Christoph Schmitz: Das Goethe-Institut ist eine ehrwürdige Einrichtung. Sie soll die Welt mit der Kulturnation Deutschland bekannt machen und anfreunden. Dafür arbeiten weltweit rund 3000 Mitarbeiter in etwa 120 Filialen. Das Geld dafür fließt aus dem Auswärtigen Amt, fast 160 Millionen Euro jährlich, aber es wird weniger. Das Defizit, trotz beachtlicher Spareffekte seitens Goethe, wird für dieses Jahr mit knapp fünf Millionen beziffert. Die Münchner Zentrale unter der Präsidentin Jutta Limbach versucht sich mit Reformen den schrumpfenden Ressourcen anzupassen, statt selbstbewusst öffentlich die Bedeutung der kulturellen Mittlerarbeit zu formulieren und zu verteidigen. Die Arbeit in Europa soll zurückgefahren, das Engagement im Nahen und Fernen Osten verstärkt werden. Das sorgt für Streit. Was kann und will Goethe eigentlich? Was ist los mit Ihrem Haus? - Das habe ich Berthold Franke gefragt. Er ist der Leiter des Goethe-Instituts in Stockholm.
Berthold Franke: Also vielleicht haben wir ein bisschen unser Raison d'Etre aus dem Auge verloren. In heroischen Zeiten, also zum Beispiel, wenn es um eine Diktatur in Portugal geht oder um Transformation der postkommunistischen Gesellschaften, da hat so ein Kulturinstitut eine tolle Aufgabe. Da geht man hin und bringt Beispiele und deutsche Positionen und Erfahrungen in einen historischen Prozess ein. Und junge Intellektuelle beteiligen sich und da funktioniert das. In Zeiten, wo der Kalte Krieg gewonnen ist, in Zeiten auch, wo alle Welt wissen kann, dass wir nicht mehr nur eine historisch kontaminierte Kultur haben, sondern eine demokratisch-zivile Kultur, müssen wir unsere Inhalte neu bestimmen - und das unter Druck der mangelnden Finanzausstattung. Und das führt zum Beispiel dazu, dass wir sagen: Tja, Europa, da sind wir schon sowieso, und ein europäischer kultureller Integrationsprozess ist überall und auf vielen Frequenzen zu beobachten. Da kann sich das Goethe-Institut zurückziehen.
Schmitz: Aber Herr Franke, seit langem wird geklagt, außerhalb des Goethe-Instituts, auch innerhalb des Goethe-Institutes sehr viel Unmut. Es gab vor einem Jahr fast einen internen Aufstand. Wird die Zentrale unter Präsidentin Jutta Limbach überhaupt richtig geleitet? Gibt es eine eigenständige, selbstbewusste Diskussion inhaltlicher Art?
Franke: Das glaube ich schon, die gibt es. Und es ist natürlich so, wenn heute die Süddeutsche Zeitung fragt: Was will das Goethe-Institut?, das ist eine politisch plakative Zusammenfassung. Die politisch plakative Antwort auf diese Frage wäre, das Goethe-Institut will seine Arbeit tun, und das Goethe-Institut will nicht nur vom Zuwendungs- und Finanzgeber als Schauplatz für Streichungen und Kürzungen betrachtet werden. Wenn ich Ihnen aber eine sachliche, inhaltliche Antwort auf diese Frage - was will das Goethe-Institut - geben soll, dann wird es schwieriger. Und zwar deswegen, weil das Goethe-Institut an 120 Punkten in 80 Ländern der Welt sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage nach deutscher Kultur und nach deutscher Sprache und nach Informationen über Deutschland geben muss. Und das ist ja auch unser eigentliches - wie heißt das heute - Alleinstellungsmerkmal. Wir gehen in diese Länder, um dort erst herauszufinden, was dort von uns erwartet wird.
Schmitz: Na gut, aber Sie sind ja schon seit vielen Jahren in diesen Ländern drin. Und es gibt ja eine langfristige Kulturpolitik in diesen Instituten, sehr enge Verbindungen mit der örtlichen Kultur, so dass man ja weiß, was da gefordert ist. Also das jetzt wieder infrage zu stellen, ist doch wohl der falsche Weg.
Franke: Nein, nein. Dann verstehen Sie mich falsch. Niemand will das infrage stellen. Wir wissen ganz genau, was wir an diesen Orten machen. Wir haben hervorragende Erfahrungen, wir haben hervorragende Konzepte und hervorragende Möglichkeiten, wenn man uns die Möglichkeit gibt. Diese Möglichkeit ist nicht nur Geld, aber ganz ohne Geld geht es auch nicht.
Schmitz: Das heißt ja im Grunde, dass Europa geschwächt werden soll, dafür der arabische Raum und der fernöstliche Raum gestärkt werden soll, was ja auf den ersten Blick Sinn machen könnte. Andererseits ist es ja so, dass Europa gar keine Selbstverständlichkeit ist, also die Integration ist ja anscheinend an Grenzen gekommen. Müsste nicht gerade da auch Goethe ansetzen und sagen, wir machen weiter eine wichtige Vermittlungsarbeit, damit Europa zusammenwachsen kann?
Franke: Ja, selbstverständlich. Europäische Integration und europäische kulturelle Kommunikation ist etwas, was jede Generation neu erwerben muss. Zweitens: Es geht in unseren europäischen Standorten nicht nur um die europäischen Integrationsprozesse, sondern es geht jeweils auch um eine binationale Perspektive. Und die muss gepflegt werden.
Schmitz: Ja, aber das soll ja aufgegeben werden. Anscheinend will man eine schnelle Einsatztruppe der Kultur haben, die ganz schnell, flexibel, da, wo es gerade notwendig ist, in der arabischen Welt im Moment, etwas zu leisten. Aber eine langfristige Kulturarbeit ist das doch nicht, was das Goethe-Institut damit liefern könnte.
Franke: Wenn wir diese Arbeit aufgeben, dann werden wir vielleicht das Entscheidende, unser Herz verlieren. Und ich glaube schon, dass Europa ohne das Goethe-Institut leben kann. Das Goethe-Institut aber ohne eine solche europäische Perspektive kann kaum überleben.
Schmitz: Was muss Goethe im Grunde jetzt mit sich selbst tun, damit es eine Perspektive hat?
Franke: Ich glaube, wir wissen, was wir zu tun haben. Und es ist schon eine bedenkliche Verkehrung der Perspektive, dass uns heute das Außenministerium fragt, wie wollt ihr euch finanzieren, anstatt dass wir mit dem Außenministerium politische Ziele vereinbarten und wir das Außenministerium darum bitten mit guten Konzepten und guten Inhalten, uns mit Ressourcen dann auch auszustatten.
Schmitz: Das heißt, Goethe war bisher zu brav eigentlich?
Franke: Ich weiß es nicht. Ich glaube auf jeden Fall, es ist ein politischer Moment gekommen. Die Kürzungen und die Streichungen haben ein Ausmaß angenommen, dass es an die Substanz geht. Ich denke, das ist auch vielleicht ein Moment, wo unsere Präsidenten Jutta Limbach mal mit der Bundeskanzlerin reden muss.
Berthold Franke: Also vielleicht haben wir ein bisschen unser Raison d'Etre aus dem Auge verloren. In heroischen Zeiten, also zum Beispiel, wenn es um eine Diktatur in Portugal geht oder um Transformation der postkommunistischen Gesellschaften, da hat so ein Kulturinstitut eine tolle Aufgabe. Da geht man hin und bringt Beispiele und deutsche Positionen und Erfahrungen in einen historischen Prozess ein. Und junge Intellektuelle beteiligen sich und da funktioniert das. In Zeiten, wo der Kalte Krieg gewonnen ist, in Zeiten auch, wo alle Welt wissen kann, dass wir nicht mehr nur eine historisch kontaminierte Kultur haben, sondern eine demokratisch-zivile Kultur, müssen wir unsere Inhalte neu bestimmen - und das unter Druck der mangelnden Finanzausstattung. Und das führt zum Beispiel dazu, dass wir sagen: Tja, Europa, da sind wir schon sowieso, und ein europäischer kultureller Integrationsprozess ist überall und auf vielen Frequenzen zu beobachten. Da kann sich das Goethe-Institut zurückziehen.
Schmitz: Aber Herr Franke, seit langem wird geklagt, außerhalb des Goethe-Instituts, auch innerhalb des Goethe-Institutes sehr viel Unmut. Es gab vor einem Jahr fast einen internen Aufstand. Wird die Zentrale unter Präsidentin Jutta Limbach überhaupt richtig geleitet? Gibt es eine eigenständige, selbstbewusste Diskussion inhaltlicher Art?
Franke: Das glaube ich schon, die gibt es. Und es ist natürlich so, wenn heute die Süddeutsche Zeitung fragt: Was will das Goethe-Institut?, das ist eine politisch plakative Zusammenfassung. Die politisch plakative Antwort auf diese Frage wäre, das Goethe-Institut will seine Arbeit tun, und das Goethe-Institut will nicht nur vom Zuwendungs- und Finanzgeber als Schauplatz für Streichungen und Kürzungen betrachtet werden. Wenn ich Ihnen aber eine sachliche, inhaltliche Antwort auf diese Frage - was will das Goethe-Institut - geben soll, dann wird es schwieriger. Und zwar deswegen, weil das Goethe-Institut an 120 Punkten in 80 Ländern der Welt sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage nach deutscher Kultur und nach deutscher Sprache und nach Informationen über Deutschland geben muss. Und das ist ja auch unser eigentliches - wie heißt das heute - Alleinstellungsmerkmal. Wir gehen in diese Länder, um dort erst herauszufinden, was dort von uns erwartet wird.
Schmitz: Na gut, aber Sie sind ja schon seit vielen Jahren in diesen Ländern drin. Und es gibt ja eine langfristige Kulturpolitik in diesen Instituten, sehr enge Verbindungen mit der örtlichen Kultur, so dass man ja weiß, was da gefordert ist. Also das jetzt wieder infrage zu stellen, ist doch wohl der falsche Weg.
Franke: Nein, nein. Dann verstehen Sie mich falsch. Niemand will das infrage stellen. Wir wissen ganz genau, was wir an diesen Orten machen. Wir haben hervorragende Erfahrungen, wir haben hervorragende Konzepte und hervorragende Möglichkeiten, wenn man uns die Möglichkeit gibt. Diese Möglichkeit ist nicht nur Geld, aber ganz ohne Geld geht es auch nicht.
Schmitz: Das heißt ja im Grunde, dass Europa geschwächt werden soll, dafür der arabische Raum und der fernöstliche Raum gestärkt werden soll, was ja auf den ersten Blick Sinn machen könnte. Andererseits ist es ja so, dass Europa gar keine Selbstverständlichkeit ist, also die Integration ist ja anscheinend an Grenzen gekommen. Müsste nicht gerade da auch Goethe ansetzen und sagen, wir machen weiter eine wichtige Vermittlungsarbeit, damit Europa zusammenwachsen kann?
Franke: Ja, selbstverständlich. Europäische Integration und europäische kulturelle Kommunikation ist etwas, was jede Generation neu erwerben muss. Zweitens: Es geht in unseren europäischen Standorten nicht nur um die europäischen Integrationsprozesse, sondern es geht jeweils auch um eine binationale Perspektive. Und die muss gepflegt werden.
Schmitz: Ja, aber das soll ja aufgegeben werden. Anscheinend will man eine schnelle Einsatztruppe der Kultur haben, die ganz schnell, flexibel, da, wo es gerade notwendig ist, in der arabischen Welt im Moment, etwas zu leisten. Aber eine langfristige Kulturarbeit ist das doch nicht, was das Goethe-Institut damit liefern könnte.
Franke: Wenn wir diese Arbeit aufgeben, dann werden wir vielleicht das Entscheidende, unser Herz verlieren. Und ich glaube schon, dass Europa ohne das Goethe-Institut leben kann. Das Goethe-Institut aber ohne eine solche europäische Perspektive kann kaum überleben.
Schmitz: Was muss Goethe im Grunde jetzt mit sich selbst tun, damit es eine Perspektive hat?
Franke: Ich glaube, wir wissen, was wir zu tun haben. Und es ist schon eine bedenkliche Verkehrung der Perspektive, dass uns heute das Außenministerium fragt, wie wollt ihr euch finanzieren, anstatt dass wir mit dem Außenministerium politische Ziele vereinbarten und wir das Außenministerium darum bitten mit guten Konzepten und guten Inhalten, uns mit Ressourcen dann auch auszustatten.
Schmitz: Das heißt, Goethe war bisher zu brav eigentlich?
Franke: Ich weiß es nicht. Ich glaube auf jeden Fall, es ist ein politischer Moment gekommen. Die Kürzungen und die Streichungen haben ein Ausmaß angenommen, dass es an die Substanz geht. Ich denke, das ist auch vielleicht ein Moment, wo unsere Präsidenten Jutta Limbach mal mit der Bundeskanzlerin reden muss.