Georg Ehring: Welch eine Karriere: Kokosfett war früher bekannt als Plattenfett zum Braten, pflanzlich aber mit einem hohen Anteil gesättigter Fettsäuren. Heute macht es Karriere als "Superfood": Es soll die geistige Leistungsfähigkeit erhöhen, den Cholesterinspiegel senken, und sogar gegen Alzheimer vorbeugen.
Die baden-württembergische Sektion der Deutschen Gesellschaft für Ernährung redet heute bei einer Tagung in Stuttgart-Hohenheim über dieses und andere Lebensmittel, die als Superfood gelten und ich vor dieser Sendung mit Professor Achim Bub vom Max Rubner-Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung in Karlsruhe darüber gesprochen und ich habe ihn gefragt, ob Kokosfett wirklich gesünder ist, als wir es früher dachten.
Achim Bub: Am Stellenwert des Kokosfetts in der Ernährung hat sich nichts Wesentliches geändert. Kokosfett wurde früher schon vor 20, 30 Jahren in der Küche benutzt und wird heute genauso noch benutzt. Zusätzliche gesundheitliche Wirkungen konnten zwischenzeitlich allerdings für Kokosöl oder Kokosfett nicht wesentlich nachgewiesen werden.
Ehring: Das heißt: Das, was ich da gerade alles zitiert habe, gehört ins Reich der Märchen?
Bub: Es ist vieles an Spekulationen, die sehr schnell im Internet verbreitet werden. Aber wissenschaftlich fundierte Daten hierzu gibt es beim Menschen nicht, die einen Zusatznutzen von Kokosfett tatsächlich belegen würden.
Ehring: Haben Sie denn dann eine Erklärung, warum so etwas so boomt?
Bub: Ich denke, das hängt mit dem Wunsch nach Gesundheit, mit dem allgemeinen Wunsch nach Gesundheit zusammen, mit leicht verfügbaren Lebensmitteln, oder auch im speziellen Lebensmitteln, die einen exotischen Touch haben, jetzt neu aufgearbeitet werden. Da gibt es ja viele Beispiele und Kokosfett ist nur eines davon.
"Es gibt eigentlich nichts, was wir aus irgendeinem speziellen Superfood bräuchten"
Ehring: Wir haben es angesprochen: Es gibt viele Beispiele, Chiasamen, Gojibeeren, Algen. Ist denn da etwas bei, wo Sie sagen würden, ja, das enthält Dinge, die wir brauchen und zu wenig zu uns nehmen?
Bub: Die gerade von Ihnen angesprochenen Lebensmittel, die könnten wir durch einheimische Lebensmittel bequem ersetzen. Sie haben nicht mehr oder nicht besondere Inhaltsstoffe, wie wir sie auch in vielen konventionellen Lebensmitteln finden. Insofern gibt es eigentlich nichts, was wir explizit aus irgendeinem speziellen Superfood bräuchten, sofern wir uns an eine abwechslungsreiche Ernährung halten.
Ehring: Die Werbung hinter vielen Superfood-Varianten lautet ja, die enthalten besondere Nährstoffe, enthalten mehr Mikronährstoffe, mehr sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe oder Ähnliches. Haben wir da einen Mangel in der normalen Ernährung? Müssen wir darauf achten?
"Sie finden immer eine günstigere Alternative"
Bub: Wir haben in Deutschland, was diese Stoffe betrifft, genau genommen unzureichende Zahlen, was jetzt die Versorgungslage betrifft. Aber, muss ich gleich anfügen, für die gesundheitliche Bewertung einer Ernährung spielen solche einzelnen Stoffe keine Rolle.
Entscheidend und damit auch, um solche Informationen mit einem gesundheitlichen Nutzen in Verbindung zu bringen, ist die Aufnahme von Lebensmitteln, nicht von einzelnen sekundären Pflanzenstoffen, von einzelnen Fettsäuren oder anderen Einzelsubstanzen aus irgendwelchen speziellen exotischen Früchten oder Lebensmitteln. Das heißt, es kommt immer auf die Mixtur der Lebensmittelauswahl an.
Ehring: Das heißt, die Preise, die da verlangt werden, das ist auch Beutelschneiderei?
Bub: Sie bezeichnen es jetzt als Beutelschneiderei. Man könnte es auch als Angebot von Vielfalt bezeichnen. Ich möchte das jetzt nicht explizit verteufeln. Aber Sie kriegen im Vergleich zu Chiasamen auch eine günstigere Alternative mit Leinsamen zum Beispiel, oder bestimmte andere Öle, Rapsöl zum Beispiel, und insofern - und das könnten wir jetzt auf andere Superfood- oder konventionelle Lebensmittel erweitern - finden Sie immer eine günstigere Alternative. Aber noch mal: Das einzelne Lebensmittel oder der spezielle Inhaltsstoff, der dann propagiert wird, der allein macht die Gesundheit nicht aus. Es kommt auf die Auswahl an.
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