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Chemie-Nobelpreisträger Joachim Frank
Scharfer Blick in die Unschärfen der Welt

Joachim Frank gelang es schon 1980 elektronenmikroskopische Bilder zu verrechnen und so Molekülstrukturen schärfer sichtbar zu machen. Später kam er mit seinen Bildanalysen der Arbeit der Proteinfabriken in den Zellen – den Ribosomen – auf die Spur. Auch in seiner Freizeit lassen ihn die Bilder nicht los: Der Chemie-Nobelpreisträger ist ein passionierter Hobbyfotograf.

Von Lucian Haas |
    Die Gewinner des Chemie-Nobelpreises 2017: Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson (v l. nach r.)
    Die Gewinner des Chemie-Nobelpreises 2017: Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson (v l. nach r.) (imago/Xinhua)
    Es war ein Nachmittag im Jahr 1980, als Joachim Frank den Geistesblitz hatte, der später der Cryo-Elektronenmikroskopie mit zum Durchbruch verhelfen sollte.
    Joachim Frank arbeitete damals am Wadsworth Center in den USA. Es war eine Zeit, als sich alle Forscher des Instituts einen einzigen Rechner teilen mussten. Frank saß zufällig im Computerraum, als er einen Ausdruck mit wolkigen Mustern von Daten eines anderen Forschers sah. Es war so etwas wie ein Heureka-Moment, wie Frank in einem Video auf Youtube berichtet:
    "Ich schaute auf diesen Ausdruck und rief zu meinem Mitarbeiter rüber: Hör auf, unser Problem ist gelöst."
    Bilder von Molekülen miteinander verrechnen
    Den Rest des Nachmittags schrieb der Forscher eine Software, mit der er diffuse Bilder nach ihrer Ähnlichkeit sortieren und zuordnen konnte. Chemiker hatten damals noch wenig Ahnung vom Programmieren. Joachim Frank als Physiker konnte das. Er nannte sein Programm Spider. Damit ließen sich Dutzende elektronenmikroskopischer Bilder von Molekülen miteinander verrechnen, um die Molekülstruktur schärfer sichtbar zu machen.
    Was danach folgte, beschreibt Stefan Raunser vom Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie in Dortmund so:
    "Joachim Frank hat über 30 Jahre die Bildbearbeitung dominiert, die gebraucht wird, um die Projektion, die man in der Elektronenmikroskopie erhält, in eine dreidimensionale Rekonstruktion umzuwandeln."
    Belächelt und für verrückt erklärt
    Geboren wurde Joachim Frank 1940 in Weidenau an der Sieg. Er studierte Physik. In München schrieb er 1970 seine Doktorarbeit. 1975 ging er in die USA – unter anderem auch, weil er die größere Offenheit und die weniger hierarchischen Strukturen der Forschungslandschaft dort schätzte. Für seine ungewöhnlichen Ideen wurde er zwar auch dort anfangs belächelt und für verrückt erklärt. Doch er blieb dabei.
    1998 dann ein wichtiger Durchbruch: Erstmals konnte er mittels seiner Bildanalysen zeigen, wie Ribosomen aufgebaut sind und arbeiten. Ribosomen sind die Proteinfabriken in den Zellen aller Lebewesen.
    Joachim Frank: "Wir konnten zeigen, dass die Ribosomen ihre Form verändern. Es gibt zwei Untereinheiten, die sich wie Ratschenhebel bewegen."
    Mittlerweile ist es sogar möglich, die Bewegung der Ribosomen als computergenerierten Film auf Basis der Bilder aus dem Cryo-Elektronenmikroskop darzustellen.
    30 Jahre seines Lebens hat Joachim Frank in diese Arbeit investiert und Hunderte Beiträge in Fachmagazinen veröffentlicht. Doch sein Leben besteht nicht nur aus Wissenschaft. Um die Balance zu halten, wie er sagt, widmet er sich in seiner Freizeit der Fotografie und schreibt fiktionale Texte.
    Auf seinem literarischen Blog Franxfiction.com finden sich sogar skurrile Geschichten. Eine handelt beispielsweise davon, wie ein altes Observatorium der Universität Bonn an einen windigen Geschäftsmann verkauft wird, der es in ein Striptease-Lokal verwandelt. Auch da zeigt sich Joachim Franks Steckenpferd, einen scharfen Blick in die Unschärfen der Welt zu werfen.