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Chile
Enttäuschung bei Opfern der Colonia Dignidad

Als Arzt soll Hartmut Hopp Siedlerkinder der ehemaligen deutschen Sekte Colonia Dignidad in Chile sexuell missbraucht haben. Nun wurde das Verfahren gegen ihn in Deutschland eingestellt. Für seine mutmaßlichen Opfer kaum zu ertragen. Sie fühlen sich auch von der Politik "in die Ecke geschmissen".

Von Anne Herrberg |
Angehörige von Colonia Dignidad-Opfern halten 2016 Schilder mit Fotos hoch
Angehörige von Colonia Dignidad-Opfern demonstrieren 2016 in Chile (dpa / epa / Benjamin Hernandez)
Es waren Tage voller Hiobsbotschaften für Horst Schaffrik und andere Opfer der Colonia Dignidad. Zuerst die Nachricht, dass die deutsche Justiz das Verfahren gegen Hartmut Hopp eingestellt hat – der Arzt, der ihn und andere Siedlerkinder der einstigen deutschen Sektengemeinde jahrelang mit teils abgelaufenen Pillen vollgestopft und gepeinigt hat – in Chile wurde Hopp 2011 wegen Beihilfe zur Vergewaltigung und zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt, er floh nach Deutschland, dort lebt er unbehelligt in Krefeld.
"Das ist eine unglaubliche Gemeinheit, wir sind total, aber total am Boden hier. Also uns hat niemand jemals als Zeugen gerufen, die wir hier 20, 30 Jahre drogiert waren, also mit Schlafmitteln getrieben wurden wie Sklaven, Kinder von zehn Jahren. Das sind Verbrechen, die hier im Krankenhaus, wo Hopp zuständig war, an den Kindern vollbracht wurden.
Terrorregime statt musterdeutscher Idylle
Horst Schaffrik wurde in die Colonia Dignidad hineingeboren, die deutsche Sektenkolonie wurde 1961 vom pädophile Laienprediger Paul Schäfer in den chilenischen Anden gegründet. Nach Außen eine musterdeutsche Idylle, in Wahrheit ein Staat im Staate, ein brutales Terrorregime. Auch Astrid Tymm schuftete dort von klein auf, Sklavenarbeit ohne Lohn. Die deutsche Botschaft wusste davon und tat nichts, sagt sie:
"Sie haben ja mitgemacht, nicht nur weggeschaut. Sie haben alles gewusst, seit 1966, wo die ersten Fluchten waren, die haben alles ausgesagt. Dass die Kinder misshandelt werden, zur Arbeit rangezogen und ganz schlimm geschlagen werden. Und der deutsche Staat hat's gewusst. Und heute wollen sie ihre Augen wieder verschließen, das schreit gegen den Himmel, was sie tun, wir sind so empört."
"Das reicht zum Begräbnis aber nicht zum Überleben"
Astrid Tymm bezieht sich auf den zweiten Schock der Woche. Eine Nachricht, die die SWR-Investigativredaktion veröffentlichte. Demnach sei Deutschland zu einer einmaligen Entschädigungszahlung von 5000 Euro bereit, sowie der Bereitstellung eines Hilfsfonds für Härtefälle. Die Grünen-Politikerin Renate Künast, die sich gemeinsam mit Matthias Bartke von der SPD und Michael Brand, CDU, seit Jahren für die Opfer der Colonia Dignidad einsetzt, erklärte dagegen gegenüber der ARD, es gäbe noch keine Einigung mit der Bundesregierung über das Hilfskonzept. Doch bei den Überlebenden der Colonia Dignidad wächst der Frust.
"Ich hab schon gesagt: Mensch, das reicht zum Begräbnis aber nicht zum Überleben. Es ist so bitter und auch wirklich enttäuschend, dass einmal jetzt schon so viel Zeit verronnen ist. Das kann ich nicht vertragen, das tut mir weh und dann fühlt man sich nur in die Ecke geschmissen von Deutschland."
Wo ist das Geld geblieben?
Doris Gert Bennecke leidet an Epilepsie seit sie als Kind von Paul Schäfer gegen eine Wand geschleudert wurde – sie kann nicht arbeiten, ihr Mann ist ebenfalls krank, es reicht gerade so zum Überleben. Die Colonia-Führung machte damals dagegen ein Vermögen – nicht nur mit Zwangsarbeit auch mit Waffenhandel und Rentenbetrug. Bis heute ist nicht klar, wo all das Geld verblieben ist. Horst Schaffrik:
"Wir fordern eine Gesundheitshilfe ab jetzt, wo wir total körperlich verbraucht sind und die Generation, die als Kinder hierherkamen, dass die eine würdige Altersrente bekommen."
Horst Schaffrik lebt und arbeitet noch auf dem Gelände der Colonia, die sich heute als Freizeitdorf Vila Baviera dem Tourismus widmet. Hohn nennt Schaffrik, das. Er distanziert sich davon, doch weg kann er nicht: seine Parzelle gehört ihm nicht, sondern immer noch der Colonia. Er darf sie nicht verkaufen. Wir sind noch heute Sklaven des Systems Schäfer, sagt der 61-Jährige verbittert. Und das, sowie die Rolle Deutschlands dabei, ist noch lang nicht aufgearbeitet.