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China-Afrika-Gipfel
"Beziehungen zu afrikanischen Staaten neu aufstellen"

China verstärkt seit Jahren sein Engagement in Afrika. Man bewege sich mittlerweile allerdings weg von einer reinen Ressourcen-Extraktion, erklärte der China-Experte Mikko Huotari im Dlf. Es gehe darum, Afrika nicht nur als Absatzmarkt zu behandeln, sondern auf Wunsch der afrikanischen Staaten auch dort zu produzieren.

Mikko Huotari im Gespräch mit Sarah Zerback |
    Chinas Präsident Xi Jinping (l.) mit Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (m.) in Pretoria
    Chinas Präsident Xi Jinping (l.) mit Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (m.) bei einem Treffen im Juli in Pretoria (AP)
    Sarah Zerback: In Peking werden heute fast alle Staats- und Regierungschefs Afrikas erwartet – mehr als 50. Das zeigt das enorme Interesse. Wir wechseln jetzt die Perspektive und schauen auf die Interessen Pekings: mit Mikko Huotari von Merics, einem deutschen Forschungsinstitut für China-Studien. Guten Morgen!
    Mikko Huotari: Guten Morgen.
    Chinesische Unternehmen sollen mehr in Afrika produzieren
    Zerback: Wir haben es gerade gehört: China produziert verstärkt in afrikanischen Ländern. Man könnte auch sagen, aus "Made in China" soll "Made in Africa" werden. Macht Peking da mit?
    Huotari: Es ist in der Tat so, dass Peking hier einen neuen Aufschlag macht, um seine Beziehung zu den afrikanischen Staaten auch neu aufzustellen. Hier geht es darum, tatsächlich weg von der reinen Ressourcen-Extraktion zu gehen und Afrika auch nicht nur als Absatzmarkt zu behandeln, sondern zunehmend auch auf Wunsch der afrikanischen Staaten, muss man ganz klar sagen, hier in eine Art von Industriepartnerschaft zu kommen, wo es dann darum geht, dass chinesische Unternehmen zunehmend auch in Afrika produzieren sollen. Das steckt in den Anfangsschuhen, aber man sieht hier doch schon erste Projekte, die einigermaßen erfolgreich sind.
    Zerback: Wir haben gerade gehört: Das Handelsvolumen ist enorm gestiegen. In nur 17 Jahren hat sich das verzwanzigfacht. Wie ist das gelungen? In welchen Wirtschaftszweigen auch?
    Huotari: Das große Bild ist erst mal eines von Ressourcen, von Öl, Mineralien und Kupfer. Das ist das, was in den Jahren bis 2014 etwa das Handelsvolumen so hat ansteigen lassen, weil der Bedarf in China einfach so immens war und afrikanische, aber auch südamerikanische Staaten hier massiv davon profitiert haben. Das ist in den letzten Jahren etwas zurückgegangen und jetzt ist es genau das Bild, dass China in den meisten Staaten ein Handelsbilanzüberschuss hat, das heißt mehr exportiert in die Länder, als es importiert, und das sind dann vor allem Konsumgüter, Kleingüter, die dort auch genutzt werden können, Kühlschränke, Kerzen, alles Mögliche, was für den Alltag dort benötigt wird.
    Billiggüter aus China verdrängen afrikanische Industrieprodukte
    Zerback: Dieser Überschuss, kann der Afrika gefährlich werden?
    Huotari: Es ist in der Tat so, dass es natürlich positiv ist, wenn man aus dieser Ressourcenabhängigkeit rauskommt. Aber in vielen Bereichen sind das Güter, die potenziell vielleicht auch in Afrika produziert werden könnten. Insofern ist es klar, wenn hier afrikanische Märkte mit chinesischen Gütern, die häufig als Billiggüter bezeichnet werden, überschwemmt werden, dann hat das negative Auswirkungen auch für afrikanische Industrieprodukte.
    Zerback: Nun finanziert ja China auch zahlreiche Infrastruktur-Maßnahmen in Afrika, den Bau von Eisenbahnen zum Beispiel – allerdings in Form von Krediten. Wie groß sehen Sie denn da die Gefahr, dass sich da einige afrikanische Staaten einfach übernehmen, dass das Abhängigkeiten auch da schafft?
    Huotari: Es ist in der Tat der Fall, dass dieses Thema der Schulden für Infrastruktur-Projekte in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. Das trifft gewissermaßen auf fruchtbaren Boden. Das ist nicht per se ein chinesisches Problem, die Verschuldungsproblematik, aber sie wird durch manche Infrastruktur-Projekte, beispielsweise den Bau dieser über drei Milliarden US-Dollar teuren Eisenbahnlinie zwischen Nairobi und Mombasa in Kenia. Das ist sicherlich ein Beitrag zu dieser Schuldenproblematik gewesen. Und hier gilt es sehr genau hinzuschauen, ob die chinesischen Angebote dann auch solche Probleme verschärfen.
    Kein chinesischer Neokolonialismus
    Zerback: Sie sprechen jetzt von Schuldenfalle. Aber da gibt es ja auch Vorwürfe bis hin dazu, das sei eine neue Form des Kolonialismus. Teilen Sie diese Sorge?
    Huotari: Ich halte diesen Begriff für verfehlt. Ich glaube, wir sollten nicht alles das, was den Europäern nachfolgt, automatisch auch als Neokolonialismus bezeichnen. Es ist schon ein völlig anderes Setting, in dem da der chinesische Einfluss massiv wächst. Hier geht es auch um politische Interessen in dem Zusammenhang, aber kolonial, das ist doch etwas deutlich anderes gewesen. Ich glaube, wir sollten begrifflich hier dann auch etwas besser aufpassen.
    Zerback: Diese kritischen Töne, sind die denn auch bei dem zweitätigen Treffen in Peking zu erwarten?
    Huotari: Ich denke, die großen afrikanischen Staaten werden sich hier auch klar und deutlich positionieren, was man von der chinesischen Seite erwartet, dass es hier um Jobs geht, dass es hier um vielleicht noch mehr Training geht, dass es auch um die Schaffung von Arbeitsplätzen in Industriezweigen und eben nicht nur um den Export von chinesischen Gütern geht. Die zunehmend autonome Stimme vieler afrikanischer Staaten wird dann auch in Peking zu hören sein.
    Zerback: Egal ob es jetzt um Handel geht, mit China oder auch mit Afrika – da stellt sich immer die Frage nach den Menschenrechten. Welche Rolle spielen die denn für Peking im Geschäft mit Afrika?
    Huotari: Es ist klassischerweise so, dass Fragen der politischen Verfasstheit oder auch der politischen Zusammenhänge in Peking nicht so ein großes Interesse gefunden haben in der Vergangenheit. Das ist auch weiterhin so. China setzt auch auf autoritäre Staaten, so wie das auch europäische Staaten in der Region tun, muss man ganz klar sagen, und hat wenig Rücksicht darauf, was da im Inneren passiert. Aber es ist nicht das zentrale Merkmal des chinesischen Engagements. Es gibt wenig Belege dafür, jetzt rein wissenschaftlich gesehen, dass China insbesondere in den Staaten aktiv ist, wo es vielleicht besonders problematisch ist. Aber es gibt auch Hinweise darauf, dass chinesische Projekte häufig dann dazu führen, dass bestimmte politische Eliten besonders gepflegt werden und Ähnliches, und das führt dann letztendlich wieder zu solchen Fragen, die wir aus westlicher Perspektive mit dem Mangel an Good Governance beschreiben.
    Afrika-Block ist im Rahmen der UN für China immens wichtig
    Zerback: Bleiben wir mal kurz bei der politischen Komponente in Afrika. Wie groß ist da der Einfluss Chinas an dieser Stelle?
    Huotari: Er ist immens gewachsen. Es ist offensichtlich, dass solche Fragen wie beispielsweise in der Taiwan-Politik, wo es immer weniger Staaten gibt, zuletzt noch einen im afrikanischen Kontinent, der beispielsweise dann nicht Peking hörig ist. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass China sich hier breit gemacht hat mit seinen eigenen Interessen. Aber die politischen Interessen gehen weit darüber hinaus heute. Im Rahmen der UN ist der Afrika-Block einer, der für China immens wichtig ist und dort auch immer wieder bespielt wird. In sicherheitspolitischen Fragen hat Peking zuletzt auch einen Gipfel ausgerichtet, der darauf abzielte, in dem Bereich seine Zusammenarbeit zu verstärken. Das heißt, hier gibt es immer ein ganzes Paket, das auch die wirtschaftlichen Zusammenarbeiten dann weiter unterstützen soll.
    Zerback: Stichwort Globalisierung. – Welche Rolle spielt denn der Handelskonflikt Chinas mit den USA auch auf dem Gipfeltreffen jetzt?
    Huotari: Ich würde denken, dass er eine untergeordnete Rolle spielt. China sucht natürlich, international auch Stimmen zu finden, die sich gegen so etwas positionieren und da chinesische Interessen unterstützen. Aber ich würde denken, dass die afrikanischen Staaten da nicht die primären Partner sind, in der WTO vielleicht auch nicht die gewichtigste Stimme haben bei der Auseinandersetzung mit den Amerikanern. Da ist sicherlich die Frage wichtiger, wie sich Europa positioniert.
    Zerback: … sagt Mikko Huotari. Er ist stellvertretender Direktor des Mercator Instituts für China-Studien in Berlin. Besten Dank für das Gespräch, Herr Huotari.
    Huotari: Danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.