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Chaplin-Museum am Genfer See
Auf den Spuren des Tramps und des Künstlers

Das Museum "Chaplin's World" ist eine Hommage an einen der größten Künstler des 20. Jahrhunderts. Filme und Kulisse und auch Chaplins Wohnräume des Schweizer Exils können hier im Ort Vevey besichtigt werden - ein manchmal lustiger, manchmal emotionaler Besuch.

Von Joachim Dresdner |
    Museum "Chaplin‘s World By Grévin" in der Schweiz
    Eröffnung des Museums "Chaplin‘s World By Grévin" am 16. April im schweizerischen Corsier-sur-Vevey. (picture-alliance / dpa / Foto: Laurent Gillieron)
    Schließen Sie einmal die Augen, wenn Sie nicht gerade im Straßenverkehr sind, und folgen Sie mir in den Film über das Leben des Charlie Chaplin.
    Das können Sie nacherleben, in "Chaplin's World" im Herzen der Schweizer Riviera oberhalb des Genfer Sees. "Vorhang auf" und "Bühne frei" für den großen Künstler.
    Ich ging vom Bahnhof Vevey die Rousseaustraße hinunter in Richtung Genfer See, vorbei an dem Eckrestaurant einer amerikanischen Cafékette und der Bushaltestelle, bis zu dem runden, blassgelben Eckhaus mit dem Eingang zum "Cinemas Rex". Léon Moser eröffnete das Kino. Sein inzwischen pensionierter Sohn Yves führte es weiter und übergab es kürzlich seiner Tochter. Zu Léon's Zeiten war das "Rex" auch Theater: Fernandel und Bourvil traten hier auf. Mitte der 50er-Jahre kam Charlie Chaplin, erinnert sich Yves Moser:
    "Ich habe ihn so kennengelernt, mit den weißen Haaren und die Fliege. Er ging jedes Jahr in den Zirkus, "Zirkus Knie", er hat das gerne gehabt mit der ganzen Familie."
    Als Yves noch klein war, hatte das Kino einen einzigen, großen Saal. Eine Treppe führt damals – zu Chaplins Zeiten - wie heute hinauf:
    "Er ging da oben. Er war stehend und hat gefragt, dass man ihm Löffel bringt, kleine Teelöffel. Und der Metallrand, der Rand in Metall, das klingt gut und er machte den Ton."
    Moser erinnert sich, dass ein Mann neben Chaplin die Noten aufschrieb. Er sei einer der fleißigsten Kinobesucher gewesen und oft mit seiner ganzen Familie gekommen. Kam er, um zu arbeiten, wurde extra ein Filmvorführer geholt:
    "Mein Vater hat nie etwas verlangt, wenn Charlie Chaplin kam, um zu Arbeiten. Und er sagte, wenn sie etwas geben wollen, geben sie es dem Vorführer. Und der Vorführer hat mir erzählt, einmal hat er, es war in 50er-Jahren, hat er eine Banknote von 100 Franken aus der Tasche genommen. Und er wollte das dem Vorführer geben. Der Vorführer hat gesagt: Oh, das ist zu viel, nein. Und er: Auch so, gut, Wiedersehen."
    Auf dem Rückweg treffe ich die Gemeinderätin Ursula Bucher in der historischen Brasserie "La Coupole 1912". Wir nehmen Platz am Fenster, direkt gegenüber dem Bahnhof von Vevey. Sie erinnert sich wie Yves Moser an den größten aller Komiker, seine Kinder und die schönen Feste im großen Haus:
    "Ja, es war immer eine Freude, sie zu treffen. Auch noch, als der Vater Chaplin, Charlie Chaplin, lebte."
    Museumsidee entstand vor 15 Jahren
    Nach dessen Tod 1977 kam die Frage, was wird aus dem Park, prächtigen, alten Bäumen und dem Herrenhaus Le Manoir de Ban? Und: Würde das Areal ein Museum, was käme zusammen, um jährlich mehr als 250.000 Besucher anzulocken? Vor rund 15 Jahren entstand die Idee zu dem Museum. Doch wie das so ist in der Schweiz, erst mussten alle überzeugt werden, erzählt mir Ursula Bucher:
    "In der Gemeinde waren viele Leute dagegen. Und die dachten, das ist ein großes Risiko. Und wir haben gesagt, wir unterstützen das, aber nachher wird das ein Privatprojekt. Und so haben wir das eingereicht. Jetzt hat die Gemeinde kein Geld mehr in diesem Museum. Jetzt haben wir das unterstützt mit neuen Straßen und für die Leute, die zu Fuß von Vevey bis zum Museum laufen möchten, machen wir einen schönen Weg. Und das ein interessanter Spaziergang vom See bis zum Museum. Es geht ein bisschen steil, manchmal, ja."
    Eine Statue von Charlie Chaplin.
    Eine Statue von Charlie Chaplin. (Deutschlandradio - Joachim Dresdner )
    Nach dieser Einstimmung fahre ich in die grüne Hügellandschaft oberhalb von Vevey. Hinauf zu Chaplin. Unweit der Autobahn nach Genf steige ich aus dem Bus, gehe durch das breite Tor am Ende der etwa 1,5 Meter hohen Grundstücksmauer, dann schräg hinunter.
    Neben der Villa, zwischen dem einstigen Haus der Bediensteten und dem hangabwärts verschachtelten Betonwürfel mit "Chaplin's World" beginnen wir unseren Rundgang. Annick Barbezat-Perrin, von der Betreiberfirma, und ich. Ihr schmales Gesicht, die lebhaften Augen und die Lachgrübchen erinnern mich an Geraldine Chaplin. Sie schmunzelt: Darauf sei sie schon angesprochen worden.
    Der Hauptfilm: Zwei gegenüberstehende schwarz-graue Häuserzeilen, mit dunklen Fensterläden und bepflanzten Blumenkästen. An der linken Hauswand ist eine Straßenlaterne befestigt. Die Easy Street in London. In der gleichnamigen Stummfilmkomödie über ein heruntergekommenes Arbeiterviertel wird aus Charlie, dem Tramp, ein Polizist.
    "Wir sehen hier in der Easy Street in das Gebäude hinein, wo Charlie als Kind zusammen mit seinem Halbbruder Sydney und seiner Mutter Hannah lebte. Wir können hier wirklich in die Stube reinsehen."
    Charlie Chaplin wurde am 16. April des Jahres 1889 geboren. Jetzt ein Chapiteau, mit kleiner Manege, kurzer Strickleiter an einem Mast. Auf einer Leinwand hinter der runden Zuschauerbank flimmern Stummfilme von Charlie und seinen Kollegen, wie Laurel und Hardy, Harold Lloyd, oder Buster Keaton.
    Dahinter steigen wir die Treppe hinunter in ein sehr geräumiges Studio. Ein Blick hinter die Kulissen von Chaplins Zeit in Hollywood. Die halbzerfallene, grobe Holzhütte aus dem Film "Goldrausch" von 1925. Sie schwankt im Film und auch hier bewegt sich die dunkle Baude. Die Besucher fühlen sich in den Film versetzt.
    Aufbauten vieler Chaplin-Filme
    Dann Aufbauten aus dem Film "Modern Times" von 1936, wo die Besucher sich so auf diese großen Zahnräder legen können, wie sie es im Film sahen. Der Friseurladen aus dem Film "Der große Diktator" von 1940. Und Chaplin als Wachsfigur.
    "Wir stehen einerseits vor dem Friseurladen, in der Mitte ist ein Bildschirm. Und auf der anderen Seite sehen wir den imitierten Park aus dem Film "City Lights" mit vielen Blumen hinter dem Parkanlagengitter. Eine Kombination aus zwei verschiedenen Filmen, die man hier live erleben kann."
    "Ich brauche, um ein Lustspiel zu machen, nichts weiter als einen Park, einen Polizisten und ein hübsches Mädchen", schrieb Chaplin in seiner Biografie.
    Dem in Schwarzweiß gestaltetem Besucherrestaurant folgen Gerichtssaal, Gefängnis, der Schaltertresen einer Bank und ein hoher Saferaum mit unzähligen Bankfächern. In einigen sind Objekte von Charlie Chaplin zu sehen, wie sein erster Vertrag in Hollywood.
    "Das sind sein Vertrag, die Oscars, seine Kleidung, der Hut, seine Schuhe, der berühmte Stock. Alles ist hier zu sehen, in diesem Saferaum der Bank."
    Die letzte große Bühne ist für die Besucher, die eben durch alle Filme gegangen sind und sich jetzt, am Schluss wie der große Komiker selbst fühlen:
    "Auf dieser Bühne stehen die Leute und spüren den Applaus, den sie für die Filme bekommen haben, die auf der großen Leinwand gegenüber gezeigt werden. Bei dem Applaus spüren sie, wie Charlie Chaplin damals den Beifall erlebt hat."
    Das war der Künstler Chaplin, den die Besucher erleben können. Wir laufen bergan durch den Park in Richtung Straße zum Herrenhaus. Es hat drei Etagen, eine direkt unter dem Dach, renoviert, so wie es zu seinen Lebzeiten war. Nun Charlie privat. In der Eingangshalle begrüßt er die Eintretenden persönlich, als Wachsfigur. Chaplin lebte hier mit Frau und acht Kindern.
    Im geräumigen Esszimmer der Familie läuft ein Film von Chaplins Frau Oona.
    "Wir sind im Wohn- und Musikzimmer von Charlie Chaplin, wo das Steinway-Klavier stand, auf dem er gespielt hat. Wo er auch Songs komponiert hat. Und wo er auch viele andere Komponisten eingeladen hat, die hier mit ihm über Musik philosophiert haben."
    Wir sehen auf den großen Park, im Hintergrund die französischen Alpen. Diesen Ausblick mochte Chaplin sehr. Die Bibliothek mit seinen Lieblingsbüchern ist im Originalzustand. Ein Raum, in den er sich manchmal zurückzog. Nebenan arbeitete seine Sekretärin, dahinter ein Raum mit einem Karussell aus Zeitungsblättern unter der Decke.
    "Dieser Raum zeigt, was in den Medien über Charlie Chaplin geschrieben wurde. Es wurde sehr viel geschrieben. Er sei ein Kommunist gewesen, er hätte Affären mit vielen Frauen gehabt. Alle diese Zeitungsartikel werden hier in diesem Raum gezeigt."
    Privates Leben des Künstlers
    Wir steigen die Holztreppe hinauf und passieren das Zimmer von Chaplins Frau Oona, dann: "Wir sind jetzt im Schlafzimmer von Charlie Chaplin, wo er auch sehr viel Zeit verbracht hat. Es war sehr einfach eingerichtet. In diesem Raum ist im Dezember 1977 Charlie Chaplin gestorben."
    Im Gästezimmer zeigt eine Fotowand Petula Clark, Sophia Loren, Marlon Brando, Bob Dylan, Peter Ustinov, Ghandi, Chiang Kai-shek, Hanns Eisler, Bert Brecht, Albert Einstein, mit dem Chaplin befreundet war. Viele Zeitgenossen aus dem 20. Jahrhundert haben hier übernachtet.
    An einem Touchscreen lassen sich Informationen über die Personen abrufen.
    Unter dem Dach dürfte es sehr lebendig zugegangen sein, denn das war der Bereich der Kinder. Aus den acht Kinderzimmern wurde ein einziger großer Raum, der für Feste oder Kongressempfänge gemietet werden kann.
    "Wir schauen zum Fenster hinaus, zu den Alpen und dort vorn links im Park steht ein mächtiger, großer Baum, genannt der Michael-Jackson-Baum. Michael Jackson war sehr oft hier und war auch mit den Kindern von Charlie Chaplin befreundet. Er kam immer mit dem Helikopter und der landete neben diesem Baum."
    Generaldirektor Jean-Pierre Pigeon steuert die Museumsanlage von seinem Schreibtisch aus, im winzigen Büro im zweiten Stock des Wirtschaftsgebäudes am Parkeingang.
    Es sei, gesteht der schlanke, hochgewachsene Schweiz-Kanadier, das Projekt seines Lebens und ein sehr emotionales Projekt:
    "Der Ort, wo man von Charlie Chaplin am meisten mitbekommt, ist, wenn man in die Anlage reinkommt. Aber auch im Herrenhaus, sein Büro, wo er gearbeitet hat, wo all die Ideen kreiert wurden. Ein besonderer Ort ist natürlich sein Schlafzimmer, wo Charlie Chaplin am 25. Dezember 1977 verstorben ist."
    Und, wo ist Pigeons Lieblingsplatz?
    "Oh, Favoritplace? In my Office! Ein Ort, an dem ich sehr gerne bin, ist Chaplins Wohnzimmer mit dem Piano. Chaplin hat ja auch Musik geschrieben, Musik gespielt und das zeigt seine große Vielfalt. Er hat nicht nur Filme gemacht. Er hat sehr viele andere Sachen auch produziert."
    Das Museumsprojekt werde genau dort verwirklicht, wo Chaplin 25 Jahre lang mit seiner Familie zuhause war:
    "Eine Garantie, die ich den Besuchern sicher geben kann, ist, dass sie hier sehr viel lachen werden, in "Chaplin's World" in Vevey. Es wird auch sentimental sein und die verschiedenen Emotionen werden die Leute dann mit nach Hause nehmen."
    Der Abspann: Ich nehme unvergessliche Eindrücke mit von diesem Museum. Hier wird laut gelacht und nicht nur einmal. Und Eindrücke von dieser Region am Genfer See mit sonnigen Weinbergen, von der viele schwärmen, wie Jean-Pierre Pigeon, der Direktor von "Chaplin's World", die Gemeinderätin Ursula Bucher, oder der Kinomann Yves Moser:
    Pigeon: "Es gibt sehr viel Musik. Es gibt sehr viele Bilder. Es ist wirklich wie ein Abenteuer, wenn man "Chaplin's World" besuchen wird."
    Moser: "Jeder Mann hat etwas von Charlie Chaplin, wenn er gut ist. Es kann nicht anders sein."
    Bucher: "Von dem Park und von seinem Haus hat man eine sehr, sehr schöne Aussicht auf den See."
    Die Schweizer Riviera zog Stars wie Audrey Hepburn, Peter Ustinov, James Mason oder Charlie Chaplin an. Das verstehen sie, wenn sie mit dem Zug von Bern aus anreisen:
    "Und sie sehen den Weingarten und den See, Sonne und alles. Wo können sie anders leben? Cool! Cooles Leben hier, darum ist Chaplin gekommen, weil er konnte gut arbeiten, ruhig und die Leute haben ihn gut gelassen."
    An der Autobahnausfahrt Vevey, wenige Minuten von "Chaplin's World" entfernt, ist das neugebaute Hotel Modern Times von Chaplin inspiriert. Beim Eintritt in die Hotellobby sind die Zahnräder aus dem Film nicht zu übersehen. Ein Traumarbeitsplatz für Jean-Claude Gétaz, den Direktor:
    "Es ist eine einzigartige Region. Es ist einfach fantastisch, mit diesem See, der eigentlich fast ein Bergsee ist. Auf der anderen Seite sehen sie die französischen Alpen, die Savoyer Alpen und auf der Schweizer Seite haben sie all diese Rebberge, die direkt in den See laufen. Und das ist doch eine einzigartige Region!"
    Was würde Charlie, der Tramp, wohl zu alldem sagen?
    Die Reise wurden von Schweiz Tourismus unterstützt.