Computerstimme Maroon 5: Hi Ina. I'm the Maroon 5 Bot. Du wirst die erste sein, die über neue Veröffentlichungen informiert wird. Let's Chat Ina.
Na klar. Wie geht's?
Computerstimme Maroon 5: Toll und dir?
Mir auch. Ein Plausch mit Maroon 5, oder noch besser ihrem Frontmann Adam Levine, dem Sänger einer der im Mainstream erfolgreichsten Band zur Zeit.
Computerstimme Maroon 5: Let's Chat Ina.
Chatten wir nicht schon?
Computerstimme Maroon 5: Hi Ina.
Fans auf allen Plattformen erreichen
Nach drei, vier Nachrichten ist überdeutlich: Das ist kein Adam Levine, keine Band, nicht mal eine künstliche Intelligenz. Sondern ein Chatbot, den ein Entwickler womöglich im Vorbeigehen erschaffen hat.
"Ein Chatbot ist nichts anderes wie ein kleines Programm, das in einer Messanger-Plattform sitzt. Also Facebook-Messanger, WhatsApp und idealerweise die Anfragen des Nutzers automatisiert beantwortet."
Erzählt Andreas Mehringer, Geschäftsführer des Start-Ups Record Bird.Er informiert Fans in einer App und mit einem Chatbot, wann ihre Lieblingsband das nächste Album veröffentlicht. Vor allem in Amerika setzen Musiker und Bands wie Kiss, Snoog Dog oder Aerosmith auf Chatbots, wenn sie mit Fans kommunizieren wollen. In Prä-Internet-Zeiten hat es gereicht, wenn die großen Radiosender den neuen Hit gespielt haben. Heute müssen Musiker auf Spotify, im Radio, auf der Straße und vor allem auf Facebook ihre Fans erreichen, um sie zu verkaufen.
"Musik wird jährlich mit 1,7 Milliarden beworben. Ein Großteil davon geht in das Remarketing, bestehende Fans, das Label der Künstler muss bezahlen, um bestehende Fans zu erreichen."
"Sensationelle Öffnungsraten"
Fans sind Endkonsumenten im Pop-Geschäft, die ihrem Idol so nah wie möglich sein wollen, aber der Sänger Adam Levine kann natürlich unmöglich allen 39 Millionen Anhängern auf Facebook persönlich schreiben, dass er nun mit seiner Band Maroon 5 eine neue Single veröffentlicht. Der Chatbot erledigt das nun für ihn. Und er macht es gut: Denn nichts ruft so magische Gefühle hervor wie eine rote Zahl in einem Messenger, die zeigt: Ein Freund denkt an dich und schreibt dir.
"Also einerseits sehen wir natürlich sehr, sehr großes Potential in Chatbots generell und insbesondere in der Messanger-Plattform. Die Messenger-Plattform vereint jetzt knapp 1,5 Milliarden Nutzer, die Öffnungsraten sind sensationell."
Heißt also: Den Newsletter als Mail liest schon lange kein Mensch mehr – eine Nachricht von einem Chatbot hingegen liest fast jeder. Facebook-Posts hingegen gehen unter. Also setzt die Musikwelt noch zaghaft aber mit deutlicher Prognose auf die Nähe zum Fan.
"Das Wichtige hier ist zu verstehen, dass jeder Künstler völlig eine eigene Identität hat und jeder Chatbot eine eigene Identität haben wird. Ein 50 Cent kommentiert anders wie eine Helene Fischer."
Die Illusion lässt Fans träumen
Stimmt. Helene Fischer hat bisher keine künstliche Chat-Präsenz. Der amerikanische Rapper 50 Cent hingegen schon. Wenn man da überhaupt von Identität sprechen kann und nicht nur von einem Klischee.
Computerstimme: Yo Ina.
Sagt die Computerstimme ziemlich uninspiriert. Dann empfiehlt er, der Chatbot mir seine neueste Base-Cap inklusive Link zum Onlineshop. Ich frage ihn, was er so macht, morgens um 10 Uhr.
Computerstimme: "Sipping Some Effen".
Er trinkt gerade einen Wodka, für den er auf seinem Profil-Bild wirbt. Eine Nähe zum Künstler entsteht hier nicht, es wirkt eher wie ein dilettantischer Versuch, Fans , pardon, Endkonsumenten, über jeden möglichen Kanal abzugreifen. Obwohl offensichtlich ein Fake, funktionieren Chatbots. Die Illusion siegt über die Realität und lässt Fans träumen.
Die Fans von Maroon 5 zeigten sich auf Twitter begeistert, als sie einen Tag vor allen anderen die neue Single zu hören bekamen inklusive Vermeintlich persönlicher Nachricht von ihrem Idol im Facebook-Messenger. Endlich, so nah an dem Sänger Adam Levine wie noch nie. Näher wird es nur, wenn er bald als Hologramm neben dem Fan auftaucht, also als digitale Projektion im Raum erscheint. Das ist tatsächlich keine Zukunftsmusik mehr.