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Chile vor den Wahlen
Frust im Vorzeigeland

Knapp 20 Jahre nach dem Ende der Diktatur scheint die junge Demokratie in Chile stabil, die Wirtschaft wächst und der Lebensstandard ist gestiegen. Doch die strahlende Fassade bröckelt - und dahinter macht sich zunehmend Unzufriedenheit breit: Chile leidet unter gravierender sozialer Ungleichheit.

Von Anne Herrberg |
    Neue Bürgerbewegung von links - die Frante Amplio versteht sich als Alternative zum traditionellen Parteiensystem
    Bürgerbewegungen wie der Frente Amplio fordern einen grundlegenden Wandel - und ein gerechteres Sozialsystem (Deutschlandradio / Anne Herrberg)
    Drei Schritte zum Rednerpult, eine schwungvolle Unterschrift, dann hält Michelle Bachelet die dunkelblaue Akte stolz dem geladenen Publikum im Innenhof des Moneda-Palastes entgegen, sie nickt und strahlt in die Kameras und winkt in die Menge.
    "Vielen Dank an alle, die uns an diesem Tag unterstützen. Darauf haben die Frauen in Chile seit langem gewartet. Heute unterzeichnen wir - endlich! - das Gesetz, das es Frauen erlaubt, selbst über ihren Körper und ihre Schwangerschaft zu entscheiden - in drei entscheidenden und menschlich schwierigen Fällen."
    Chilenen sind unzufrieden
    Bei Gefahr für das Leben des Ungeborenen, der Mutter oder nach Vergewaltigungen sind Schwangerschaftsabbrüche nun auch in Chile erlaubt. Es war ein zähes Ringen, der Widerstand von Kirche und Konservativen enorm. Doch nun, kurz vor Ende von Bachelets Amtszeit, ist die Lockerung des absoluten Abtreibungsverbotes in Kraft: Es war ein zentrales Wahlversprechen der inzwischen 66-jährigen Sozialistin, ausgebildeten Ärztin und ersten Frau an der Spitze dieses erzkonservativen Landes.
    "Ohne Zweifel: Heute ist Chile ein besseres Land geworden. Vielen Dank!"
    Der Applaus tut ihr gut. Michelle Bachelet, die bereits von 2006 bis 2010 regiert hat, darf zwar nicht wieder antreten. Doch geht es in diesen Tagen auch um ihr politisches Erbe. Chile, hatte sie den Wählern zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit vor vier Jahren angekündigt, sollte nicht nur wirtschaftlich blühen, sondern auch moderner werden, weltoffener und sozial gerechter: Das Bildungs- und Rentensystem sollten grundlegend reformiert und eine neue Verfassung erarbeitet werden - die jetzige stammt noch aus den Zeiten der Pinochet-Diktatur. Doch die Bilanz ist mau. Glaubt man den Umfragen, so sind heute 70 Prozent der Chilenen unzufrieden mit ihrer Politik - den einen war sie zu forsch, den anderen zu träge.
    Hoffnung auf einen Hafen - und Touristen
    Knapp 100 Kilometer von Santiago entfernt: Wie ein riesiger, eisblauer Spiegel breitet sich der Pazifik vor San Antonio aus. Am Horizont die Lastkräne des Industriehafens. In der ausladenden Bucht liegen große Frachtkähne neben schaukelnden Fischerbooten und der Glasfront des neuen Shopping-Centers. Davor, am Pier, der alte Fischmarkt. Seehunde und Pelikane lümmeln sich auf den von der Sonne gewärmten Felsen.
    San Antonio: In der Bucht am Pazifik soll der größte Container-Hafen Zentralchiles entstehen
    San Antonio: In der Bucht am Pazifik soll der größte Container-Hafen Zentralchiles entstehen (Deutschlandradio / Anne Herrberg)
    "Se siente, man spürt es, Guillier wird Präsident", ruft voller Optimismus das Grüppchen, das sich bewaffnet mit Flaggen und Flyern der Regierungskoalition "Nueva Mayoria" zwischen Marktständen vorwärts schiebt. Wahlkampf zwischen Sardinen, Kabeljau und Krustentieren. Alejandro Guillier ist offizieller Nachfolgekandidat der aktuellen Regierungskoalition.
    "Der Hafen von San Antonio wird zum größten Containerhafen in Zentralchile ausgebaut und besser vernetzt, das wird nicht nur den Handel in Schwung bringen, sondern auch den Tourismus und den Dienstleistungssektor."
    Der 64-jährige Soziologe mit grau melierten Schläfen weiß, was die Wähler hier an der Küste umtreibt - der Hafenausbau ist seit 2009 geplant, gemeinsam finanziert von Staat und privaten Investoren. Doch das Megaprojekt ist ins Stocken geraten, parallel zum Wirtschaftswachstum. Es sank von den gewohnten Rekordraten von fünf Prozent auf nur mehr zwei Prozent. Die Exporte sind eingebrochen, Investitionen ausgeblieben und die Arbeitslosigkeit gestiegen. Guillier sagt:
    "Unser Problem ist, dass wir hauptsächlich Rohstoffexporteure sind. Unsere Wirtschaft hängt stark von den Schwankungen der Weltmarktpreise für Kupfer und unserer anderen Exportprodukte ab. Das ist ein strukturelles Problem: Der Schlüssel liegt in der Bildung und in der Diversifizierung. Lösungen haben wir auf den Weg gebracht."
    "Der versteht was vom Geschäft"
    Es stimmt: Reformen wurden angestoßen, doch vieles blieb Stückwerk. In der einstigen Hochburg der Linken glauben viele den Versprechen der Regierung nicht mehr. Auch Jonathan Varas nicht. Drei Lastwagen, fünf Angestellte und einen unbezahlten Kredit hat er, seiner kleinen Logistikfirma sind in den letzten Jahren 20 Prozent der Aufträge weggebrochen.
    "Diese Regierung war nicht gut für die Wirtschaft, es gab weniger Exporte, nun haben die am Hafen auch noch gestreikt. Ich habe eine Familie zu ernähren, muss meine Rente und die Kredite abbezahlen. Wir brauchen mehr Arbeit und nicht nur schönes Gerede. Ich vertraue da mehr auf Piñera, der versteht wenigstens was vom Geschäft und weiß, wie man Investitionen und Kapital anlockt."
    Verspricht bessere Zeiten für Chile: Ex-Präsident Sebastian Piñera gilt als Gewinner-Typ
    Verspricht bessere Zeiten für Chile: Ex-Präsident Sebastian Piñera (Deutschlandradio / Anne Herrberg)
    Zumindest hat er die besten Aussichten. Sebastián Piñera - weltweit bekannt geworden zu Beginn seiner ersten Präsidentschaft 2010, als er mit Helm und viel Pathos an der Grube von San José stand und 33 verschüttete Bergleute persönlich empfing. Heute hat er die Kameras auf den Stadtberg Cerro San Cristóbal geladen, eine grüne Oase über der hektischen Hauptstadt.
    "Wir befinden uns an einem sehr wichtigen Ort für Santiago. Seit Jahrhunderten hat er den Reisenden den Weg gewiesen. Die Mapuche-Ureinwohner nannten ihn Tupáhue, den Wächter-Berg."
    Am Horizont die schneebedeckten Andengipfel, unten im Tal die Glasfronten der Geschäfts- und Restaurantviertel mit dem 300 Meter hohen Gran Torre Santiago, dem größten Wolkenkratzer Südamerikas. Eine Art Phallussymbol der chilenischen Boomjahre, für die auch Piñera steht. Nun gilt der rechtskonservative und steinreiche Unternehmer wieder als aussichtsreichster Kandidat. Heute stellt er ein Projekt zum Tierschutz vor.
    "Wie Ghandi schon sagte: Man kann eine Gesellschaft daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt."
    Piñera - immer auf der Gewinnerseite
    Der Golden Retriever, dem er für die Kameras übers Haupt kraulen will, wendet sich knurrend ab. Und Piñera macht sich daran, die Vorgänger zu kritisieren.
    "Diese Regierung hat wirtschaftlich unverantwortlich und inkompetent gearbeitet. Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung sind hoch, das schreckt Investoren ab. Chile ist wie ein Auto mit festgezogener Handbremse, wir müssen wieder den Weg des Fortschritts und der Entwicklung einschlagen. Das bedeutet nicht nur wirtschaftliches Wachstum. Es bedeutet auch, als Land zusammenzustehen, dass es mehr Sicherheit gibt und wir gegen Gewalt und Kriminalität vorgehen. Es bedeutet aber auch, keinen Missbrauch zu dulden und die Schwächsten zu unterstützen."
    Piñera ist katholisch-konservativ, aber kein Ideologe, sondern eher ein pragmatischer Geschäftsmann: Elite-Schule, Promotion in Harvard, er hielt Anteile an der größten chilenischen Fluggesellschaft, einem TV-Sender und ist bis heute am populären Fussballclub "Colo Colo" beteiligt. Den Grundstein zu seinem Vermögen legte er während der Pinochet-Diktatur - unter anderem mit der Einführung von Kreditkarten. Politisch ging er auf Distanz zu den Militärs, stimmte beim Referendum 1988 öffentlich gegen den Verbleib Pinochets im Amt.Piñera ist einer, der immer auf der Gewinnerseite steht - dafür bewunderten ihn viele, sagt Wirtschaftsphilosoph Eugenio Yañez.
    Santiago von seiner glitzernden Seite
    Schöner Schein? Santiago von seiner glitzernden Seite (Deutschlandradio / Anne Herrberg)
    "Unser neoliberales Modell sagt uns, dass Erfolg ausschließlich wirtschaftlich messbar ist. Alles ist Wettbewerb, du musst ein "Winner" sein, das ist, was zählt. Und wenn du das Geld gerade nicht hast, dann zahlst du eben in Raten. Wenn eine Kreditkarte gesperrt ist, wird die nächste belastet - und so weiter. Dafür gibt es ein eigenes Wort: das Fahrradprinzip. 80 Prozent der Chilenen sind verschuldet."
    Neoliberalismus - Erbe der Diktatur
    In Chile regiert der Kapitalismus stärker als anderswo - auch das ist ein Erbe der Militärdiktatur Augusto Pinochets. 1973 sollte nicht nur die sozialistische Regierung von Salvador Allende ausgelöscht werden, sondern auch ihre Idee von Umverteilung und sozialer Gerechtigkeit. Die Chicago Boys, chilenische Anhänger des US-Ökonoms Milton Friedman, sorgten für die Privatisierung nahezu aller Wirtschaftsbereiche und reduzierten die Rolle des Staates auf ein Minimum. Chile wurde zu einem Experiment des Neoliberalismus, weit über das Ende der Diktatur 1990 hinaus. Und es galt damit lange als Vorzeigeland Südamerikas: Keiner der Nachbarstaaten ist in den letzten 25 Jahren so sehr gewachsen. Unternehmen schwören auf den sicheren Investitions-Standort, Inflation und Arbeitslosigkeit waren gering. Doch heute sagen selbst Konservative wie der Wirtschafts-Philosoph Yañez:
    "Wenn eine Metapher erlaubt ist: Für mich ist Chile wie ein schönes und bunt angestrichenes Haus. Wenn man von außen draufblickt, scheint alles perfekt. Aber drinnen sieht es ganz anders aus."
    Chile ist der OECD-Staat mit der größten sozialen Ungleichheit. Heute besitzt ein Prozent mehr als ein Drittel des Reichtums des Landes. Während 14 von Hundert Chilenen unter der Armutsgrenze leben. Als Mittelschicht gilt dagegen bereits, wer den staatlichen Mindestlohn von umgerechnet rund 330 Euro verdient - bei Lebenshaltungskosten ähnlich der in Deutschland. Davon kann niemand leben.
    Ein klapperndes Wellblech als Dach, eine aus Paletten, Planen und alten Türen zusammengezimmerte Wand, die Straße im Sommer staubig, im Winter matschig. Statt eines Autos gilt hier schon ein Pferdekarren als Luxus - das ist der Alltag von Gloria Gonzalez. Sie lebt weit weg vom glitzernden Zentrum Santiagos: in Las Islas am Stadtrand.
    Prekäre Armensiedlungen ohne Strom
    "Ich bin hier hergekommen, weil ich nirgendwo sonst hinkonnte. Wir lebten auf einer Parzelle, der Besitzer starb - und wir mussten gehen."
    Eine Mietwohnung kann sich Gloria Gonzalez von ihrem Putzfrauenlohn nicht leisten. Wie rund 120.000 Menschen im 17 Millionen-Einwohnerland Chile lebt sie nun in einem Campamento, wie diese prekären Armensiedlungen genannt werden. Ohne fließendes Wasser, der Strom wird abgezwackt, der Müll selbst verbrannt. Seit zehn Jahren wartet Gloria nun schon auf eine Sozialwohnung, für die sie der angrenzenden Gemeinde bereits eine Anzahlung leisten musste. Tag und Nacht hat sie dafür geschuftet. Nun leidet die 56-Jährige unter Faser-Muskel-Schmerzen - das hatte gerade noch gefehlt.
    "Wenn jemand krank wird, muss man Wunder vollbringen. Eine private Sprechstunde kann ich mir nicht leisten, und im öffentlichen System halten sie dich am Leben. Mehr nicht. Die Wartezeiten sind ewig lang. Mein Vater zum Beispiel hatte Prostatakrebs, aber er ist gestorben, bevor er einen Termin beim Spezialisten bekam. Die Leute sterben im Wartezimmer, das ist eine Schande."
    Chile ist eines der wenigen Länder weltweit, das sein Sozialversicherungssystem fast vollständig privatisiert hat: Gesundheit, Bildung und auch die Renten - alles ist ein Geschäft, daran haben auch die angestoßenen Reformen der Regierung Bachelet wenig verändert. An den horrenden Gebühren verdienen vor allem die Banken. Wer sich nicht selbst helfen könne, rutsche ab, sagt Gloria - der Wind trägt die Musik eines Gottesdienstes herüber, besonders evangelikale Gemeinden haben hier am Stadtrand Zuwachs.
    Korruption und Vetternwirtschaft blühen
    Die Politiker schaufelten sich doch ohnehin nur in die eigene Tasche, schimpft auch ihre Nachbarin Pamela Aucares. Zuletzt wurden immer mehr Korruptionsfälle bekannt. Sechs bis acht Familienkonzerne, die die chilenische Wirtschaft quasi unter sich aufgeteilt haben, haben Politiker jeglicher Couleur geschmiert. Selbst Bachelets eigener Sohn war in einen Skandal um Vetternwirtschaft verwickelt. Gloria und Pamela schütteln den Kopf. Das Vertrauen in die Politik haben sie längst verloren.
    Die Mächtigen wollen nicht, dass wir Armen eine Chance bekommen' - Pamela Araucares aus Las Islas
    Pamela Araucares aus Las Islas (Deutschlandradio / Anne Herrberg)
    "In diesem Land geben die Mächtigen uns armen Familien keine Chance. Unsere Kinder sollen sich nicht weiterentwickeln, seien wir doch mal ehrlich. Weil sie Angst davor haben, dass die Armen aufsteigen. Denn sie brauchen uns doch als billige Arbeitskräfte, denen sie einen Hungerlohn zahlen können, während sie sich einen schönen Lenz machen. Und wenn du dein Recht einforderst, dann schmeißen sie dich raus."
    Proteste und Bürgerbewegung ändern nichts
    Gonzalo Winter hat sich Wasserwerfern, Tränengas und Polizeiknüppeln entgegengestellt - wie viele andere Studenten auch, die seit 2011 für kostenlose Bildung und ein gerechteres Sozialsystem protestieren. Gonzalo ist 30, hat Jura studiert, auf den vierstelligen Kredit, den er aufnahm, um die umgerechnet fast 5.000 Euro pro Semester zahlen zu können, gab es sechs Prozent Zinsen. Er ist bis heute verschuldet - dazu kommen die monatlichen Beiträge für die private Rente.
    Deswegen steht Gonzalo heute mit 50 anderen Freiwilligen, mit Pauken und Trompeten vor dem Präsidentenpalast La Moneda - Dreh für einen Wahlkampfspot des "Frente Amplio", einer Bürgerbewegung, die die Regierungskoalition von links herausfordert. Gonzalo kandidiert fürs Parlament.
    Parlament statt Straßenproteste: Gonzalo Winter will 'von innen heraus' etwas verändern
    Gonzalo Winter will 'von innen heraus' etwas verändern (Deutschlandradio / Anne Herrberg)
    "Der Frente Amplio ist aus den Bürgerprotesten der letzten Dekade gegen dieses System hervorgegangen. Wir haben alle genug von der Art, wie Politik bisher betrieben wird. Aber trotz jahrelanger Proteste sind die Gesetze die gleichen geblieben. Es gab zwar einige Reformen, aber die einzigen, die einen grundlegenden Wandel fordern, sind wir. Wenn man gegen die Strukturen kämpfen will, dann innerhalb der Institutionen."
    Mitte-Links-Parteien zersplittert
    Seit Ende der Militärdiktatur stehen sich in Chile nur zwei große Parteienbündnisse gegenüber. Auf der einen Seite die rechtsgerichteten Konservativen - auf der andere die Concertación, was wörtlich übersetzt "Absprache" bedeutet. Daraus wurde ab 2013 Michelle Bachelets Mitte-Links-Koalition Nueva Mayoria, die "Neue Mehrheit". Das Bündnis - in dem von Christdemokraten bis Kommunisten ein enormes Spektrum vertreten war, erwies sich als träge und ist zerstritten - so haben sich die Christdemokraten mit einer eigenen Kandidatin abgespalten.
    "Die Concertación und ihr Nachfolger, die Nueva Mayoria, waren das erfolgreichste politische Projekt der Demokratie. Sie haben die Stabilität garantiert, aber eben auch ein Fortbestehen der Eliten und des neoliberalen Wirtschaftsmodells der Diktatur mit Klüngel und Korruption. Damit haben sie sich immer weiter von den Bürgern entfernt, und daran scheitern sie gerade."
    Frente Amplio-Kandidatin Beatriz Sánchez (r) - Hoffnungsträgerin der jungen Linken
    Hoffnungsträgerin der jungen Linken: Frente Amplio-Kandidatin Beatriz Sánchez (Deutschlandradio / Anne Herrberg)
    Viele Gründungsmitglieder der Frente Amplio gehören einer neuen Generation an, die nach dem Ende der Diktatur aufgewachsen ist. Sie fordern ein neues Wirtschaftsmodell, mehr Bürgerbeteiligung, einen neuen Sozialpakt. Manche vergleichen sie mit linkspopulistischen Parteien wie Podemos in Spanien - auch in dem Sinne, dass die Bewegung im Grunde eher den Rechtskonservativen in die Hände spielen könnte. Je zersplitterter das Mitte-Links-Spektrum, umso mehr Stimmen für Piñera. Der führt die Umfragen deutlich an - der Zweitplatzierte, Mitte-Links-Kandidat Guillier, hätte in einer Stichwahl nur dann eine Chance, wenn ihn die Frente Amplio unterstützen würde - doch dazu möchte sich deren Spitzenkandidatin Beatriz Sanchez noch nicht äußern.
    Die Vergangenheit lastet schwer
    "Die Frage ist: Wollen wir Chile verändern und endlich das Erbe der Diktatur abschütteln oder nicht. Mit der Nueva Mayoria treten wir weiter auf der Stelle. Und Sebastian Piñera bedeutet einen enormen Rückschritt, selbst wenn man die kleinen Reformen betrachtet, die es gegeben hat. Wir sind in den letzten 20 Jahren einem Rezept gefolgt, in dem die immer gleiche Elite die Regeln festgesetzt hat - aber dagegen regt sich Protest. Das kann man nicht mit Geld regeln oder mit Gewalt unterdrücken. Die Lösung ist eine Politik, die alle mit einbezieht, in einem offenen und ehrlichen Dialog. Das fehlt in Chile."
    Das Erbe der Vergangenheit lastet bis heute schwer auf dem Land. Die Gräben, die sich durch die Gesellschaft ziehen, sind groß - die Probleme vielschichtig. Chiles zukünftige Regierung steht vor der großen Herausforderung, das Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen.