrespondenzen der US-amerikanischen Botschaften eingestellt worden, konnte man also alle Briefe nachlesen, wer über wen was gesagt hat, und das hatte der US-Diplomatie bewegte Wochen eingebracht. Eines der bekanntesten Gesichter von WikiLeaks neben Julian Assange ist Daniel Domscheit-Berg aus Deutschland. Er hat sich mit Assange zerstritten und will eine eigene Plattform gründen: OpenLeaks. Jetzt wurde Daniel Domscheit-Berg vom Hacker-Verein Chaos Computer Club ausgeschlossen. Er soll den Club für seine Zwecke missbraucht haben. Dahinter steht, dass Domscheit-Berg Mitglieder des Clubs aufgerufen hatte, zu testen und zu hacken, ob es ihnen gelingt, OpenLeaks zu attackieren oder nicht. Mit OpenLeaks, der neuen Enthüllungsplattform, kooperiert auch die Tageszeitung "taz" in Berlin, und da bin ich verbunden mit dem stellvertretenden Chefredakteur der "taz" Reiner Metzger. Guten Tag, Herr Metzger!
Reiner Metzger: Schönen guten Tag!
Meurer: Sie waren in Brandenburg bei dem Camp dabei, wo fleißig gehackt wurde. Was ist da geschehen, was war Ihr Eindruck?
Metzger: Na, das ist dort eine übliche Methode, dass Leute Projekte vorstellen und dann andere einladen, dass sie doch mal gucken sollen, wie gut die Projekte sind, wie man sie weiterentwickeln kann. Und das ist da auch passiert, da war aber nicht nur ein Projekt, da waren viele Projekte.
Meurer: Wie haben die Mitglieder des Chaos Computer Clubs an der Basis, sage ich mal, reagiert auf die Tests?
Metzger: Also, die Veranstaltung, wo das vorgestellt wurde, die war sehr voll. Und ich glaube, das war auch ein bisschen so das Problem, dass OpenLeaks sich als das vor allem für die Medien interessanteste Projekt herausgestellt hat. Und da haben dann die Veranstalter doch ein bisschen sich zu sehr vereinnahmt gefühlt vielleicht von diesem ganzen Projekt. Weil es war natürlich auch von OpenLeaks-Seite her nie die Rede davon, dass man jetzt irgend so eine offene oder ein offizielles CCC-Siegel bekommt, das gibt's ja bei Hackern gar nicht, sondern das sind ja Freiwilligkeiten. Die Leute haben Lust, daran rumzuschrauben, und tun das auch.
Meurer: War Ihnen klar während der Veranstaltung, das gibt noch Ärger?
Metzger: Nein, bei der Veranstaltung, bei der Vorstellung waren 200 Leute da und da gab es die ein oder andere kritische Nachfrage oder Lob oder so weiter, aber dass das jetzt als ein Angriff verstanden wurde auf die Camp-Struktur oder was, gab es da nicht. Das wird auch, das muss ja noch von der Mitgliederversammlung des Chaos Computer Clubs bestätigt werden, der Rauswurf, und da wird es garantiert noch allerhand Diskussion geben, so weit ich das überblicke.
Meurer: Was sagen Sie denn zum Rausschmiss von Daniel Domscheit-Berg?
Metzger: Ja, also, ich bin nicht Mitglied vom Chaos Computer Club, ich will mich jetzt nicht in die Vereinssatzung einarbeiten. Ich habe mich da ein bisschen gewundert, weil das kann man ja auch mal im Vorfeld eher klären, bevor man gleich mit so einem Rauswurf da irgendwie ... Aber das müssen die klären. Für mich ist wichtig: Funktioniert die Technik oder nicht? Und das ist für mich viel wichtiger, als ob ich da jetzt irgendwie in einen Konflikt geraten will innerhalb eines renommierten, aber immerhin eines für mich externen Vereins.
Meurer: Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg zerstreiten sich, jetzt die Geschichte mit dem Chaos Computer Club – das sieht alles nach, ich sag mal, Missgunst aus und lässt die Hacker als ziemlich zerstrittenen Haufen dastehen. Schadet das der OpenLeaks- und WikiLeaks-Bewegung?
Metzger: Also, gut ist es auf keinen Fall. Weil Sie haben irgendwie ... Es bleibt immer was hängen: Was streiten Sie sich denn da rum? Und für uns als Medienpartner ist das natürlich nicht gerade optimal, aber wir müssen da jetzt eh schauen: Man hatte da Diskussionen auf dem Camp, der Test läuft auch noch, also Sie können jetzt, wenn Sie ein Hacker wären, können Sie auch noch gucken, ob Sie da nicht noch mal ein Löchlein irgendwo reinkriegen würden, und dann werden wir uns jetzt spätestens morgen, übermorgen mal zusammensetzen und gucken, was ist denn jetzt Stand der Dinge, wo muss man noch flicken? Weil für mich ist es wesentlich ... OpenLeaks scheint mir jetzt schon, soweit wir das beurteilen können, sicherer zu sein als WikiLeaks. WikiLeaks hat jahrelang gearbeitet, ohne dass ein Informant durch die Technik rausgekommen ist. Einer kam raus, weil er geplaudert hat. Und ich brauche also eine Technik. Das ist für mich zumindest der Punkt.
Meurer: Wie sieht eigentlich die Kooperation Ihrer "taz" aus mit OpenLeaks?
Metzger: Wir haben eine ziemlich große EDV-Abteilung, die auch ein gewisses Know-how hat, und diese Leute gucken sich an, wie ist denn die Architektur von diesem Ding? Und das hat bisher einen vertrauenerweckenden Eindruck gemacht. Nun ist man aber nie sicher, aber das muss man natürlich noch länger testen. Aber das sieht bisher einfach gut aus und wir haben ja verschiedene andere Methoden der Anonymisierung von Texten und Vorschläge auch uns angeguckt und na ja, das war alles teilweise dann immer nicht ganz so ausgegoren.
Meurer: Herr Metzger, haben Sie auch eine große Rechtsabteilung bei der "taz", um sich schon mal gegen Angriffe wappnen zu können?
Metzger: Ja, natürlich. Ja, das ist ja im Prinzip nur ein Weg, um Informationen zu uns zu bringen. Das gibt es ja jetzt auch schon, per Brief, per Telefon, per Treffen. Und das ist ein neuer Weg. Und da haben Sie natürlich auch dann hinterher rechtliche Schwierigkeiten, wenn Sie irgendwas enthüllen. Das haben wir jetzt mit den konventionellen Sachen auch. Es geht nur um den Informantenschutz. Mit der neuen Technik, da haben Sie viel mehr Spuren. Wenn Sie irgendetwas irgendjemandem schicken, wenn Sie eine CD brennen, dann haben Sie darauf Spuren, wo die CD herkommt. Und wenn wir als Journalisten die nicht sofort vernichten und irgendwie clever kopieren, wenn die Polizei kommt und bei uns das beschlagnahmt, weil es vielleicht eine geheime Akte ist, dann wird die herausfinden, wer mir die CD geschickt hat.
Meurer: Es gibt doch Informantenschutz. Ist der so durchlässig geworden, dass Sie sich nicht mehr darauf verlassen wollen?
Metzger: Na ja, der Informantenschutz ist das eine, aber trotzdem gibt es ja richterliche Beschlüsse, wo man dann ein Bekennerschreiben sich auch abholen kann als Polizei, oder eben auch irgendwelche Dateien, die als vertraulich oder geheim eingestuft sind. Das ist ja immer eine Abwägungssache. Und da müssen Sie jetzt auch schon auf der Hut sein. Wir hatten hier auch schon Hausdurchsuchungen, also das ist jetzt nicht so neu alles.
Meurer: Wie wollen Sie vermeiden, dass auf dieser Plattform nicht überwiegend oder doch in einem beträchtlichen Teil frustrierte Leute Betriebsgeheimnisse ausplaudern, um ihrem Arbeitgeber eins auszuwischen?
Metzger: Da kommt das Gleiche in Gang, was Sie jetzt auch haben, so was kriegen wir jetzt auch schon. Und da muss man sich erst mal angucken, selbst wenn es stimmen würde, ist das veröffentlichungswürdig? Wenn ja, müssen Sie prüfen, hey, stimmt's überhaupt? Dann müssen Sie in die Recherche gehen. Das müssen Sie jetzt auch. Also, von daher, das kann passieren, aber die Erfahrungen bei WikiLeaks zeigen einem ja zumindest, dass da doch auch ziemlich viel Weizen in der Spreu drin war. Das war nicht nur Quatsch. Und die Leute nehmen das an, vor allem weil sie mit der neuen Technik, viele Leute, einfach umzugehen gewohnt sind. Die rufen nicht mehr mit dem Telefon an. Die wollen was hochladen und dann nichts mehr damit zu tun haben. Und so ist der Gedanke dahinter. Man hat einen neuen Weg, um Information herzustellen.
Meurer: Wirbel um eine neue Enthüllungsplattform, um OpenLeaks. Das war Reiner Metzger, stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung "taz", die mit OpenLeaks kooperiert. Danke und auf Wiederhören, Herr Metzger!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Weitere Beiträge zum Thema:
Webschau bei DRadio Wissen vom 15. August 2011
Interview mit Wissenschaftsjournalist Wolgang Noelke zum Thema
Reiner Metzger: Schönen guten Tag!
Meurer: Sie waren in Brandenburg bei dem Camp dabei, wo fleißig gehackt wurde. Was ist da geschehen, was war Ihr Eindruck?
Metzger: Na, das ist dort eine übliche Methode, dass Leute Projekte vorstellen und dann andere einladen, dass sie doch mal gucken sollen, wie gut die Projekte sind, wie man sie weiterentwickeln kann. Und das ist da auch passiert, da war aber nicht nur ein Projekt, da waren viele Projekte.
Meurer: Wie haben die Mitglieder des Chaos Computer Clubs an der Basis, sage ich mal, reagiert auf die Tests?
Metzger: Also, die Veranstaltung, wo das vorgestellt wurde, die war sehr voll. Und ich glaube, das war auch ein bisschen so das Problem, dass OpenLeaks sich als das vor allem für die Medien interessanteste Projekt herausgestellt hat. Und da haben dann die Veranstalter doch ein bisschen sich zu sehr vereinnahmt gefühlt vielleicht von diesem ganzen Projekt. Weil es war natürlich auch von OpenLeaks-Seite her nie die Rede davon, dass man jetzt irgend so eine offene oder ein offizielles CCC-Siegel bekommt, das gibt's ja bei Hackern gar nicht, sondern das sind ja Freiwilligkeiten. Die Leute haben Lust, daran rumzuschrauben, und tun das auch.
Meurer: War Ihnen klar während der Veranstaltung, das gibt noch Ärger?
Metzger: Nein, bei der Veranstaltung, bei der Vorstellung waren 200 Leute da und da gab es die ein oder andere kritische Nachfrage oder Lob oder so weiter, aber dass das jetzt als ein Angriff verstanden wurde auf die Camp-Struktur oder was, gab es da nicht. Das wird auch, das muss ja noch von der Mitgliederversammlung des Chaos Computer Clubs bestätigt werden, der Rauswurf, und da wird es garantiert noch allerhand Diskussion geben, so weit ich das überblicke.
Meurer: Was sagen Sie denn zum Rausschmiss von Daniel Domscheit-Berg?
Metzger: Ja, also, ich bin nicht Mitglied vom Chaos Computer Club, ich will mich jetzt nicht in die Vereinssatzung einarbeiten. Ich habe mich da ein bisschen gewundert, weil das kann man ja auch mal im Vorfeld eher klären, bevor man gleich mit so einem Rauswurf da irgendwie ... Aber das müssen die klären. Für mich ist wichtig: Funktioniert die Technik oder nicht? Und das ist für mich viel wichtiger, als ob ich da jetzt irgendwie in einen Konflikt geraten will innerhalb eines renommierten, aber immerhin eines für mich externen Vereins.
Meurer: Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg zerstreiten sich, jetzt die Geschichte mit dem Chaos Computer Club – das sieht alles nach, ich sag mal, Missgunst aus und lässt die Hacker als ziemlich zerstrittenen Haufen dastehen. Schadet das der OpenLeaks- und WikiLeaks-Bewegung?
Metzger: Also, gut ist es auf keinen Fall. Weil Sie haben irgendwie ... Es bleibt immer was hängen: Was streiten Sie sich denn da rum? Und für uns als Medienpartner ist das natürlich nicht gerade optimal, aber wir müssen da jetzt eh schauen: Man hatte da Diskussionen auf dem Camp, der Test läuft auch noch, also Sie können jetzt, wenn Sie ein Hacker wären, können Sie auch noch gucken, ob Sie da nicht noch mal ein Löchlein irgendwo reinkriegen würden, und dann werden wir uns jetzt spätestens morgen, übermorgen mal zusammensetzen und gucken, was ist denn jetzt Stand der Dinge, wo muss man noch flicken? Weil für mich ist es wesentlich ... OpenLeaks scheint mir jetzt schon, soweit wir das beurteilen können, sicherer zu sein als WikiLeaks. WikiLeaks hat jahrelang gearbeitet, ohne dass ein Informant durch die Technik rausgekommen ist. Einer kam raus, weil er geplaudert hat. Und ich brauche also eine Technik. Das ist für mich zumindest der Punkt.
Meurer: Wie sieht eigentlich die Kooperation Ihrer "taz" aus mit OpenLeaks?
Metzger: Wir haben eine ziemlich große EDV-Abteilung, die auch ein gewisses Know-how hat, und diese Leute gucken sich an, wie ist denn die Architektur von diesem Ding? Und das hat bisher einen vertrauenerweckenden Eindruck gemacht. Nun ist man aber nie sicher, aber das muss man natürlich noch länger testen. Aber das sieht bisher einfach gut aus und wir haben ja verschiedene andere Methoden der Anonymisierung von Texten und Vorschläge auch uns angeguckt und na ja, das war alles teilweise dann immer nicht ganz so ausgegoren.
Meurer: Herr Metzger, haben Sie auch eine große Rechtsabteilung bei der "taz", um sich schon mal gegen Angriffe wappnen zu können?
Metzger: Ja, natürlich. Ja, das ist ja im Prinzip nur ein Weg, um Informationen zu uns zu bringen. Das gibt es ja jetzt auch schon, per Brief, per Telefon, per Treffen. Und das ist ein neuer Weg. Und da haben Sie natürlich auch dann hinterher rechtliche Schwierigkeiten, wenn Sie irgendwas enthüllen. Das haben wir jetzt mit den konventionellen Sachen auch. Es geht nur um den Informantenschutz. Mit der neuen Technik, da haben Sie viel mehr Spuren. Wenn Sie irgendetwas irgendjemandem schicken, wenn Sie eine CD brennen, dann haben Sie darauf Spuren, wo die CD herkommt. Und wenn wir als Journalisten die nicht sofort vernichten und irgendwie clever kopieren, wenn die Polizei kommt und bei uns das beschlagnahmt, weil es vielleicht eine geheime Akte ist, dann wird die herausfinden, wer mir die CD geschickt hat.
Meurer: Es gibt doch Informantenschutz. Ist der so durchlässig geworden, dass Sie sich nicht mehr darauf verlassen wollen?
Metzger: Na ja, der Informantenschutz ist das eine, aber trotzdem gibt es ja richterliche Beschlüsse, wo man dann ein Bekennerschreiben sich auch abholen kann als Polizei, oder eben auch irgendwelche Dateien, die als vertraulich oder geheim eingestuft sind. Das ist ja immer eine Abwägungssache. Und da müssen Sie jetzt auch schon auf der Hut sein. Wir hatten hier auch schon Hausdurchsuchungen, also das ist jetzt nicht so neu alles.
Meurer: Wie wollen Sie vermeiden, dass auf dieser Plattform nicht überwiegend oder doch in einem beträchtlichen Teil frustrierte Leute Betriebsgeheimnisse ausplaudern, um ihrem Arbeitgeber eins auszuwischen?
Metzger: Da kommt das Gleiche in Gang, was Sie jetzt auch haben, so was kriegen wir jetzt auch schon. Und da muss man sich erst mal angucken, selbst wenn es stimmen würde, ist das veröffentlichungswürdig? Wenn ja, müssen Sie prüfen, hey, stimmt's überhaupt? Dann müssen Sie in die Recherche gehen. Das müssen Sie jetzt auch. Also, von daher, das kann passieren, aber die Erfahrungen bei WikiLeaks zeigen einem ja zumindest, dass da doch auch ziemlich viel Weizen in der Spreu drin war. Das war nicht nur Quatsch. Und die Leute nehmen das an, vor allem weil sie mit der neuen Technik, viele Leute, einfach umzugehen gewohnt sind. Die rufen nicht mehr mit dem Telefon an. Die wollen was hochladen und dann nichts mehr damit zu tun haben. Und so ist der Gedanke dahinter. Man hat einen neuen Weg, um Information herzustellen.
Meurer: Wirbel um eine neue Enthüllungsplattform, um OpenLeaks. Das war Reiner Metzger, stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung "taz", die mit OpenLeaks kooperiert. Danke und auf Wiederhören, Herr Metzger!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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