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Chaos im Deutschen Schwimmverband
"Nicht professionell genug aufgestellt"

Kurz vor den Olympischen Spielen herrscht aufgrund von Personalentscheidungen Chaos im Deutschen Schwimmverband. Dass es vor Großveranstaltungen im DSV unruhig wird, sei nicht neu, sagte Ex-Schwimmerin Antje Buschschulte im Dlf. Sie habe das Gefühl, der Verband sei nicht professionell genug aufgestellt.

Antje Buschschulte im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Die ehemalige Weltklasse-Schwimmerin Antje Buschschulte.
Die ehemalige Weltklasse-Schwimmerin Antje Buschschulte. (imago/Christian Schroedter)
Wenige Wochen vor den Olympischen Spielen in Tokio herrscht Chaos in der Führungsebene des Deutschen Schwimmverbands (DSV). Ein Grund dafür sind die jüngsten Personalentscheidungen. Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz war nach Vorwürfen sexueller Gewalt zurückgetreten. Dann wurde Sportdirektor Thomas Kurschilgen entlassen. Ob ein Zusammenhang mit dem Fall Lurz besteht, ist unklar. Erst sollte Dirk Klingenberg Nachfolger von Kurschilgen werden, wurde es dann aber doch nicht. Am vergangenen Freitag wurde nun bekannt, dass Lutz Buschkow kommissarischer Sportdirektor wird, nachdem der Verband Mitte der Woche Ex-Schwimm-Ikone Michael Groß eine Absage erteilt hatte – ohne richtige Begründung.
"Es scheint mir recht konfus, was da passiert", sagte die ehemalige deutsche Top-Schwimmerin Antje Buschschulte im Dlf. "Es erinnert mich stark daran, wie es mir früher selber immer ging im Deutschen Schwimmverband, gerade vor den Höhepunkten. Da war immer irgendetwas. Vielleicht nicht genauso wie jetzt, aber wir hatten Probleme, dass es unruhig wurde." Konkret fällt der 42-Jährigen eine Diskussion um Anzüge der Sportlerinnen und Sportler ein. "Das ist ein sehr subjektives Ding für Sportlerinnen und Sportler. Und dann hatte der DSV uns lange Zeit immer vorgeschrieben, was wir zu tragen hatten. So etwas kochte dann immer kurz vorher hoch."

"Funktionäre bleiben nicht ruhig"

Aber warum wird es beim DSV so kurz vor Großveranstaltungen häufig unruhig? "Das muss man sicherlich auch im Einzelfall erklären, aber so ganz generell habe ich den Eindruck, dass der DSV nicht professionell genug aufgestellt ist, um damit umgehen zu können. Weder mit den Medien, noch mit den Anforderungen, die man intern hat. Das liegt daran, dass sich der Druck natürlich enorm erhöht ist vor den Olympischen Spielen", so Buschschulte. Ein Verband sollte aber so professionell sein, sich den Druck nicht anmerken zu lassen, fügte sie an. "Was mir dann auch immer aufgefallen ist, ist dass die Funktionäre im Verband nicht ruhig geblieben sind und eigentlich noch mehr Nervosität reingebracht haben und das ist dann immer ein Problem." Für Sportlerinnen und Sportler seien Olympische Spiele letztlich auch nur ein normaler Wettkampf. "Natürlich muss man das Drumherum genießen können, aber man muss da auch nichts aufbauschen, was letztlich alle nervös macht."
Von den Freistil-Schwimmern sind über Wasser nur die Ellbogen zu sehen
Ein desolates Bild
Während die deutschen Schwimmer derzeit versuchen, sich für Olympia in Tokio zu qualifizieren, bietet der Verband in der Außendarstellung ein desolates Bild. Ein Grund dafür sind die jüngsten Personalentscheidungen.
Wie die Athletinnen und Athleten damit umgehen, hänge vom Einzelnen ab so Buschschulte. "Ich hoffe auch nicht, dass es in der Schwimm-Mannschaft zu elendig langen Sitzungen kommt, wo dann das eine und das andere thematisiert wird und man sich irgendwie positionieren muss. Das sind Dinge, die man kurz vor den Spiele nicht haben kann. Ich bin die Letzt, die sagt, dass Athleten nicht mündig sein sollen, aber es macht halt keinen Sinn, das kurz vor dem Wettkampf zu machen." Die Sportlerinnen und Sportler sollten sich vor dem Wettkampf nur auf das Training konzentrieren müssen, so Buschschulte. "Und ich finde, alle anderen haben sich unterzuordnen. Und der Verband sollte dann für die Athleten arbeiten und größtmögliche Ruhe herstellen. Und wenn er das nicht kann, ist er eben unprofessionell. Schwimmen ist eine olympische Kernsportart und das wird dem nicht gerecht."

Buschkow eine "tragbare Lösung"

Interims-Sportdirektor Buschkow bezeichnet Buschschulte als "tragbare Lösung". Sie hoffe, dass mit der Entscheidung, die bis zu den Olympischen Spielen gelten soll, ein Schlussstrich unter die Diskussionen gesetzt werden kann. "Aber man darf dann nicht vergessen, nach dem Olympischen Spielen das alles aufzuarbeiten und langfristig tragbare Lösungen zu finden."
Deutlich kritisiert Buschschulte den Umgang mit Michael Groß. "Es kann doch nicht sein, dass es da keine ordentliche Pressemeldung gibt und das das nicht abgestimmt und zusammen nach draußen gebracht wird, sodass keine Seite beschädigt wird. Also es klang schon nicht schön: ‚Deutscher Schwimmverband lehnt Michael Groß ab‘. Das ist einer unserer größten Sportler und das klang schon wie eine Watsche. Das darf eigentlich nicht sein."
Eine Sportschwimmerin taucht mit weißer Badekappe ins lichtblaue Wasser.
Dirk Klingenberg doch nicht Schwimm-Sportdirektor
Einen Tag nach der Bekanntgabe des Ex-Wasserball-Nationalspielers Dirk Klingenberg als Interimsmanager verkündete der Verband einen "Kurswechsel".
Buschschulte hätte Groß die Aufgabe als Sportdirektor zugetraut, jedoch kenne sie die Hintergründe nicht, sagte sie. "Aber es ist halt einfach unerklärt geblieben und das ist etwas, was man mit so einem großen eigenen Namen für den Deutschen Schwimmverband nicht machen darf."
Die Entscheidung, dass Verbandspräsident Marco Troll die Mannschaft als Teil-Mannschaftsleiter nach Tokio begleitet, könne Buschschulte nicht beurteilen. "Seine Fähigkeiten als Präsidenten kann ich nicht einschätzen. Bis jetzt hat das mit der Außendarstellung nicht so super geklappt. Wichtig ist, dass das fair und im Hintergrund bleibt. Ich meine, was die Mannschaftsleitung macht, das muss so sein, dass alles klappt."