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China
Auf dem Weg zur militärischen Supermacht

Chinas Präsident Xi Jinping träumt vom "starken Militär". Er hat sich selbst zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte gemacht und ihnen die größte Reform ihrer Geschichte verordnet. Außenpolitisch bleibt die Regierung auf Konfrontationskurs im Südchinesischen Meer. Und langfristig will China die USA als militärische Supermacht herausfordern.

Von Axel Dorloff |
    Chinesische Soldaten marschieren bei einer Militärparade.
    Chinesische Soldaten marschieren bei einer Militärparade. (dpa / picture alliance / Chinafotopress)
    Modern, aggressiv: So präsentiert sich Chinas Militär in diesem Werbevideo. Der Clip soll den Nachwuchs für die Volksbefreiungsarmee begeistern. In dem Werbefilm steigt ein junger chinesischer Soldat in seine Uniform, streicht sich über die Nationalflagge am Revers und dann geht es los.
    "Der Krieg kann jederzeit beginnen, seid Ihr bereit", fragt eine Stimme. Danach martialische Bilder vom militärischen Training: chinesische Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge, Raketen und andere Waffensysteme. Viel davon ist mittlerweile auch "Made in China", sagt der parteinahe Politikwissenschaftler Jin Canrong von der Renmin Universität in Peking.
    "Chinas Kriegsgerät hat sich beeindruckend weiter entwickelt. Chinas Armee kann es heute mit jeder Armee der Welt aufnehmen. Wenn also andere Länder, speziell unsere Freunde aus den USA, sagen, China möchte seine Muskeln zeigen, dann ist meine Antwort: Ja, genau das ist der Fall! Wir zeigen unsere Muskeln!"
    Rückblick: September 2015. Rund 12.000 chinesische Soldatinnen und Soldaten schreiten die Chang'an Prachtstraße vom Platz des Himmlischen Friedens in Peking entlang. Die Militärparade zum 70. Jahrestag der Kapitulation Japans ist die größte und modernste Waffenschau, die China jemals gesehen hat.
    Chinas Militärexperten schwärmen, rund 80 Prozent der Waffen seien noch nie gezeigt worden. Sieben verschiedene Raketentypen werden vorgeführt, darunter Atom- und Interkontinentalraketen. 200 Kampfflugzeuge überfliegen den Platz des Himmlischen Friedens. Und am Boden rollen Panzereinheiten und etwa 500 andere Waffensysteme an den Ehrentribünen vorbei. Offiziell als Zeichen für den Weltfrieden deklariert, ist die Militärparade eine Machtdemonstration militärischer Stärke. Der Wissenschaftler Tai Ming Cheung forscht an der Universität von Kalifornien in San Diego seit Jahren zu Chinas Militär.
    "China entwickelt sich immer mehr zu einer professionelleren und gut bewaffneten Militärmacht. Das Land spielt noch nicht ganz vorne mit, aber sicher in der zweiten Reihe der weltweiten Militärmächte. Auf der anderen Seite hat China kaum Kriegserfahrung. Von daher ist es völlig unklar, wie China in einem wirklichen Krieg auftreten würde."
    Zweithöchsten Militärausgaben weltweit
    China hatte im Jahr 2015 mit geschätzten 189 Milliarden Euro die zweithöchsten Militärausgaben weltweit, nach den USA. Pekings Militärbudget ist in den vergangenen zehn Jahren fast jedes Jahr zweistellig gewachsen. Das Motto der Führung in Peking ist dabei eindeutig: Eine aufstrebende Supermacht braucht moderne und schlagkräftige Streitkräfte. Um das zu erreichen, hat Präsident Xi Jinping der chinesischen Volksbefreiungsarmee die größte Strukturreform seit den 50er-Jahren verordnet.
    Die sieben Militärregionen der Volksrepublik wurden Anfang des Jahres in vier regionale strategische Zonen und ein Zentralkommando umstrukturiert. Jiang Chunliang, Generalmajor in der Volksbefreiungsarmee, unterstützt die Militärreform von Präsident Xi als notwendigen Schritt.
    "Ziel der Militärreform ist es, unsere Gefechtsfähigkeit zu verbessern. Wir müssen in der Lage sein, zu kämpfen, wir müssen in der Lage sein, die Souveränität und territoriale Sicherheit unseres Landes zu schützen."
    In der Vergangenheit haben beim chinesischen Militär Heer, Marine und Luftwaffe weitgehend unabhängig voneinander operiert. Jetzt agieren die Teilstreitkräfte im Verbund. Die Macht übers Militär wurde zentralisiert, hin zu Staats- und Parteichef Xi Jinping. Für den Militärexperten aus San Diego, Tai Ming Cheung, ist klar: Mit der Militärreform soll die chinesische Volksbefreiungsarmee fit gemacht werden. Fit für die Kriege der Zukunft.
    "Im 21. Jahrhundert hat sich Chinas nationales Sicherheits- und territoriales Interesse weiter nach außen verlagert. Ob im Südchinesischen oder im Ostchinesischen Meer oder noch weiter draußen. In allen Fällen ist das alte, landdominierte Militär nicht mehr relevant. Es war hauptsächlich dazu da, Landesgrenzen am Boden zu schützen, nun wird es also umstrukturiert, hin zu global einsatzbaren Streitkräften, mit deutlich mehr Gewicht für Marine und Luftwaffe. Auch neue Bereiche wie die Cyber-Kriegsführung werden immer wichtiger."
    China will an der Weltordnung rütteln
    Perspektivisch wird China an der bestehenden Weltordnung rütteln, sagt Militärexperte Cheung.
    "Langfristig, nicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Aber je größer die militärische Macht Chinas wird, desto größer wird die Herausforderung für die USA. Die Chinesen haben die Zahlen, die USA haben die Qualität. Was wir erleben, ist eine strategische Konkurrenz. Präsident Xi Jinping betont immer wieder: China ist eine globale Macht. Die USA sind bislang die militärische Supermacht, aber China fordert sie heraus."
    Wie die Botschaft dieses aggressiven Werbevideos des chinesischen Militärs sind auch die Signale der politischen Führung aus Peking eindeutig: China möchte als Supermacht neben den USA weltweit ernst genommen werden. Pekings Strategen sehen derzeit eine günstige Gelegenheit, um den Aufstieg und die weltweite Präsenz Chinas voranzutreiben.
    Aus chinesischer Sicht sind die Amerikaner in ihrem Führungsanspruch beschädigt. Die Europäer sind vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Schwäche der anderen Staaten könnte den Aufstieg Chinas zur globalen Militärmacht beschleunigen.