Das muslimische Viertel in Xi’an, der alten Kaiser- und Hauptstadt Chinas. Die Menschen drängen durch die engen Gassen. Fleischer schneiden in gefliesten Küchen das rohe Lammfleisch. In den kleinen Nudel-Läden qualmt es und dampft es. Spezialität: Lammfleisch-Nudelsuppe mit eingeweichten Brotstückchen. Auf Chinesisch: Pao Mo.
Xi’an war einst berühmter Ausgangspunkt der antiken Seidenstraße. Und Kaufmann Ma Yuchen hofft, dass seine Stadt die Rolle von damals wieder einnehmen kann:
"Ich bin mir sicher, dass Xi’an vom Projekt Neue Seidenstraße sehr profitieren wird. In Xi’an hat die alte Seidenstraße ihren Ursprung genommen. Und das neue Projekt ist für uns eine tolle Chance. Auch, weil dadurch viele Touristen kommen. Unsere Stadt wird wieder bekannter."
Mit dem Megaprojekt Neue Seidenstraße möchte China ein neues Handelsnetzwerk zwischen Asien und Europa spannen. Die Neue Seidenstraße – auch bekannt unter "One Belt, One Road" – gilt als Lieblingsprojekt von Staatspräsident Xi Jinping. Und um den Rest der Welt dafür zu begeistern, lädt China jetzt zum Seidenstraßen-Gipfel nach Peking.
Nichts lässt die chinesische Führung unversucht, um für das Großereignis zu trommeln
"Lass uns zusammen auf der Seidenstraße gehen", so heißt es in diesem offiziellen Song zur Konferenz. Nichts lässt die chinesische Führung unversucht, um für das Großereignis zu trommeln. Seit Tagen gibt es in den Staatsmedien kaum ein anderes Thema. Für China ist der Seidenstraßen-Gipfel das größte diplomatische Ereignis des Jahres. Und die Begeisterung dafür wird von oben verordnet. Vize-Außenminister Li Baodong ist einer der Chef-Organisatoren:
"Unsere Seidenstraßen-Konferenz hat große Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft. Es werden Vertreter von rund 130 Ländern beim Gipfel dabei sein. 29 Staats- und Regierungschefs haben ihr Kommen zugesagt. Außerdem Vertreter von fast 80 internationalen Organisationen."
Es wird ein illustres Gruppenfoto: Gastgeber und Chinas Präsident Xi Jinping empfängt unter anderem Russlands Präsident Putin, den türkischen Präsidenten Erdogan und den philippinischen Regierungschef Duterte. Es gäbe kaum einen Autokrat oder Diktator, der nicht dabei sei, lästern Kritiker aus dem Westen. Staatschefs aus westlichen Ländern haben reihenweise abgesagt, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Für Deutschland nimmt Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries an der Konferenz teil. Die Zurückhaltung des Westens hat auch damit zu tun, dass viele das Projekt Seidenstraße mit einer gewissen Skepsis betrachten. Aus Sorge um Chinas Dominanz. Der Autor und China-Experte Tom Miller hat gerade das Buch "China’s Asian Dream" veröffentlicht. Darin geht es auch um die politischen Absichten hinter der Neuen Seidenstraße:
"China versucht, andere Länder enger an sich zu binden. China will seinen Einfluss durch wirtschaftliche Diplomatie, durch Infrastruktur-Diplomatie ausweiten. Auch darum geht es beim Projekt Neue Seidenstraße. Das ist der geopolitische Aspekt."
Die Neue Seidenstraße meint zum einen den Landweg entlang der historischen Handelsrouten von China bis Europa. Dazu soll es die maritime Seidenstraße über Südostasien durch den Indischen Ozean bis nach Europa geben. Ob per Eisenbahn, LKW oder Schiff. Warenverkehr soll schneller und einfacher werden. Chinas Botschaft ist immer die gleiche, sagt Experte Tom Miller:
"Wir können Infrastruktur finanzieren und bauen, die ihr unbedingt braucht. Das ist im Prinzip Chinas Argumentation gegenüber anderen Ländern. Sie sprechen immer von einer Win-Win-Situation. China macht zwar das Geschäft, aber auch die betroffenen Länder hätten etwas davon. China baut sich für den Handel ein modernes Verbindungsnetz, bei dem alle Straßen nach Peking führen."
Chinas Führung spricht von einer neuen Ära der Globalisierung
Chinas Führung spricht dagegen von einer neuen Ära der Globalisierung. Straßen, Zugstrecken und Häfen sollen entstehen. 2013 hat Xi Jinping den Plan bereits entworfen und 40 Milliarden US-Dollar für einen Seidenstraßen-Fonds bereitgestellt. Während Kritiker eine Globalisierung chinesischer Prägung fürchten, in der man es mit Transparenz, Freihandel und Regeln nicht so genau nimmt, zeichnen die Experten in China ein anderes Bild. Von den chinesischen Investitionen würden andere Länder profitieren, meint Wang Yiwei, Professor für Internationale Beziehungen an der Renmin-Universität in Peking:
"Chinas Einfluss konzentriert sich auf die Realwirtschaft, es ist eine Win-Win-Kooperation. Es kein Versuch, die Welt zu kolonisieren, wie Europa das früher getan hat. Wir machen Geschäfte und wollen Frieden. Nicht Afrika kolonisieren oder so etwas. Die Neue Seidenstraße hat eine ganz andere DNA, diesen Einfluss Chinas wird die Welt begrüßen."
In der alten Kaiserstadt Xi‘an glauben die Menschen an das Projekt Neue Seidenstraße. Qian Zhenhua arbeitet bei einer großen Bank – und beobachtet die Fortschritte in seiner Stadt:
"Den Schnellzug von Shanghai nach Xi’an gibt es seit letztem Jahr. Früher brauchten wir für die Strecke mehr als zehn Stunden, jetzt nur noch sechs Stunden. Und aus Zentralasien und Europa kommen sie ebenfalls mit dem Zug. Alle Strecken werden schneller und schneller, ob aus dem Westen oder aus dem Osten. Die Effekte für Handel, Wirtschaft und Tourismus in Xi’an sind unermesslich."
Als eines der westlichsten Ziele der Neuen Seidenstraße gilt das Ruhrgebiet. Mit den neuen Güterzugverbindungen von China bis zum großen europäischen Binnenhafen Duisburg. Auch Projekte, die vorher schon gestartet wurden, fallen jetzt in China alle unter die Überschrift Neue Seidenstraße.