Deutschlands Nein hat nichts genutzt. Die Mehrheit der 27 EU-Länder stimmte Anfang Oktober für die Erhebung von Strafzöllen auf Elektroautos aus China. Die EU-Kommission in Brüssel hat die Aufschläge nun in Kraft gesetzt.
Die Zölle gelten seit dem 30. Oktober 2024 und betragen bis zu 35 Prozent. Die Extra-Abgaben sollen für fünf Jahre gelten. Gleichzeitig sollen die Verhandlungen zwischen der EU und Peking weiterlaufen.
Wie hoch sind die Ausgleichszölle, die die EU verhängt hat?
Die EU-Kommission will nicht alle E-Autos aus China gleich besteuern. Sie unterscheidet zwischen Herstellern, die bei der Prüfung der Importzölle mit der Kommission kooperiert und Informationen bereitgestellt haben, und solchen, die das ablehnten.
Die Autos der kooperativen Hersteller werden mit knapp 20 Prozent Importzoll belegt, die anderen mit etwa 35 Prozent. Hinzu kommt der allgemeingültige EU-Einfuhrzoll von zehn Prozent.
Namentlich genannt wurden die chinesischen Hersteller BYD, Geely und SAIC. Für BYD gilt nun ein Importzoll von etwa 17 Prozent, für Geely von rund 19 Prozent und für den Volkswagen-Partnerkonzern SAIC von rund 35 Prozent. Auch alle anderen chinesischen Hersteller von Elektroautos sind betroffen, ebenso deutsche Autobauer, die in China produzieren. So stellt etwa VW-Tochter Cupra in China ein vollelektrisches SUV für Europa her; BMW produziert dort Elektro-Minis. Für diese Fahrzeuge Deutscher Hersteller, die ein Joint Venture mit einem chinesischen Unternehmen haben, werden jetzt knapp 21 Prozent Importzoll fällig.
Die Zölle wurden seitens der EU schon im Juli 2024 vorläufig verhängt und im August angepasst. Die Zahlung blieb jedoch ausgesetzt, um mehr Zeit für Verhandlungen zu haben.
Warum setzt die EU auf Strafzölle?
Nach Ansicht der EU wird die gesamte Wertschöpfungskette bei der Produktion von Autobatterien und Elektroautos in China subventioniert. Dadurch können chinesische Hersteller ihre Produkte günstig anbieten, sie haben dadurch erhebliche Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt.
Die EU sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung und einen Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Sie beruft sich darauf, dass die WTO-Regeln es erlauben, Importzölle zu verhängen.
Warum subventioniert China die E-Auto-Branche so stark?
Zuletzt hat die chinesische Wirtschaft geschwächelt. Eine der Ursachen war, dass die Binnennachfrage nachgelassen hatte. Doch produzierten chinesische Firmen weiterhin viel.
Das führte zu einer Überproduktion. Um die Produkte zu verkaufen, mussten die Preise gesenkt werden. Dafür subventioniert der Staat die Unternehmen mit hohen Summen.
Droht ein Handelskrieg mit China?
Die USA haben bereits Zölle auf verschiedene chinesische Produkte erhöht; die Importzölle auf Elektroautos sogar auf etwa 100 Prozent. Auch der Handelskonflikt zwischen der Europäischen Union und China beschränkt sich nicht nur auf E-Autos. Bereiche wie die Stahlindustrie oder die Medizintechnik sind ebenfalls betroffen.
Peking war wegen der angekündigten EU-Zölle bereits im August vor die Welthandelsorganisation (WTO) gezogen. Nach Inkrafttreten der Zusatzzölle hat Peking nun Beschwerde bei der WTO eingereicht. Die chinesische Regierung droht zudem mit eigenen Strafzöllen auf Milchprodukte und Schweinefleisch aus der EU und erhebt bereits einen Zusatzzoll auf Branntwein aus der EU. Das trifft vor allem Frankreich. Brüssel wendete sich seinerseits an die WTO.
Die Chinesen „werden einen Vergeltungsschlag starten, das ist sicher“, sagt Tu Le von der auf China spezialisierten Beratungsfirma Sino Auto Insights. Wegen der weiterhin schwächelnden chinesischen Wirtschaft erwarten Fachleute jedoch eher Zurückhaltung auf chinesischer Seite.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) appellierte an die EU-Kommission nach deren Entscheidung, trotz des Votums keinen Handelskrieg auszulösen. Der FDP-Politiker schrieb auf X, ehemals Twitter: "Wir brauchen eine Verhandlungslösung."
Wie reagiert die deutsche Industrie?
China ist der größte Automarkt der Welt und somit ein wichtiger Absatzmarkt: Firmen wie VW, Mercedes und BMW produzieren dort nicht nur für China, sondern auch für den Export. Der Verband der Automobilindustrie warnt vor negativen Auswirkungen von Strafzöllen. Dies sei „ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit“, betont VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Der potenzielle Schaden sei höher als der Nutzen des Instruments: „Drei von vier deutschen Autos gehen in den Export“, erklärt die Lobbyistin. „Wir befürchten Rückstoßeffekte, die den Zugang zum chinesischen Markt erschweren, den wir für den Hochlauf von Elektromobilität brauchen.“
China hatte in der Vergangenheit insbesondere mit höheren Zöllen auf große Verbrennungsmotoren aus der EU gedroht, die in die Volksrepublik importiert werden. Diese Maßnahme würde vor allem deutsche Autohersteller stark betreffen.
Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnt, Strafzölle blieben für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft nicht ohne Folgen. Die EU müsse aufpassen, nicht zwischen die geopolitischen Mühlen seiner zwei wichtigsten Handelspartner - USA und China - zu geraten, sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.
Einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zufolge befürwortet allerdings die breite Mehrheit der Industrieunternehmen in Deutschland Strafzölle gegen China. Grund sei der zunehmende Konkurrenzdruck.
Wären die Zölle auf chinesische E-Autos ein Rückschlag für die Verkehrswende in Deutschland?
Bis 2030 sollen 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen fahren, damit die Klimaziele erreicht werden können. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts waren es im April 2024 erst 1,46 Millionen.
Um diese Zahl erheblich zu steigern, wäre ein breiteres Angebot an kleinen und erschwinglichen Elektroautos notwendig. Durch Strafzölle der EU gegen chinesische Hersteller würden E-Autos aus dem günstigen Segment für europäische Verbraucher teurer.
Zwar will die EU unabhängiger von China werden und die eigene Produktion im Bereich der Elektromobilität ausbauen. Doch die deutsche Automobilindustrie produziert vor allem teure Autos.
Eine europäische Produktion von günstigen E-Autos als Massenware braucht noch Zeit. „Wir sehen, dass wir mittel- bis langfristig auch die chinesischen Hersteller brauchen, um den Kunden in Deutschland und Europa ein gutes Angebot zu machen“, sagt Christian Hochfeld, Geschäftsführer der Initiative Agora Verkehrswende.
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