Archiv

Chemnitzer FC
Ärger um den Neuanfang

Beim Chemnitzer FC scheint es aufwärts zu gehen, denn die Mannschaft ist auf dem Weg zum Wiederaufstieg in die 3. Liga. Nach der vorherigen Pleite gab der der Verein die Gründung einer GmbH bekannt und der Insolvenzverwalter kündigte weitere Schritte zur Sanierung an - das gefällt vielen nicht.

Von Jennifer Stange |
    Fans des Chemnitzer FC während eines Spiels gegen Rot-Weiß Erfurt am 8. April 2018
    Fans des Chemnitzer FC während eines Spiels gegen Rot-Weiß Erfurt am 8. April 2018 (imago sportfotodienst)
    Auf dem heimischen Rasen läuft für den Chemnitzer FC auch am 12. Spieltag der Saison alles bestens. Die Himmelblauen können ihre Siegesserie mit einem 2:0 gegen Wacker Nordhausen fortsetzen – in der Regionalliga Nordost. Das ist offenkundig weit hinter dem, was man sich für den CFC erträumt hatte. Nur etwa ein Drittel der Plätze sind belegt, 15.000 Zuschauer hätten Platz in der 2016 neu gebauten Spielstätte. Mit der Insolvenz im Juni war der Abstieg in die Regionalliga besiegelt.
    Das Auf und Ab sei ganz normal im Fussball, findet Klaus Raithel. Der ehemalige Industriekaufmann im Ruhestand befürchtet jetzt aber, dass sein Verein, der Chemnitzer FC, auseinander gerupft wird.
    Raithel sagt: "Ach wissen Sie, das Problem ist, dass es da kompliziert ist und selbst die Experten, sprich die Rechtsanwälte, nicht wissen, was eigentlich Sache Lehmann ist. Das geht schon los, dass der Insolvenzverwalter der Meinung ist, Insolvenzrecht geht vor Vereinsrecht", Raithel selbst ist anderer Meinung: "Ich sag’, Vereinsrecht geht vor Insolvenzrecht, weil der Verein mehr oder weniger ja für die Fans da ist und die Fans, ich sag' mal so, etwas mehr mitzusprechen hätten. Die bringen ja das Schrot, die bringen das Geld, die bringen die Stimmung, die Atmosphäre."
    "Mitglieder und Fans werden nicht mitgenommen"
    Vereinsromantik. Der Insolvenzverwalter liess keine Zweifel aufkommen: Mit Milionen-Schulden bei Gläubigern ein Luxusgut. Er suspendierte kurzerhand den Aufsichtsratschef und den Vereinspräsidenten des Chemnitzer FC und erteilte ihnen untern anderem für den VIP-Bereich Hausverbot. Für Präsident Andreas Georgi kam das aus heiterem Himmel, sagt er. Bei Spielen steht der Rechtsanwalt und ehrenamtliche Vorsitzende nun wieder da, wo er herkommt, in der Südkurve - Stammplatz der eingefleischten CFC-Fans.
    Georgi sagt: "Wir sind im Januar angetreten als neuer Vorstand, haben eine Situation übernommen, die wir nicht produziert haben, sondern die da war. Wir haben sozusagen die Drecksarbeit gemacht und den Insolvenzantrag gestellt. Und unser Anliegen war, die Mitglieder des Vereins und die Fans mitzunehmen und das passiert gerade nicht und das müsste nicht sein."
    Ein Konkursverwalter setzt naturgemäß andere Prioritäten. Klaus Siemon ist den Gläubigerinteressen verpflichtet und will das Sportunternehmen, wie er den Chemnitzer FC nennt, sanieren.
    Siemon erklärt: "Das ist die originäre Aufgabe des Insolvenzverwalters, dies zu verantworten und da verträgt es sich nicht, wenn da von links und rechts reingeredet wird."
    Deshalb die Hausverbote. Vorstandsvorsitzender Georgi und der Aufsichtsratsvorsitzende klagten dagegen. Übergeordnete Frage in diesem Streit ist: Wo hören die Kompetenzen des Insolvenzverwalters auf und wo hat der Verein noch mitzuentscheiden?
    "Gewinn-Maximierer gegen Sieg-Maximierer"
    Marika Lang, Sprecherin des Chemnitzer Landgerichts sagt: "Das Landgericht hat entschieden, dass es keinen umfassendes Hausverbot für die beiden Vereinsvorstände geben darf, vielmehr ist der Verwalter gehalten, ihnen in Sachen, die den Verein selber betreffen auch Rechte zuzubilligen."
    Insolvenzverwalter Siemon ging in Berufung. Eine Entscheidung steht noch aus. Sportökonom Daniel Weimar von der Universität Duisburg-Essen glaubt, in Chemnitz zeige sich auch ein grundsätzlicher Konflikt.
    Weimar erklärt: "In der Sportökonomie gibt es immer die Gewinn-Maximierer und die Sieg-Maximierer. Fussballvereine waren jahrelang Sieg-Maximierer und auch jeder Freizeitsportler möchte einfach nur gewinnen. Der Insolvenzverwalter muss aber ein Gewinn-Maximierer sein."
    Problem: Ab der dritten Liga ist der Profifussball kaum noch rentabel, so Weimar. Vereinspleiten, vor allen in den unteren Ligen, zeigten dies deutlich. Sechs Traditionsvereine traf es 2017, neben dem CFC erwischte es in diesem Jahr auch Rot-Weiß Erfurt.
    "Starkes mittelständisches Umfeld"
    In Chemnitz gibt es jetzt die gängige Medizin: Die Profi-Abteilung des CFC sowie die A- und B-Jugend wurden in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert. Das soll Investoren anlocken, die Geld in die Kassen spülen.
    Konkursverwalter Siemon sagt: "Ich halte das für durchaus realistisch. Ich habe mit einer Vielzahl der Sponsoren gesprochen, wir haben ein sehr starkes mittelständisches Umfeld in Chemnitz. Wir haben in Chemnitz beispielsweise mehr Einwohner als in Magdeburg, Magdeburg spielt auch in der 2. Liga."
    Da muss man hinwollen, wenn man Gewinne machen will. Ein sportliches Ziel das Investitionen braucht und nicht ohne finanzielles Risiko geht. Deshalb sei Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft für Vereine sinnvoll, sagt Weimar:
    "In der Vergangenheit gab es zahlreiche Insolvenzen, die wirklich den kompletten Verein mit in die Insolvenzmasse gezogen haben. Wenn man hier ein Wirtschaftsmodell betreibt – und das ist Fussball ab der 5. Liga – dann finde ich es schon verantwortungslos nicht in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern und nur zu hoffen, dass nichts passiert."
    Vierte Liga als Maximum?
    Noch gibt es Lücken im Budget des Sanierungsplans für den CFC. Insolvenzverwalter Siemon setzt auf finanzielle Unterstützung durch die Stadt, alternativ sollen die Eintrittsgelder um 75 Prozent erhöht werden. Eine Privatisierung sei eben auch keine Zauberpille warnt Sportökonom Weimar:
    "Man muss sich ein realistisches Konzept setzen. Wo kann ich mit dem Marktpotential in Chemnitz hin, um mich da langfristig zu etablieren? Und da bin ich wahrscheinlich bei vierter Liga schon fast am Maximum angelangt in den aktuellen Kostenstrukturen."
    Um die Frage, wo die sportliche Reise hingehen soll, kann es also durchaus Diskussionen geben. In Chemnitz eskaliert die Sache seit Monaten zwischen Verein und Insolvenzverwaltung. Es gab nicht nur Rauswürfe sondern auch Rücktritte. Aus Protest, weil keine inhaltliche Auseinandersetzung möglich gewesen sei, schrieb ein Mitglied des CFC Ehrenrats in seiner Erklärung. Das frustriert auch den Vereinsvorsitzenden Georgi.
    Spieler des Chemnitzer FC und des Berliner AK halten vor Beginn des Spiels ein Banner mit der Aufschrift "Gemeinsam für demokratische Grundwerte und Fairplay".
    Spieler des Chemnitzer FC und des Berliner AK halten vor Beginn des Spiels ein Banner mit der Aufschrift "Gemeinsam für demokratische Grundwerte und Fairplay". (Robert Michael/dpa-Zentralbild)
    "Wenn ich sozusagen von Demokratie von Mitbestimmung, von diesen ganzen großen Dingen rede und dann aber sage, ich mach was ich will, ohne die Menschen miteinzubeziehen, dann finde ich das nicht in Ordnung."
    Eine Anspielung: Weiße Banner mit himmelblauer Schrift, die von offizieller Seite nach den Ausschreitungen im August im Chemnitzer Stadion aufgehängt wurden, werben für Freiheit, Fairness, Demokratie.