Jürgen Liminski: Die Schlagzeilen aus Mittel- und Lateinamerika sind geprägt von der Annäherung in Honduras und vor allem von der Gewalt in Brasilien, Mexiko und Kolumbien. Auch die Machenschaften und Reden des Diktators in Venezuela, Hugo Chávez, seine Partnerschaft mit Irans Ahmadinedschad, seine Bündnisstrategie in Lateinamerika, seine Pläne für einen bolivarischen Verbund 200 Jahre nach der Unabhängigkeit des Halbkontinents sorgen immer wieder für neue Schlagzeilen.
Wohin steuert Lateinamerika? Wächst hier auch eine Aufgabe für die künftige Außenpolitik Deutschlands heran? - Zu diesen Fragen begrüße ich im Studio die langjährige "FAZ"-Korrespondentin in Lateinamerika, Chefredakteurin der Deutschen Welle und heutige Autorin bei der Tageszeitung "Die Welt", Hildegard Stausberg. Guten Morgen!
Hildegard Stausberg: Guten Morgen.
Liminski: Frau Stausberg, in Honduras scheint es eine Annäherung zu geben. Wird hier ein Konflikt einer Lösung zugeführt?
Stausberg: Man kann das nur hoffen. Es gibt Ende November Wahlen in Honduras. Diese Wahlen müssen natürlich erfolgen und sie müssen vor allen Dingen von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden. Herr Chávez bemüht sich, diese Wahlen als von vornherein ungültig darzustellen. Das ist natürlich Unsinn, weil alle Leute, die an den Wahlen teilnehmen, schon lange vor den Ereignissen im Juli dabei waren, und es sieht so aus, als ob mittlerweile auch die Europäische Union erkannt hat, dass das ein Weg aus der Krise sein könnte, den man weiter verfolgen muss.
Liminski: Inwiefern mischt in Honduras auch der venezolanische Machthaber Chávez mit?
Stausberg: Nun ja, er mischt nicht mit, sondern er bestimmt das Ganze ja. Der Präsident Zelaya hat sich durch Chávez verstärken lassen. Er wollte wiedergewählt werden, obwohl die Verfassung das nicht vorsieht. Chávez hat das alles mitfinanziert, er hat es mitorchestriert. Sein in ganz Lateinamerika zu sehendes Fernsehen, teleSUR, hat das alles mitbegleitet. Es gibt venezolanische Militärberater, es gibt venezolanische Militärberater auch im Nachbarland Nicaragua.
Das ist alles sehr gefährlich und Chávez zündelt an allen Ecken und mittlerweile weiß das, glaube ich, auch jeder, der den Konflikt in Honduras etwas beobachtet hat.
Liminski: Chávez bastelt offenbar an einer sozialistischen Achse in Mittel- und Südamerika?
Stausberg: Sozialistisch ist ja nur das Vorwort beziehungsweise das Schlagwort. In Wirklichkeit ist das, was Chávez macht, eine Bereicherungsdiktatur seiner Familie, seiner Freunde. Noch nie ist es Venezuela im Endeffekt wirtschaftlich so schlecht gegangen. Es hat in den letzten zehn Jahren die höchsten Einnahmen aus dem Ölexport gehabt und gleichzeitig ist das Land heute so verwundbar wie noch nie. 90 Prozent des gesamten Staatshaushalts kommen aus dem Export des Erdöls.
Venezuela hat gute Böden, da wird nichts mehr angepflanzt, alles wird importiert. Das ist kein Modell. Das wissen auch die Nachbarn, aber Chávez hat die Streitkräfte, Chávez lässt sich von Kuba mit Sicherheitskräften versehen, seine eigene Prätorianergarde um ihn herum sind ja alles Kubaner, er vertraut seinen eigenen Streitkräften ja im Grunde genommen gar nicht mehr. Das ist eine wirklich sehr gut strukturierte echte Diktatur und das alles ist immer nur unter dem Sozialismus des 21. Jahrhunderts an uns sozusagen verkauft worden.
Liminski: Ist Chávez auch in die Drogenmafia verwickelt?
Stausberg: Sehr wahrscheinlich ist das das Komplizierteste und das Schlimmste bei der ganzen Geschichte. Chávez ist assoziiert mit den Farc, also den angeblichen Guerilleros in Kolumbien. In Wirklichkeit sind das Drogen-Dealer und sie und das organisierte Verbrechen haben längst zu einem großen Teil Besitz genommen von wichtigen Ländern in Lateinamerika. Sie hebeln die Staatsstrukturen aus, sie infiltrieren die Streitkräfte, sie infiltrieren vor allen Dingen auch die Polizei. Da ist sehr viel Geld im Spiel. Man sagt ja, ungefähr geht es um 150 bis 200 Milliarden im Jahr.
Von all dem weiß Chávez sehr geschickt zu profitieren, da Venezuela mittlerweile das wichtigste Durchgangsland für die Drogen aus Südamerika nach Nordamerika ist, und dazu braucht er auch Honduras, was ja im Herzen von Mittelamerika liegt. Das ist eine richtig gute Strategie, die er sich entworfen hat, und deshalb hängt er ja auch so an dieser Vorstellung, unbedingt nun Honduras haben zu müssen.
Liminski: Sie sagen, die Drogenmafia infiltriere sich in viele Institutionen und nehme manche sogar in Besitz. Gibt es denn Staaten an der Grenze zur Regierungsunfähigkeit, also rechtsfreie Zonen in Lateinamerika?
Stausberg: Einige rechtsfreie Zonen gibt es garantiert in einigen Ländern, zum Beispiel dieses Dreieck zwischen Argentinien, Paraguay, Bolivien. Dann gibt es auch Teile in Bolivien selber, wo ja so rechtsfreie Räume entstanden sind, dass mittlerweile da Militärbasen von Iran angelegt werden. Überhaupt gibt es ja auch eine Militärkooperation zwischen Bolivien, was ja ein Assoziierter von Herrn Chávez ist, und dem Iran. Auch natürlich die Zusammenarbeit zwischen Herrn Chávez und Iran ist ja auch in diese Richtung gehend.
Auf jeden Fall ist die Gefahr, dass die sogenannte Ingobernabilidad, also die Nicht-mehr-Regierbarkeit in vielen Ländern, immer stärker wird, absolut gegeben, und das Movens ist tatsächlich ein politisches Aushebeln über organisierte Kriminalität, Drogenmafia und Chávez.
Liminski: In Lateinamerika haben die Deutschen einen guten Ruf, ein hohes Prestige. Wächst da angesichts der Probleme nicht auch eine Herausforderung für den neuen Außenminister heran? Das kann uns als Exportnation ja nicht gleichgültig sein, was da auf dem Südkontinent geschieht.
Stausberg: Ich glaube, dass Deutschland eine sehr gute Position in Lateinamerika hat, dass es auch sehr anerkannt ist und dass eigentlich alles darauf hinausläuft, dass Deutschland jetzt eine sehr viel aktivere Lateinamerika-Politik betreiben würde oder müsste als bisher, zumal ab 1. Januar die Spanier den Vorsitz der Europäischen Union haben, und Spanien hat schon jetzt gesagt, dass es eine neue Lateinamerika-Politik für die Europäische Union oktroyieren will und sich zum Beispiel mit Diktaturen wie denen der Gebrüder Castro und auch mit Chávez arrangieren möchte.
Das hat in Spanien eindeutig wirtschaftliche Interessen, aber das kann natürlich langfristig nicht im Interesse einer Nation sein wie die Bundesrepublik, die sich nicht mit Leuten assoziieren kann wie Chávez oder Castro, die eindeutig mit Ahmadinedschad, einem Holocaust-Leugner, zusammenarbeiten.
Liminski: Lateinamerika droht, in den Griff der Gewalt zu geraten, auch eine Herausforderung für die Außenpolitik der künftigen Regierung. Das war die Lateinamerika-Expertin Hildegard Stausberg. Besten Dank für das Gespräch.
Stausberg: Danke schön.
Wohin steuert Lateinamerika? Wächst hier auch eine Aufgabe für die künftige Außenpolitik Deutschlands heran? - Zu diesen Fragen begrüße ich im Studio die langjährige "FAZ"-Korrespondentin in Lateinamerika, Chefredakteurin der Deutschen Welle und heutige Autorin bei der Tageszeitung "Die Welt", Hildegard Stausberg. Guten Morgen!
Hildegard Stausberg: Guten Morgen.
Liminski: Frau Stausberg, in Honduras scheint es eine Annäherung zu geben. Wird hier ein Konflikt einer Lösung zugeführt?
Stausberg: Man kann das nur hoffen. Es gibt Ende November Wahlen in Honduras. Diese Wahlen müssen natürlich erfolgen und sie müssen vor allen Dingen von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden. Herr Chávez bemüht sich, diese Wahlen als von vornherein ungültig darzustellen. Das ist natürlich Unsinn, weil alle Leute, die an den Wahlen teilnehmen, schon lange vor den Ereignissen im Juli dabei waren, und es sieht so aus, als ob mittlerweile auch die Europäische Union erkannt hat, dass das ein Weg aus der Krise sein könnte, den man weiter verfolgen muss.
Liminski: Inwiefern mischt in Honduras auch der venezolanische Machthaber Chávez mit?
Stausberg: Nun ja, er mischt nicht mit, sondern er bestimmt das Ganze ja. Der Präsident Zelaya hat sich durch Chávez verstärken lassen. Er wollte wiedergewählt werden, obwohl die Verfassung das nicht vorsieht. Chávez hat das alles mitfinanziert, er hat es mitorchestriert. Sein in ganz Lateinamerika zu sehendes Fernsehen, teleSUR, hat das alles mitbegleitet. Es gibt venezolanische Militärberater, es gibt venezolanische Militärberater auch im Nachbarland Nicaragua.
Das ist alles sehr gefährlich und Chávez zündelt an allen Ecken und mittlerweile weiß das, glaube ich, auch jeder, der den Konflikt in Honduras etwas beobachtet hat.
Liminski: Chávez bastelt offenbar an einer sozialistischen Achse in Mittel- und Südamerika?
Stausberg: Sozialistisch ist ja nur das Vorwort beziehungsweise das Schlagwort. In Wirklichkeit ist das, was Chávez macht, eine Bereicherungsdiktatur seiner Familie, seiner Freunde. Noch nie ist es Venezuela im Endeffekt wirtschaftlich so schlecht gegangen. Es hat in den letzten zehn Jahren die höchsten Einnahmen aus dem Ölexport gehabt und gleichzeitig ist das Land heute so verwundbar wie noch nie. 90 Prozent des gesamten Staatshaushalts kommen aus dem Export des Erdöls.
Venezuela hat gute Böden, da wird nichts mehr angepflanzt, alles wird importiert. Das ist kein Modell. Das wissen auch die Nachbarn, aber Chávez hat die Streitkräfte, Chávez lässt sich von Kuba mit Sicherheitskräften versehen, seine eigene Prätorianergarde um ihn herum sind ja alles Kubaner, er vertraut seinen eigenen Streitkräften ja im Grunde genommen gar nicht mehr. Das ist eine wirklich sehr gut strukturierte echte Diktatur und das alles ist immer nur unter dem Sozialismus des 21. Jahrhunderts an uns sozusagen verkauft worden.
Liminski: Ist Chávez auch in die Drogenmafia verwickelt?
Stausberg: Sehr wahrscheinlich ist das das Komplizierteste und das Schlimmste bei der ganzen Geschichte. Chávez ist assoziiert mit den Farc, also den angeblichen Guerilleros in Kolumbien. In Wirklichkeit sind das Drogen-Dealer und sie und das organisierte Verbrechen haben längst zu einem großen Teil Besitz genommen von wichtigen Ländern in Lateinamerika. Sie hebeln die Staatsstrukturen aus, sie infiltrieren die Streitkräfte, sie infiltrieren vor allen Dingen auch die Polizei. Da ist sehr viel Geld im Spiel. Man sagt ja, ungefähr geht es um 150 bis 200 Milliarden im Jahr.
Von all dem weiß Chávez sehr geschickt zu profitieren, da Venezuela mittlerweile das wichtigste Durchgangsland für die Drogen aus Südamerika nach Nordamerika ist, und dazu braucht er auch Honduras, was ja im Herzen von Mittelamerika liegt. Das ist eine richtig gute Strategie, die er sich entworfen hat, und deshalb hängt er ja auch so an dieser Vorstellung, unbedingt nun Honduras haben zu müssen.
Liminski: Sie sagen, die Drogenmafia infiltriere sich in viele Institutionen und nehme manche sogar in Besitz. Gibt es denn Staaten an der Grenze zur Regierungsunfähigkeit, also rechtsfreie Zonen in Lateinamerika?
Stausberg: Einige rechtsfreie Zonen gibt es garantiert in einigen Ländern, zum Beispiel dieses Dreieck zwischen Argentinien, Paraguay, Bolivien. Dann gibt es auch Teile in Bolivien selber, wo ja so rechtsfreie Räume entstanden sind, dass mittlerweile da Militärbasen von Iran angelegt werden. Überhaupt gibt es ja auch eine Militärkooperation zwischen Bolivien, was ja ein Assoziierter von Herrn Chávez ist, und dem Iran. Auch natürlich die Zusammenarbeit zwischen Herrn Chávez und Iran ist ja auch in diese Richtung gehend.
Auf jeden Fall ist die Gefahr, dass die sogenannte Ingobernabilidad, also die Nicht-mehr-Regierbarkeit in vielen Ländern, immer stärker wird, absolut gegeben, und das Movens ist tatsächlich ein politisches Aushebeln über organisierte Kriminalität, Drogenmafia und Chávez.
Liminski: In Lateinamerika haben die Deutschen einen guten Ruf, ein hohes Prestige. Wächst da angesichts der Probleme nicht auch eine Herausforderung für den neuen Außenminister heran? Das kann uns als Exportnation ja nicht gleichgültig sein, was da auf dem Südkontinent geschieht.
Stausberg: Ich glaube, dass Deutschland eine sehr gute Position in Lateinamerika hat, dass es auch sehr anerkannt ist und dass eigentlich alles darauf hinausläuft, dass Deutschland jetzt eine sehr viel aktivere Lateinamerika-Politik betreiben würde oder müsste als bisher, zumal ab 1. Januar die Spanier den Vorsitz der Europäischen Union haben, und Spanien hat schon jetzt gesagt, dass es eine neue Lateinamerika-Politik für die Europäische Union oktroyieren will und sich zum Beispiel mit Diktaturen wie denen der Gebrüder Castro und auch mit Chávez arrangieren möchte.
Das hat in Spanien eindeutig wirtschaftliche Interessen, aber das kann natürlich langfristig nicht im Interesse einer Nation sein wie die Bundesrepublik, die sich nicht mit Leuten assoziieren kann wie Chávez oder Castro, die eindeutig mit Ahmadinedschad, einem Holocaust-Leugner, zusammenarbeiten.
Liminski: Lateinamerika droht, in den Griff der Gewalt zu geraten, auch eine Herausforderung für die Außenpolitik der künftigen Regierung. Das war die Lateinamerika-Expertin Hildegard Stausberg. Besten Dank für das Gespräch.
Stausberg: Danke schön.