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"Chibok-Mädchen" in Nigeria
Seit fünf Jahren in den Klauen von Boko Haram

Vor fünf Jahren wurden im Nordosten Nigerias Schülerinnen von der Terrormiliz Boko Haram entführt. Das Aufsehen war weltweit groß. Nachdem Nigerias Regierung mit den Terroristen verhandelt hatte, kehrten 107 der jungen Frauen zu ihren Eltern zurück. Aber 112 sind nach wie vor verschleppt.

Von Jens Borchers |
Wiedersehen eines "Chibok-Mädchens" mit seinen Angehörigen
Wiedersehen eines "Chibok-Mädchens" mit seinen Angehörigen (picture alliance / dpa / Olamikan Gbemiga)
Das war einer der besten Tage im 5-jährigen Drama um die entführten Chibok Schülerinnen. 82 freigelassene junge Frauen sitzen im Mai vor zwei Jahren in einem Saal des Präsidenten-Palastes in Nigerias Hauptstadt Abuja. Die Fernsehbilder von diesem Empfang zeigen müde Gesichter. Starr und mit leerem Blick sitzen viele Schülerinnen dort, während ihnen Versprechungen gemacht werden:
"Wir werden das Beste für sie tun, was wir können", sagte eine Ärztin im Namen der Regierung, "und das wird das Beste sein, was sie auf der Welt bekommen können."
Die jungen Frauen schweigen. Nigerias Regierung hat angeblich fünf Boko Haram-Kommandeure freigelassen und etwa drei Millionen Euro an die Terrormiliz gezahlt.
Das war der Preis, um die 82 jungen Frauen frei zu bekommen. Offiziell bestätigt wurde das natürlich nie. Zuvor waren schon 21 Schülerinnen befreit worden, andere konnten fliehen.
Schwarze Frauen sitzen in Stuhlreihen hintereinander
Starr und mit leerem Blick: Im Oktober 2016 wurden 21 der "Chibok Girls" aus den Klauen von Boko Haram freigelassen (Philip OJISUA / AFP)
Aktivistin: Politik hat die Chibok-Mädchen vergessen
Jetzt sind immer noch 112 ehemalige Schülerinnen in der Gewalt der Terrormiliz Boko Haram. Und immer noch treffen sich täglich Mitglieder der Initiative "Bring back our girls" in Abuja zu einem "sit out". Sie wollen die Erinnerung an die Frauen wach halten. Aber was wissen sie über ihr Schicksal? Fatima Abba Kaka von "Bring back our girls" sagt:
"Ganz ehrlich - nichts! Wir bekommen keine Informationen vom Militär oder von der Regierung. Niemand sagt etwas. Totale Stille."
Fatima Abba Kaka macht Nigerias Regierung bittere Vorwürfe, ihr Eindruck ist, die Politik habe die Chibok-Mädchen vergessen.
Ob etwas im Hintergrund passiert, um die jungen Frauen aus den Händen der Terrormiliz zu befreien, ist nicht bekannt. Viele sagen, Nigerias Regierung habe zu wenig getan, um die Chibok-Mädchen zu retten.
Ein maskierter Mann hält ein Schild mit der Aufschrift , in dem Hintergrund der Eiffelturm.
Die Kampagne "Bring back our girls" ging 2014 um die Welt (dpa/picture alliance/©francois Lafite/Wostok Press)
Einige Chibok-Mädchen leben mittlerweile in den USA
Adoabi Nwaubani sagt, das sei nicht fair. Sie hat lange recherchiert und schließlich ein Buch über deren Schicksal geschrieben. Nwaubani meint, die Bring back our girls-Kampagne habe gewirkt. Vor und nach der Chibok-Entführung seien schon tausende andere Mädchen verschleppt worden. Durch "Bring back our girls" habe die Regierung reagiert:
"Dadurch war die Regierung gezwungen, gegen Boko Haram vorzugehen und diese vergessenen Mädchen wurden gerettet."
Diese geretteten Frauen und Mädchen haben sexuelle Gewalt, militärische Auseinandersetzungen und Gefangenschaft erlebt. Einige Chibok-Mädchen leben mittlerweile in den USA, können dort die Schule besuchen, manche studieren.
Andere sind zurückgekehrt nach Chibok, in ihr Heimatdorf, und versuchen dort wieder in ein normales Leben zurückzufinden. So gut es irgendwie geht.