Infektionswelle in China
Anders als Corona

In Nordchina sind viele Kinder an schweren Atemwegsinfekten erkrankt und kommen mit Lungenentzündung ins Krankenhaus. Einiges deutet darauf hin, dass kein neuer Erreger unterwegs ist, sondern altbekannte, die jetzt nach dem langen Lockdown zuschlagen.

    Chongqing in China: Eltern mit ihren erkrankten Kindern in einem Krankenhaus.
    Bei dem derzeit in China grassierenden Atemwegsinfekt scheint es sich nicht um einen neuen Erreger zu handeln. Hauptsächlich Kinder sind betroffen. (picture alliance / CFOTO / CFOTO)
    In China treten derzeit bei Kindern verstärkt Fälle von Lungenentzündung mit Fieber auf. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind überfüllt, wird berichtet. Das weckt Erinnerungen an den Beginn der Coronapandemie Ende 2019/Anfang 2020.  Um ein neues Virus scheint es sich jedoch nicht zu handeln.

    Übersicht

    Was passiert gerade in China?

    Mitte November berichtete die chinesische Nationale Gesundheitskommission über einen auffälligen Anstieg bei Atemwegserkrankungen von Kindern. Die meisten der erkrankten Kinder hatten Fieber, aber sonst kaum weitere Symptome. Genaue Zahlen nannte die Gesundheitskommission noch nicht. Wenig später berichtete ProMed, die Internetseite der internationalen Gesellschaft für Infektionskrankheiten, über die gehäuften Fälle von Lungenentzündungen. ProMed hatte bereits 2019 sehr früh schon über den Corona-Ausbruch in Wuhan berichtet.
    Auch internationale Medien wie die "New York Times" thematisierten die Krankheitsfälle: Die Zeitung schrieb, dass Notaufnahmen überfüllt seien, weil es so viele betroffene Kinder gebe, und dass in einem Krankenhaus südlich von Peking an einem Tag 67 Lungenspiegelungen (Bronchoskopien) gemacht worden seien – statt der sonst üblichen etwa zehn. Die Bronchoskopie ist eine wichtige Untersuchungsmethode zur Erkennung von Krankheiten der Atemwege und der Lunge und kann auch ambulant durchgeführt werden.

    Corona lehrt Vorsicht

    Aktuell erlebt China einen heftigen Wintereinbruch mit bis zu minus 25 Grad in der Nacht. Das hat die Situation offenbar verschärft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte Aufklärung und weitere Details von China – die Coronapandemie, Fehler der zuständigen Behörden und ihre Folgen haben die Weltöffentlichkeit vorsichtig gemacht.

    Wie gefährlich sind die Infektionserreger?

    Laut WHO berichtet China, die Symptome seien durch bekannte Erreger verursacht worden. Demnach gab es schon seit Mai ungewöhnlich viele Fälle von Lungenentzündungen durch das Bakterium Mycoplasma pneumoniae. Die Erkrankungen sind aber gut mit Antibiotika behandelbar.
    „Diese Bakterien sorgen auch in Südkorea gerade für ungewöhnlich viele Infektionen bei Kindern“, berichtet der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth. In China wiederum sei seit Oktober zusätzlich ein Anstieg bei anderen Erregern zu beobachten: Influenza, Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV) und Adenoviren. Um einen neuartigen Erreger scheint es sich demnach nicht zu handeln.

    Lauterbach: Keine Gefahr für Europa

    Deshalb sieht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) derzeit für Deutschland keine Gefahr: "Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass es sich um eine saisonale Häufung mit bekannten Erregern handelt, also keine neuen Erreger, keine besondere Gefahr, insbesondere auch keine Gefahr für Europa."

    Warum kommt es zu den gehäuften Infektionsfällen bei Kindern?

    Neben den eisigen Temperaturen scheint auch der in China bis vor einem knappen Jahr andauernde Coronalockdown seinen Anteil am jetzigen Infektionsgeschehen zu haben. Das britische Science Media Centre zitiert verschiedene Fachleute dazu. Deren Erklärungsansatz: Während des Lockdowns kam Chinas Bevölkerung deutlich weniger bis gar nicht mit den sonst üblichen Viren und Bakterien in Kontakt, die man sich sonst leicht mal im öffentlichen Nahverkehr, in Shoppingmalls oder in vollen Restaurants einfängt.
    Das Immunsystem musste sich also nicht mit ihnen auseinandersetzen. Jetzt haben die Erreger in China wieder freie Bahn – und die Infektionen werden geballt nachgeholt. Das Immunsystem der Erwachsenen scheint jedoch recht gut gerüstet zu sein – weshalb jetzt hauptsächlich Kinder erkranken, die ein schwächeres Abwehrsystem haben. Die offenbar recht stabile Immunität der Erwachsenen spricht laut Science Media Centre ebenfalls dafür, dass es sich um bekannte Erreger handelt.

    Ist das Infektionsgeschehen unter Kontrolle?

    Die WHO wird die Situation weiter beobachten und steht im engen Kontakt mit China. „Und ich habe den Eindruck: Diesmal haben die Überwachungssysteme für Ausbrüche so funktioniert, wie sie sollen“, sagt Wissenschaftsjournalist Wildermuth. „Und das ist entscheidend, denn früher oder später wird sich irgendwo auf der Welt eben doch tatsächlich ein neuer Erreger auf den Weg machen.“

    Selbst an die Öffentlichkeit gegangen

    Der Unterschied zu Corona sei zudem: „Die chinesischen Behörden haben das ja selbst öffentlich bekannt gemacht und den Anstieg nicht in irgendwelchen Datenbanken gemeldet.“ Außerdem sei die WHO sehr schnell selbst aktiv geworden, um weitere Informationen einzuholen.
    „Es gibt dafür klare Regeln in den internationalen Gesundheitsvorschriften. Die wurden von China bei Corona aber nicht immer prompt umgesetzt.“ Das sei diesmal anders. "Die chinesische Behörde habe die Erregernachweise öffentlich präsentiert“, berichtet Wildermuth. „China ist damit in Laborkapazitäten und den digitalen Meldewegen sehr gut aufgestellt“.

    Wie reagiert China auf die Infektionswelle?

    Die Volksrepublik rechnet nach Angaben ihrer Regierung in diesem Winter und im kommenden Frühling mit einem Nebeneinander verschiedener Atemwegserkrankungen: Covid-19, die Grippe und Infektionen mit dem Bakterium Mycoplasma pneumoniae. China hat deshalb nun stärkere Vorbeugungsmaßnahmen in betroffenen Regionen angeordnet.
    An Grenzübergängen soll demnach die Körpertemperatur Einreisender kontrolliert werden. Auch soll in Schulen und Altenheimen mehr Kontrolle und Prävention erfolgen. Je nach Infektionslage sollen vor Ort entsprechende medizinische Ressourcen bereitgestellt werden.

    mkn