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Chemotherapie
Kühlkappe gegen Haarausfall

Wer an Krebs leidet, bekommt nach der OP häufig auch eine Chemotherapie - und verliert infolgedessen seine Haare. Mit dieser Folgeerscheinung der Chemotherapie ist jetzt Schluss. Eine Kühlkappe, die während der Therapie auf dem Kopf getragen wird, kann den Haarausfall deutlich mindern.

Von Michael Engel |
    Haube des medizinischen Geräts "DIGNITANA" zur Kopfhautkühlung während einer Pk in der Medizinischen Hochschule in Hannover
    Die Chemo soll den Tumor vernichten, häufig verliert der Patient aber auch die Haare. (dpa / picture alliance / Peter Steffen)
    Sabine Giermann hat die Chemotherapie erfolgreich überstanden. Und sie musste sich niemandem erklären. Ihr dichtes, blondes Haar blieb auf dem Kopf.
    "Das Ergebnis war unglaublich. Ich hab mich wohlgefühlt. Ich konnte nach draußen gehen. Ich hatte meine sozialen Kontakte und das war viel, viel wert. Man kann das gar nicht in Worte fassen, wie wichtig es ist, dass man normal weiterleben kann, wenn man die Diagnose Krebs bekommt. Weil man nach außen hin nicht sichtbar als kranker Mensch herumlaufen muss, dann ist das ein Gewinn, absolut."
    Nur 25 Prozent ihrer Haare gingen im Verlauf der 18 Chemotherapie-Behandlungen verloren. Selbst für sie als Betroffene ein kaum merklicher Verlust.
    Möglich ist das Ergebnis durch DigniCap, eine Koffer große Maschine auf Rollen. Das Kühlaggregat versorgt eine Kühlkappe über ein Schlauchsystem mit Kühlflüssigkeit, so die Produktmanagerin Danika Ziegener.
    "Dieses Gerät hilft uns aufgrund der Silikonkappe, die ein sehr weiches Material hat und somit auch bei einer gewissen Kühle nicht hart wird und dem Patienten weh tut, dass eine Kühlflüssigkeit durch diese Silikonkappe läuft und dem Patienten die Kopfhaut auf fünf Grad runter kühlt."
    Sechs Stunden lang bleibt die Kühlkappe auf dem Kopf - solange die Chemotherapie läuft. Die Kälte ist wichtig, damit das Krebsmittel nicht an die Haarwurzeln gelangt, erklärt Professorin Tjoung-Won Park-Simon aus der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover.
    "Die Kühlung führt dazu, dass während der Chemotherapie die Blutgefäße, die zu den Haarwurzeln führen, eng gestellt werden. Und durch die Engstellung wird einfach weniger Chemotherapeutikum an die Haarwurzel geführt. Und selbst das Bisschen, was an Chemotherapie dort hinein gelangt, kann dort nicht wirken oder wirkt viel schlechter, so dass insgesamt der Haarverlust deutlich reduziert werden kann."
    DigniCap, die Kühlhaube, wurde in Hannover bei nur wenigen Frauen mit Diagnose Brustkrebs eingesetzt. Das Gerät gibt es seit über zehn Jahren und wird heute in vielen Ländern verwendet, nach Angaben des Herstellers bei mehreren Tausend Patientinnen. Der Haarverlust liegt im Mittel bei 30 Prozent, sofern eine Standardtherapie erfolgt. Sind höhere Dosen erforderlich - bei aggressiven Tumoren – reicht die Kühlung nicht mehr aus: Dann gehen deutlich mehr Haare verloren. 70 Prozent der Frauen, so eine Umfrage der Medizinischen Hochschule Hannover, würden sich für DigniCap entscheiden. „Es gibt kein Stigma mehr", sagt Dr. Sophia Holthausen-Markou, Oberärztin für gynäkologische Psychosomatik.
    "Frauen können sich entscheiden, wem wollen sie es mitteilen. Wen wollen sie außen vorlassen damit, können für sich erst mal in diesen schwierigen Bewältigungsprozess gehen."
    Mittlerweile wird DigniCap auch in Deutschland an verschiedenen Kliniken, darunter in Berlin, München und Herne – vereinzelt auch in niedergelassenen Praxen wie in Bochum angeboten. Neben der Indikation Brustkrebs gibt es positive Erfahrungen auch bei Patientinnen mit Eierstockkrebs. Inwieweit Betroffene mit anderen Krebsarten profitieren können, wird die Zukunft zeigen. Auch, wie die Krankenkassen reagieren. 1.600 Euro – die Kosten der begleitenden Therapie – müssen derzeit von den Betroffenen bezahlt werden. Krankenkassen geben derzeit lediglich Zuschüsse – aber nur für Perücken!
    "Ich denke, dass das Verfahren jetzt einfach eine größere Verbreitung finden muss. Und dass dann auch der Moment da ist, wo man mit den Krankenkassen sicherlich noch mal verhandeln kann."