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Chauffeur ohne Charakter

Regisseur Helmut Dietl lässt in seinem neuen Film Bully Herbig als eine Art Nachfolger der legendären "Kir Royal"-Figur Baby Schimmerlos durch Berlin fahren. Doch was als Hauptstadtsatire gedacht war, ist nur eine Revue von Einzelnummern geworden.

Von Hartwig Tegeler |
    "Weißt du, was du bist?"

    Fragt sie ihn. Chauffeur - nur! -, aber immerhin in der Hauptstadt Berlin und damit Fahrer für die Reichen und Mächtigen und somit ganz nahe dran. Meint Michael "Bully" Herbig alias Zettl zur Freundin - Karoline Herfurth.

    "Dann sag du: Ich liebe dich, obwohl du ein armer Chauffeur bist."

    Noch! Aber dieser Zettl ist charmant und ausgestattet mit einem ausgeprägten Willen zur Macht. Und fliegt quasi - als Nachgeborener des Klatschreporters Baby Schimmerlos - auf den Online-Magazin-Chefredakteursposten. Einer hat viel mitbekommen da, vom Fahrersitz der Limousine aus. Bestes Zeugs für großen Tratsch und Geschichten.

    "Wer hat sich denn die linke Kiste ausgedacht?"
    "Du, das Leben. Das Leben schreibt ja, wie du weißt, die linkesten Kisten."

    Als da wäre die geheime Sache mit dem sterbenden Bundeskanzler oder die nicht minder geheime mit dem Berliner Bürgermeister, der sich umoperieren lassen will zur Frau. Das Geschlecht als Ticket ins Bundeskanzleramt.

    Zettl weiß das alles, kriegt es raus, kennt alle Schweinereien. Und wer mit wem sowieso. Ein guter Nährboden - sollte man meinen oder auch hoffen - für ein Feuerwerk von Satire, Bösartig- wie Deftigkeit, wo denn auch mal Stierhoden in einem Schließfach über die Kanzlernachfolge entscheiden.

    Und so mancher Dialog - geschrieben hat Helmut Dietl "Zettl" zusammen mit Benjamin von Stuckrad-Barre - ist brillant, wenn der Ministerpräsident von MeckPom - Harald Schmidt - süchtig aufs Kanzleramt starrt. Ich will da rein, denkt er wie Gerhard Schröder, aber ich´s kann vielleicht nicht, relativiert er wie Christian Wulff.

    "Ich weiß doch gar nicht, ob ich das kann, das Amt."
    "Kann ich nicht, kann ich nicht. Die anderen können es doch genauso wenig, und dann ist es doch besser, du kannst es nicht."

    "Dann ist es doch besser, du kannst es nicht!" - schön böse, dieser Seitenhieb auf den Politikbetrieb, wenn - ja, wenn das nicht eben nur die Rosinen wären im großen Möchtegern-Satire-Kuchen. "Zettl" ist leider vor allem eine Revue mitunter, zugegeben, brillanter Einzelnummern geworden.

    Ulrich Tukur, Senta Berger, Karoline Herfurth, Dagmar Manzel, Götz George, Hanns Zischler, Harald Schmid und eben "Bully" Herbig - ein erlesenes Ensemble! Alle spielen gut, aber nicht wirklich miteinander, weil die Geschichte es nicht hergibt.

    Es gibt intensive Momente, wenn beispielsweise der große Theaterdarsteller Gert Voss als Arzt der Berlinelite seinen Jugendträumen von einer besseren Welt nachhängt, während er jetzt für die Mächtigen Natur kosmetisch korrigiert. Mit wenigen Pinselstrichen zeichnet Gert Voss hier eine tragisch-melancholische Figur.

    Doch das alles fügt sich in "Zettl" nicht zusammen. Der Mensch da oben ist dem Menschen ein Wolf, gut, doch das hat Helmut Dietl schon einige Male erzählt. Mal aus München, mal aus Hamburg, jetzt aus Berlin an einer Aufsteiger-Figur mit einer "unschlagbaren Charakterlosigkeit".

    "Weisst du, was du bist?"
    "Demnächst aus bester Familie. Schau mich an, Mausiputzi, wir sind jung, wir schauen gut aus und sind unschlagbar charakterlos."

    Aber das Problem dieses Films ist nicht die Wiederholung all der alten Dietl-Themen, sondern dieses: Eine Satire, die davon lebt, dass wir zusammen mit dem Filmemacher hämisch, schenkelklopfend von oben und nur von oben herunterschauen auf die Figuren und ihr Kasperletheater der Macht, nein, das ist nicht interessant, nicht sexy, es ist nur öde und langweilig.