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China Science Investigation
Chinas Militärinteresse an Forschungskooperation

Sicherheitsbehörden sprechen von Naivität. Hochschulen berufen sich auf Wissenschaftsfreiheit und gute Zusammenarbeit. Wie riskant ist die Forschungskooperation mit China? Nutzt Peking deutsche Grundlagenforschung zu militärischen Zwecken? Eine gemeinsame Recherche von Follow the Money, Correctiv, Süddeutsche Zeitung, Deutsche Welle, Deutschlandfunk und weiteren europäischen Medien.

Von Sebastian Engelbrecht, Panajotis Gavrilis und Moritz Metz |
Zahlreiche Drohnen fliegen über einen landwirtschaftlich genutztes Feld.
Dual-Use-Forschungsergebnisse können nicht nur dem Militär, sondern auch zur Überwachung dienen. Eine für die Landwirtschaft konzipierte Drohne könnte anderweitig umgenutzt werden. (picture alliance / Zhang Lianhua / Costfoto)
„Es ist 100 Prozent der Fall, dass man in Deutschland viel zu naiv vorgeht, was die wissenschaftliche Kooperation mit China angeht.“

Didi Kirsten Tatlow hat viele Jahre als Korrespondentin der "New York Times" in Peking und für außenpolitische Thinktanks gearbeitet. Sie gilt als eine der besten Kennerinnen der Strategien, mit denen die Kommunistische Partei Chinas ihr Ziel verfolgt: Über internationale Forschungszusammenarbeit zu Wissen und damit zu Macht zu kommen.

Die Auswertung von mehr als 350.000 Datensätzen ergab: In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind knapp 3.000 wissenschaftliche Arbeiten zwischen europäischen und chinesischen Universitäten entstanden – chinesische Universitäten, die der Volksbefreiungsarmee nahestehen. Die meisten Kooperationen verteilen sich auf Hochschulen in Großbritannien, gefolgt von Deutschland und den Niederlanden.

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Hohes Risiko, Nähe zum Militär

Der Rechercheverbund entdeckte darunter mindestens 349 wissenschaftliche Veröffentlichungen mit deutscher Beteiligung. Und: Forschende von mindestens 48 deutschen Hochschulen arbeiten mit einer akademischen Institution in China zusammen, bei der es ein hohes Risiko der Nähe zum Militär gibt.
Karte zeigte Länder Europas, deren Universitäten mit China kooperieren
Britische Universitäten kooperieren sehr viel mit China (Follow the Money / Deutschlandradio)
Denn für China ist deutsche Forschung von großer Bedeutung: Nach Informationen aus deutschen Sicherheitskreisen interessiert sich die kommunistische Führung besonders für das Wissen in den Bereichen wie IT, Luft- und Raumfahrttechnik, Agrartechnologie, Künstliche Intelligenz. Und sie warnen, dass die im Grundgesetz verankerte Forschungsfreiheit die Wissenschaft „zu einem besonders einfachen Ziel“ chinesischer Interessen mache. Die Sicherheitskreise werfen in Gesprächen mit dem Rechercheverbund dem Hochschulbetrieb vor, sich „ein bisschen devot und naiv“ zu verhalten. Wissenschaftler lebten ein wenig „in einer eigenen Bubble“.

Die China-Expertin Didi Kirsten Tatlow bewertet den Umgang mit China auf deutscher Seite ähnlich: „Ja, ‘sehr blauäugig’ ist schön gesagt. Man könnte auch sagen, ahnungslos oder noch schlimmer: nicht ahnungslos und trotzdem gehen sie wissend risikoreiche Kooperationen ein.“
Die chinesische Regierung mit Staatspräsident Xi Jingping versuche systematisch, weltweit die Nummer eins in der Forschung zu werden, meint Tatlow:
„Denn Xi Jingping versteht sehr gut, dass die große, wie man das dort sagt, Auseinandersetzung oder Competition mit dem sogenannten Westen auf dem Feld des Wissenschaftlichen ausgeübt wird. Wer da gewinnt, wird eigentlich alles gewinnen. So wird es dort gesehen.“
Und dazu versucht Peking, weltweit Talente zu rekrutieren. Die bisher bekannteste Maßnahme war das 2008 eingeführte “Tausend-Talente-Programm”. Mit der Teilnahme erhielten Forschende Mittel an prestigeträchtigen Unis und bekamen überdurchschnittliche Gehälter. Hauptsächlich Wissenschaftler aus China, aber auch aus den USA und Deutschland.

Mehr zum Rechercheprojekt


Dual Use – Doppelter Nutzen


Das Problem: Ergebnisse – gerade von Grundlagenforschung – könnten sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden. Diesen Sachverhalt beschreibt der Begriff 'Dual Use' –  doppelter Nutzen.

China verfolgt ganz offen – und versteckt das auch nicht – eine Politik der zivilen-militärischen Fusion.

Informatiker Juljan Krause
Die Kommunistische Partei Chinas versucht dabei bewusst, die Trennlinie zwischen militärischer und ziviler Forschung zu verwischen, meint der Informatiker Juljan Krause. Er befasst sich an der britischen Universität Southampton mit sicherheitspolitischen Themen der Quantenphysik: „China verfolgt ganz offen – und versteckt das auch nicht – eine Politik der zivilen-militärischen Fusion, Zusammenarbeit, Nutzung. Also das alles, was im Bereich von künstlicher Intelligenz zum Beispiel geforscht wird, dann auch militärisch genutzt werden soll, soweit eben möglich.“

Mehr zum Thema:


Dass die dunkle Seite von Dual-Use-Forschungsergebnissen nicht nur dem Militär dienen muss, zeigen jüngste Pandemie-Videos von chinesischen Drohnen und autonomen Roboter-Hunden, die die Corona-Lockdowns in Shanghai überwachen.

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Die China-Expertin und Autorin Mareike Ohlberg forscht im Asienprogramm der US-Stiftung "German Marshall Fund". Es sei wichtig, im Blick zu haben, dass Dual Use auch die Verwendungen im inneren Sicherheitsapparat bedeuten könne.
„Wenn man zum Beispiel an Gesichtserkennung oder an Stimmerkennung oder an Gang-Erkennung oder an genetischer Sequenzierung arbeitet, dass das nicht nur militärisch eingesetzt werden kann, sondern auch zum Beispiel gegen ethnische Minderheiten wie die Uiguren in China selbst, um die stärker überwachen zu können.“

Deutsche Forschungslandschaft naiv?

Steckt auch deutsche Grundlagenforschung in chinesischer Militär-, Roboter- und Überwachungstechnik? Ist die deutsche Forschungslandschaft teilweise so naiv, wie Sicherheitskreise behaupten? Klar ist, dass Art und Umfang der Zusammenarbeit einem solchen Wissensabfluss den Weg bereiten. Besonders problematisch ist dabei der wissenschaftliche Austausch mit der National University of Defence Technology (NUDT).
Sie untersteht direkt der Zentralen Militärkommission, dem höchsten militärischen Führungsorgan der Volksrepublik China. Die chinesische "Universität für Wissenschaft und Technik der Landesverteidigung" ist bekannt für ihre Forschung, unter anderem zu Supercomputern, autonomen Fahrzeugen und Hyperschallraketen.
Ein spezielles Forschungszentrum kümmert sich ausschließlich um Dual-Use-Basistechnologien, um Robotik und Künstliche Intelligenz.

Im Rahmen der internationalen Recherche "China Science Investigation" stellte sich heraus, dass seit dem Jahr 2000 mindestens 230 wissenschaftliche Texte in Zusammenarbeit zwischen deutschen Forschenden und der NUDT entstanden sind. Die Liste wird angeführt von der Universität Hamburg, gefolgt vom Max-Planck-Institut.*

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Das Beispiel Uni Bonn

"Was führt uns hier hin? Dass sie so forschungsstark sind und dass Sie bei den Exzellenzclustern so super abgeschnitten haben!"

Im Juli vergangenen Jahres besuchte die damalige Bundesforschungsministerin Anja Karliczek die Universität Bonn.
Dort wird unter anderem zu maschinellem Sehen, der Robotik und künstlicher Intelligenz geforscht. Bonner Know-how. Hochinteressant für Chinas Führung. Die Hochschule erklärt gegenüber dem Deutschlandfunk und seinen Recherche-Partnern, es seien keine vertraglich vereinbarten Forschungskooperationen mit der NUDT bekannt. Dennoch, das zeigen unsere Recherchen, findet ein Personal- und Wissenstransfer zwischen der Bonner und der chinesischen Hochschule statt.
So sprach im Monat des Ministerinnenbesuches ein Bonner Professor eigenen Angaben zufolge "remote" bei einer "Robotics Summer School" in China. Diese Konferenz war organisiert von der “National University of Defence Technology”.
In den vergangenen sieben Jahren kamen mindestens drei Master-Absolventen der NUDT nach Bonn, um hier ihre Doktorarbeiten zu schreiben. Ihren Lebensunterhalt deckte ein sogenanntes CSC-Stipendium der chinesischen Regierung. Spitzenforscher für die Bonner Uni, finanziert aus Peking. Eine Win-win-Situation?
Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit veröffentlichen die Doktoranden wissenschaftliche Aufsätze, beispielsweise zu 3D-Roboternavigation. Mindestens zwei der Arbeiten entstanden in Zusammenarbeit mit Forschenden in China, an der Heimatuniversität NUDT. Während einer der drei Doktoranden noch in Bonn weilt, sind zwei zurück in China und forschen an der NUDT weiter zu Robotik und künstlicher Intelligenz. Mit dem Wissen und der Erfahrung aus Bonn. Einer von ihnen hatte unter anderem Algorithmen entwickelt, die aus zweidimensionalen Bildern dreidimensionale Tiefenkarten errechnen können. Mehrere vom Rechercheverbund befragte Experten bestätigen, dass ein militärischer oder sicherheitspolitischer Nutzen dieser Grundlagenforschung möglich ist.
Grafik zeigt Anzahl der ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen im Wintersemester 2020/21
Die meisten ausländischen Studierenden kommen aus China. (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)

Ein Team unseres Rechercheverbundes durfte ein Telefonat mit dem deutschen Doktorvater zur Veröffentlichung protokollieren. Sein ehemaliger Doktorand ist inzwischen selbst Professor an der militärnahen NUDT. Naomi Conrad vom Recherchepartner Deutsche Welle erinnert sich an das Gespräch mit dem Doktorvater:

„Was er uns gesagt hat, dass er nie groß darüber nachgedacht hat, dass seine Forschung vielleicht für militärische Zwecke genutzt werden könnte, dass seine Forschung eigentlich zu 90 Prozent die Anwendung nicht militärischer Art sei, dass man das für viele gute Zwecke benutzen kann. Und er hat uns auch ganz klar gesagt, dass er Chinesen nicht als Feinde sehe, dass er die ausländischen Forscher, mit denen er zusammengearbeitet habe, als immer sehr positiv gesehen, inklusive seinen Doktoranden, den er sehr gelobt hat, und dass es schade ist, wenn so gute Leute zum Militär gehen. Es gebe noch Kontakt, aber er könne nicht mehr über seine Forschung sprechen, weil man bei der NUDT nicht mehr reden dürfe über die Forschung.“

Die Hochschulleitung der Uni Bonn sieht in den Verbindungen zur NUDT kein Problem. Bei den zitierten Publikationen handele es sich um Grundlagenforschung ohne Dual-Use-Charakter. Die Universität betont gegenüber dem Rechercheverbund, sich bei Dual-Use-Fällen „an den einschlägigen Rechtsvorschriften“ zu orientieren.

Zur Vorsorge gegen ungewollten Wissenstransfer biete man Beratungen für Universitätsangehörige an. Und in den Statuten der Universität existiere eine Klausel, wonach ausschließlich zu zivilen Zwecken geforscht werden dürfe. Ähnlich argumentierten vom Rechercheverbund angefragte Hochschulen, etwa in Stuttgart und München.

Strategische Risiken

Die Rechts- und Ethik-Standards westlicher Unis können wohl allgemein als hoch eingestuft werden. Folgt man aber den Warnungen der Sicherheitsbehörden, besteht dennoch die Gefahr, dass Theorie und Praxis hier auseinandergehen.

Um das Dickicht durchleuchten zu können, hilft ein Blick auf eine Liste des “Australischen Strategischen Politik-Institutes”. Das “ASPI” wird hauptsächlich von der australischen Regierung finanziert, aber auch von staatlichen Stellen in den USA, Kanada, Japan und Großbritannien.

Das Institut hat Verflechtungen des chinesischen Forschungsbetriebs mit militärischen und sicherheitspolitischen Einrichtungen Chinas systematisch untersucht und das Risiko der Nähe zum Militär jeweils mit hoch oder sehr hoch eingestuft.

Dass Menschen, mit dem Know-how, das sie im Rahmen ihrer Forschung gewinnen, später mal in einen Kontext geraten, in dem sie auch militärrelevante Forschung machen – das können wir nicht ausschließen.

Enno Aufderheide (Humboldt-Stiftung)

Auf eine Correctiv-Umfrage zum Thema in Deutschland haben 63 Hochschulen geantwortet. In die ASPI-Kategorie eines hohen oder sehr hohen Risikos würden demnach 48 Kooperationen mit chinesischen Hochschulen gehören. Die Hälfte davon ist sich, der Umfrage zufolge, der Risiken ihrer Kooperation auch bewusst. 29 Universitäten geben an, das Risiko durch interne Prüfverfahren zu minimieren. Vier der Hochschulen erklärten, direkt Geld durch die chinesische Institution oder andere chinesische Stellen zu erhalten oder erhalten zu haben.
Auf funktionierende Prüfungsmechanismen berufen sich auch die großen deutschen Institutionen der Wissenschaftsförderung. Die Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG, Katja Becker, ist sich sicher: “Ich kann von vornherein sagen: Militärisch relevante Forschung ist von der DFG-Förderung ausgeschlossen, grundsätzlich ausgeschlossen.”
Becker zählt die Abwehrinstrumente auf: den „Kodex zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“, einen Ausschuss zum Thema, gemeinsam mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina , sowie hauseigene Kommission für Ethik in der Forschung.
Nicht ganz so sicher klingt Enno Aufderheide, er ist Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Seine Stiftung fördert auch chinesische Studierende, die in Deutschland forschen. In Bezug auf autoritäre Staaten soll der Antrags- und Förderprozess noch einmal überarbeitet werden, so Aufderheide: „Welche Informationen haben wir, welche wären uns verfügbar? Und ich fürchte auch, dass wir da noch zu einer Veränderung kommen.“
Enno Aufderheide gibt zu, dass seine Humboldt-Stiftung letztlich keine Kontrolle darüber hat, wo und wie das Wissen genutzt wird, das in Kooperationen an deutschen Universitäten entsteht.
„Dass Menschen, mit dem Know-how, das sie im Rahmen ihrer Forschung gewinnen, später mal in einen Kontext geraten, in dem sie auch militärrelevante Forschung machen – das können wir nicht ausschließen. Wir bemühen uns auszuschließen, dass es unmittelbar militärrelevante Gegenstände sind, mit denen sie – oder nicht unmittelbar, also auch durchaus mittelbar, aber erkennbar mittelbar – militärrelevante Forschungsgegenstände sind, mit denen sie hier arbeiten.”
Mit anderen Worten: Keine deutsche Universität kann wirklich ausschließen, dass die Ergebnisse eines zivilen Forschungsprojekts von den chinesischen Partnern auch militärisch genutzt werden.

Wissenschaftsfreiheit versus Wachsamkeit

Der Bundesregierung ist das Problem bewusst. Das zuständige Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beschränkt sich aber darauf, für die Problematik zu sensibilisieren. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungs- und Forschungsministerium, Jens Brandenburg, mahnt zur Vorsicht und ergänzt: Ganz ohne China geht es auch nicht.
„Ich möchte sehr deutlich machen an der Stelle: Es gibt Bereiche, wo wir durchaus stärker mit China kooperieren können, besonders zu globalen Herausforderungen. Und da ist die Meeres- und Klimaforschung ein Beispiel. Es gibt andere Wissenschaftsbereiche, Forschungsbereiche, wo eine hohe Sensibilität, insbesondere ein hohes Risiko für militärische Nutzung seitens des chinesischen Staates gegeben ist. Und diesen Graubereich dazwischen, das muss man genau abwägen.“
Bildung ist Ländersache und in Deutschland gilt die im Grundgesetz verankerte Forschungsfreiheit - ein hohes Gut. Auf das sich auch alle Universitäten berufen.
„Gerade weil wir eine Forschungsfreiheit in Deutschland haben, liegt das eben in Verantwortung der Forschenden vor Ort, und wir können seitens der Bundesregierung vor allem unterstützen und tun das auch mit Informationen, mit Beratungen und insbesondere mit unabhängiger Chinakompetenz.“
Doch diese "Kompetenz" ist ausbaufähig, meint die China-Expertin Mareike Ohlberg vom German Marshall Fund:
„Deswegen ist es durchaus wichtig, dass auf Bundesebene man mehr Ressourcen, mehr Plattformen, mehr Informationen, mehr Austauschmechanismen zur Verfügung stellt. Um zu sensibilisieren und versucht rüberzubringen: Nein, es geht uns nicht darum, die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland einzuschränken oder euch persönlich Steine in den Weg zu legen. Es gibt wirklich gute Gründe, warum man bestimmte Sachen eben nicht machen möchte.“
Jens Brandenburg, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungs- und Forschungsministerium, verweist auf das BAFA, das dem Wirtschaftsministerium angehört. Das Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle muss nicht nur Waffenexporte genehmigen, sondern auch, wenn sicherheitsrelevantes Wissen das Land verlässt.

Glossar zur China Science Investigation

Die Rolle des BAFA

Allerdings: Beim Export akademischen Wissens liegt die Verantwortung komplett bei den Forschenden. Sie selbst müssen prüfen, ob ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse eine Genehmigung benötigen. Grundlagenforschung zu exportieren, bedarf aufgrund der Wissenschaftsfreiheit üblicherweise keiner Genehmigung.
Auf Nachfrage des Deutschlandfunks und seiner Medienpartner konnte das BAFA nicht sagen, wie viele Anträge für Forschungsprojekte in den vergangen Jahren genehmigt worden sind. Das sei, so heißt es in der Antwort des Bundesamtes “aufgrund der Vielzahl der möglichen Antragsteller und Empfänger und des daraus resultierenden erheblichen Aufwandes nicht möglich.”
Das heißt, es bleibt unklar, ob und wie oft das BAFA Forschungsprojekte etwa mit der Militäruniversität NUDT genehmigt hat oder hätte genehmigen müssen.
Unabhängig von Kontrollmechanismen steht spätestens seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine jede Zusammenarbeit mit autokratischen Regierungen auf dem Prüfstand, nicht nur die mit China.
Katja Becker von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG, unterstreicht, dass die Universitäten die Zusammenarbeit in einzelnen Fällen - wenn nötig - schnell beenden können.
„Wir haben ein klares Regelwerk, und im Rahmen dieses Regelwerkes kooperieren wir mit Ländern wie Russland oder China. Falls dieses Regelwerk im Rahmen der Verträge, die wir geschlossen haben, verletzt wird, beenden wir auch einmal Kooperationen.“
Aber haben Universitäten und Wissenschaftsförderung den Mut, Kooperationen zu beenden, wenn es Zweifel an der Redlichkeit der Forschungspartner gibt ? Kooperationen beenden heißt, sehr gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wichtige Kontakte, Prestige und Geld zu verlieren.
In jedem Fall müsse das Thema in Politik, Gesellschaft und Medien offener und lauter angesprochen werden, sagt die Publizistin Didi Kirsten Tatlow.

Umgang mit Autokratien

Die China-Expertin sieht im Ukraine-Krieg einen Präzedenzfall. Eine allzu vertrauensvolle, auf wirtschaftliche Erfolge ausgerichtete Außenpolitik, meint sie, könnte sich eines Tages rächen.
“Und ich bin wirklich da besorgt, dass wir mit China genau die gleichen Fehler eingehen, sprich: Die Warnsignale sind schon da, das Wissen ist schon da. Die Beweise sind schon da. Warum tun wir da nichts? Warum sagen wir da nichts? Das Risiko ist uns viel zu hoch. Das ist demokratisch nicht nachvollziehbar. Wir müssen hier Schluss machen.”
Viele, die an deutschen Universitäten mit chinesischen Forschenden zusammenarbeiten, hoffen, dass der große Bruch zu vermeiden ist. Aber: Der deutsche Hochschulbetrieb müsste sensibler für das Thema, wachsamer und wehrhafter werden. Davon ist zumindest Enno Aufderheide von der Humboldt-Stiftung überzeugt.
„Eigentlich geht es nur darum, die Balance zwischen Naivität und Paranoia zu finden.“
China-Expertin Mareike Ohlberg ergänzt: Man müsse unterscheiden zwischen der chinesischen Bevölkerung und dem autokratischen System.
„Das ist nicht irgendwie was Fremdes, was da aus China auf uns zurollt, sondern das ist etwas, das hatten wir hier auch schon mal. Das existiert jetzt in modernisierter Form dort. Und wir müssen damit, mit dem autoritären System, einen besseren, einen vorsichtigeren Umgang finden. Nicht mit China an sich oder ‘den Chinesen’ an sich.“
Dieser „Hintergrund“ basiert auf einer gemeinsamen Recherche von Follow the Money, Correctiv, Süddeutsche Zeitung, Deutsche Welle, Deutschlandfunk und weiteren europäischen Medien.
(*) Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine inhaltliche Korrektur vorgenommen. Ursprünglich waren an dieser Stelle zwei weitere Unis aufgezählt. Aufgrund einer Veränderung der Datenlage kann die zunächst genannte Reihenfolge nicht aufrecht erhalten werden.