Die chinesische Regierung hat am Jahrestag des russischen Angriffskrieges zu einem Waffenstillstand aufgerufen. In einem Zwölf-Punkte-Papier fordert Peking auch eine sofortige Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. „Dialog und Verhandlungen sind die einzig machbare Lösung für die Ukraine-Krise“, heißt es in dem Positionspapier.
Beobachter bezweifeln allerdings, dass die chinesische Initiative Russlands Präsidenten Putin zum Einlenken bewegen werde. Auch hat Peking für die russische Aggression keine klaren Worte gefunden. Und es gibt Befürchtungen, China könnte Waffen an Russland liefern.
- Welche Rolle spielte China bisher im Ukraine-Krieg?
- Warum ist das Verhältnis von China und Russland so eng?
- Wie kam es zu Chinas Positionspapier?
- Welche Forderungen enthält Chinas Zwölf-Punkte-Plan?
- Welches Interesse hat China an einem Frieden?
- Kann China eine ernsthafte Rolle als Vermittler spielen?
- Liefert China Waffen an Russland?
- Welche Konsequenzen hätten Waffenlieferungen?
Welche Rolle spielte China bisher im Ukraine-Krieg?
Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die Pekinger Führung für neutral erklärt, de facto aber an die Seite von Wladimir Putin gestellt. Russland und China versichern sich in regelmäßigen Abständen, eine tiefe Freundschaft zu pflegen. China habe Moskau bereits diplomatisch stark den Rücken gestärkt und eine "uneingeschränkte Partnerschaft mit Russland" ausgerufen, sagt der Trierer Politologe Sebastian Heilmann. Chinas Regierung kritisiert die Wirtschaftssanktionen des Westens gegen Russland scharf.
China will nach eigenen Angaben eine Rolle bei der Beendigung des Krieges in der Ukraine spielen. Der chinesische Außenminister Qin Gang sagte auf einer Sicherheitskonferenz in Peking, sein Land sorge sich, dass der Krieg weiter eskalieren und außer Kontrolle geraten könnte. China werde deshalb weiter zu Friedensgesprächen auffordern und "chinesische Weisheit" zur Verfügung stellen, um eine politische Einigung zu erwirken. Mit seinem Zwölf-Punkte-Plan hat Chinas Regierung nun erneut eine „politische Lösung“ des Krieges gefordert.
Warum ist das Verhältnis von China und Russland so eng?
Beide Länder haben einen gemeinsamen ideologischen Gegner: die USA. Sie sind strategische Partner, die eine über 4000 Kilometer Kilometer lange Grenze verbindet. China erhält seit dem Ukraine-Krieg russische Energie zu günstigen Preisen, weil der Westen zahlreiche Sanktionen verhängt hat. In den vergangenen Monaten hat der Handel zwischen den beiden Ländern deutlich zugenommen. China ist für Russland als Technologielieferant wichtig, denn Exporte aus westlichen Ländern bleiben wegen der Sanktionen aus.
Wie kam es zu Chinas Positionspapier?
Der frühere Außenminister und heutige Leiter der Außenpolitik in der Kommunistischen Partei, Wang Yi, kündigte auf der Münchner Sicherheitskonferenz überraschend eine "Friedensinitiative" seiner Regierung für die Ukraine an. Einige europäische Regierungen hofften in der Vergangenheit darauf, dass die Pekinger Führung Einfluss auf Russland ausübt, um Putin zum Rückzug zu bewegen. Zum Jahrestag der russischen Invasion am 24. Februar veröffentlichte das Außenministerium in Peking einen Zwölf-Punkte-Plan.
Chinas Präsident Xi Jinping hat für den 24. Februar eine „Friedensrede“ angekündigt. Tags zuvor forderte die UN-Vollversammlung in einer Resolution erneut mit großer Mehrheit ein Ende des russischen Angriffskriegs: 141 der 193 Mitgliedsstaaten am UN-Sitz in New York stimmten für die Resolution. Sechs Staaten votierten an der Seite Russlands gegen die Vorlage – Belarus, Nordkorea, Eritrea, Mali, Nicaragua und Syrien. Unter den 32 Enthaltungen war auch die Chinas.
Welche Forderungen enthält Chinas Zwölf-Punkte-Plan?
China fordert Russland und die Ukraine auf, die Waffen ruhen zu lassen und Verhandlungen aufzunehmen. Wörtlich ist von einer „politischen Lösung“ des Krieges die Rede. Dialog zwischen Russland und der Ukraine sei der einzige Weg zur Beendigung der „Krise“. Weiter heißt es, es dürften weder Atomwaffen noch biologische oder chemische Waffen eingesetzt werden. Peking fordert aber auch ein Ende der westlichen Sanktionen gegen Russland.
In dem Papier heißt es weiter, die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder müssten bewahrt und legitime Sicherheitsinteressen ernst genommen werden. Beobachter bewerten derartige Äußerungen Chinas stets vor dem Hintergrund des Konflikts mit Taiwan. Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und fordert regelmäßig eine „Wiedervereinigung“. Taiwan pocht auf seine Unabhängigkeit, die allerdings nur von wenigen Staaten anerkannt wird.
Überdies fordert China Maßnahmen zur Sicherung von Atomanlagen, die Einrichtung humanitärer Korridore zur Evakuierung von Zivilisten sowie Schritte, um den Export von Getreide sicherzustellen.
Ein Waffenstillstand bei Festschreibung der Frontlinie ist für die Ukraine nicht akzeptabel. Die Regierung in Kiew hat erklärt, dies nicht mitmachen zu wollen, denn Russland könnte die Zeit ohne Kampfhandlungen nutzen, um sich auf weitere Angriffe vorbereiten.
Welches Interesse hat China an einem Frieden?
China hat eigentlich kein Interesse am Krieg in der Ukraine, weil er weltweit für politische Instabilität sorgt und die Weltwirtschaft belastet. Auch die Folgen des Krieges im Globalen Süden schaden dem dortigen chinesischen Engagement, beispielsweise in Afrika. China hat zudem im Inland mit der Covid-Pandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen genug eigene Probleme.
Doch die Beziehungen zu Russland scheinen für die Pekinger Führung wichtiger zu sein. Es gab im Vorfeld der Veröffentlichung des Zwölf-Punkte-Plans Spekulationen, dass China mit seinem „Friedensplan“ einen Keil zwischen Europa und die USA treiben und auch die EU spalten wolle; kriegsmüde europäische Länder könnten sich dem Vorschlag für einen Waffenstillstand anschließen und damit eine einheitliche Position des Westens gefährden.
Kann China eine ernsthafte Rolle als Vermittler spielen?
Die Reaktionen auf das Zwölf-Punkte-Papier fallen eher zurückhaltend aus. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sagte mit Blick auf Chinas Vermittlungsangebot: „Wir brauchen keine Vermittler, wir brauchen Verbündete.“ Makeiev äußerte dennoch die Hoffnung, dass die Initiative erfolgreich sein werde. China könne Einfluss auf Russland nehmen, damit es sich zurückziehe: „Aber ich sehe noch keine konkreten Schritte in diese Richtung.“
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil
erklärte im Deutschlandfunk
, es sei gut, dass der Druck auf Putin insgesamt wachse. Eine Einsicht des russischen Präsidenten sei aber unwahrscheinlich.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich vor der Veröffentlichung des chinesischen Zwölf-Punkte-Plans skeptisch geäußert. Im ZDF sagte er, dass er derzeit keine Perspektive für einen baldigen Frieden sehe. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte, es gebe bereits einen Plan für Frieden in der Ukraine und das sei die Charta der Vereinten Nationen. Die Grünen-Politikerin forderte China auf, die Friedensbemühungen der UNO zu unterstützen.
Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping kann nach Ansicht von Experten kaum als neutraler Vermittler fungieren. Es sei klar, dass China die Positionen Russlands mitvertreten werde, vor allem wenn es gegen die USA und die NATO gehe, betonte der Politologe Sebastian Heilmann bereits vor der Veröffentlichung des chinesischen Positionspapiers. China hat in der Vergangenheit immer wieder den USA und der NATO die Schuld am Krieg gegeben – Russland sei in die Ecke gedrängt worden, ist die chinesische Lesart.
Die chinesische „Friedensinitiative“ wirkt daher auch wie ein Schachzug, mit dem China sich als Friedensstifter präsentieren, international sein Ansehen aufpolieren und die europäischen Handelspartner bei Laune halten will.
Liefert China Waffen an Russland?
Bisher ist unklar, ob die chinesische Führung Russland mit Waffen versorgt; sie bestreitet dies. Die US-Regierung zeigt sich dagegen besorgt über mögliche chinesische Waffenlieferungen. Die USA hätten Informationen, nach denen China solche Lieferungen erwäge, sagte US-Außenminister Antony Blinken.
Bislang fehlen Belege für diese Vorwürfe aus den USA. Doch Verlautbarungen der USA zum Krieg in der Ukraine seien glaubwürdig, Washington habe bisher „alles richtig vorhergesagt“, betont EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. „Wenn die Amerikaner mit dieser Information kommen, müssen wir das ernst nehmen.“ Zwar gebe es noch keine konkreten Hinweise auf chinesische Waffenlieferungen. „Aber die Warnung von Blinken wird hoffentlich in Peking verstanden.“
Welche Konsequenzen hätten Waffenlieferungen?
US-Außenminister Antony Blinken traf sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit Chinas oberstem Außenpolitiker Wang Yi. Blinken sagte danach, er habe klargemacht, dass Waffenlieferungen an Russland ein ernsthaftes Problem für die Beziehungen zwischen den USA und China wären. Er betonte zudem, es sei bereits bekannt, dass chinesische Firmen Russland mit "nicht-tödlichem Gerät" unterstützten. Dazu zählen laut einem Bericht der US-Zeitung "Wall Street Journal" zum Beispiel kommerzielle Drohnen, die sowohl zivil wie militärisch genutzt werden können.
Der Politologe Sebastian Heilmann befürchtet, dass sich der Konflikt zwischen China und den USA weiter verschärft. Das könne in einen "zweiten Kalten Krieg" führen, warnt er. Die Situation sei gerade sehr ernst. Es liege in der Verantwortung der beiden Supermächte China und USA, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Allerdings sehe es derzeit nicht danach aus.
Quellen: Deutschlandfunk, gem, tmk, ahe, dpa, rtr, epd