Eine Produktionshalle der Firma "Dasheng" im Südwesten von Shanghai. Das Unternehmen produziert Mundschutze und Hygiene-Masken. Seit Tagen werde hier pausenlos gearbeitet, sagt Firmenchef Wu Shengrong stolz, auch während der Feiertagswoche zum Chinesischen Neujahr liefen die Fließbänder.
"Wir arbeiten zur Zeit rund um die Uhr. 24 Stunden am Tag. Ansonsten könnten wir das große Volumen des Regierungsauftrags auch gar nicht erfüllen."
Das Unternehmen von Wu Shengrong ist eines der wenigen in Shanghai, in dem die Produktion zur Zeit voll ausgelastet ist. Angesichts der Virus-Krise ist die chinesische Wirtschaft in weiten Teilen wie gelähmt. Die Folgen sind noch nicht abzusehen. Selbst internationale Konzerne wie Volkswagen haben die Produktion nach der einwöchigen Neujahrs-Feiertagswoche zunächst nicht wieder hochgefahren.
Die Angst vor dem neuartigen Corona-Virus lähmt nicht nur die zentralchinesische Provinz Hubei, wo in der Hauptstadt Wuhan Ende Dezember das Virus zum ersten Mal aufgefallen ist. Auch die 32 anderen Landesteile Chinas sind betroffen.
Gesundheitstipps statt Handy-Klingeltöne
Besonders hart trifft die Angst vor dem Virus die Reisebranche und den Dienstleistungssektor: Massenweise wurden Flüge und Bahnverbindungen gestrichen sowie Urlaubs- und Dienstreisen abgesagt. Restaurants und Geschäfte bleiben wegen der befürchteten Ansteckungsgefahr geschlossen. Auch Sehenswürdigkeiten wie der Jing-An-Tempel im Zentrum von Shanghai bleiben geschlossen. Vor der Tempelanlage mit ihren auffälligen goldenen Türmen und Dächern stehen große weiße und rote Kunststoff-Poller. Ein sichtlich aufgebrachter Passant, Ende 50:
"Die vergangenen Jahre war natürlich alles offen während der Neujahrstage. Dieses Jahr aber ist wegen der Virus-Krise vieles geschlossen! Auch Behörden und Bibliotheken. Ich bin in Shanghai aufgewachsen. So aber habe ich diese Stadt noch nie erlebt. Niemand ist unterwegs!"
Tatsächlich wirkt sogar die 25-Millionen-Einwohner-Stadt Shanghai gespenstig ruhig, seitdem die Virus-Krise ausgebrochen ist. Die Menschen bleiben, soweit es geht, zuhause. Die Stadtverwaltung hat die Schulferien verlängert und selbst Büros dürfen nicht nur, sondern sollen sogar geschlossen bleiben bis auf Weiteres. Immer wieder werden die Menschen per SMS aufgefordert, Menschenansammlungen zu vermeiden und nur mit Mundschutz auf die Straße zu gehen.
Wer zur Zeit versucht, jemanden in China auf dem Handy anzurufen, hat gute Chancen, statt eines Tutens dies zu hören, während es klingelt.
"Sei wachsam. Keine Panik. Trage eine Maske. Fass nicht alles an. Lüfte regelmäßig. Geh zum Arzt, wenn Du Fieber bekommst" - und so weiter.
Gesundheitstipps statt Klingeltöne; doch in vielen anderen Lebenslagen in China geht es dieser Tage weniger harmlos zu, in der besonders vom Virus betroffenen Region Hubei zum Beispiel. Dort bleibt es nicht nur bei Empfehlungen. Weite Teile der zentralchinesischen Provinz sind de facto isoliert vom Rest des Landes. Bus- und Bahnverbindungen wurden gestrichen. Wichtige Ausfallstraßen sind für Privatleute gesperrt. Auch per Flugzeug kommen die Menschen nicht mehr raus. Mehr als 45 Millionen Menschen wohnen in den betroffenen Quarantäne-Gebieten. Eine von ihnen ist Lili. Auch sie sitzt fest, sie kann deswegen nur noch per Telefon über ihre Lage sprechen.
Zwangsgemeinschaft mit den Eltern durch Quarantäne
Lili lebt eigentlich in Peking. Übers Frühlingsfest ist sie – wie fast alle Chinesen – zu ihren Eltern gefahren. Und weil die in der Stadt Shiyan leben, im Nordosten der Provinz Hubei, sitzt sie seit dem Abend des 24. Januars fest.
"Meine Eltern und ich haben aufgehört, rauszugehen. Wir bleiben zuhause, schauen Filme und Serien, nutzen Social-Media-Apps, spielen Brettspiele – und weil ich meine Eltern fit halten will, bringe ihnen Yoga bei."
In Panik gerät die 28-Jährige angesichts der Isolation vom Rest des Landes nicht, betont sie. Der Kühlschrank sei voll, Supermärkte und Apotheken in Shiyan geöffnet, und ihre Eltern sind wohlauf.
"Heute scheint die Sonne. Die Luft ist super. Alle wirkt so friedlich. Ich kann Lärm nicht ausstehen. Insofern ist die Stadt nun viel schöner, angenehmer als sonst. Die Straßen sind leer, fast niemand ist draußen. Jetzt, wo ich rausschaue, sehe ich ein Paar, das spazieren geht. Die tragen auch Masken."
Wann Lili zurückfahren kann nach Peking, weiß sie noch nicht. Aber klar ist: Es kann noch dauern. An eine Rückkehr zum Alltag ist für sie und Hunderte Millionen weitere Chinesen zunächst nicht zu denken.
Stärkere Vernetzung der Forscher seit letztem MERS-Ausbruch
Seit die ersten Fälle des neuen Coronavirus in Deutschland diagnostiziert worden sind, ist die Angst vor einer tödlichen Pandemie auch bei uns angekommen. Bisher steht fest: Das Virus stammt aus der Familie der Coronaviren, die harmlose Erkältungen verursachen können, aber auch tödliche Krankheiten wie SARS und MERS. Und da sie enorm wandelbar sind, haben sich Virologen und Infektionsforscherinnen weltweit 2012 nach dem letzten MERS-Ausbruch noch stärker vernetzt, um ihre Forschungen aufeinander abzustimmen und auf den erwartbaren nächsten Ausbruch besser vorbereitet zu sein.
Auf nationaler Ebene sind sie im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung DZIF, zusammengeschlossen. Ein Netzwerk, analog zu den Social Media Kanälen, in dem von München bis Lübeck alle Erkenntnisse und Forschungsergebnisse geteilt werden. Auch die Hamburgerin Marylyn Addo ist dabei, die den Impfstoff gegen MERS mitentwickelt hat und zur Zeit klinisch überprüft. Sie ist die Leiterin der Sektion Infektiologie am Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf.
"Man muss sagen, dass wir uns schon immer vorbereiten auf die nächste große Pandemie, das ist auch auf allen politischen Großveranstaltungen, Gipfeln, G20, G 7 sind immer emerging infections und outbreaks auch ein politisches Thema, weil wir halt global so vernetzt sind, dass, wenn an einem Ende der Welt ein Ausbruch jeglicher Art stattfindet, der sich durch unsere Flugvernetzung über die Welt verteilen kann, und das haben wir ja jetzt schon gesehen, dass auch bei diesem Ausbruch Fälle binnen weniger Tage Fälle in verschiedenen Ländern aufgetaucht sind."
Forscher: Gefahr einer Pandemie etwa alle zehn Jahre
Nach den Erfahrungen und Berechnungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelt sich ungefähr alle zehn Jahre ein Virus mit dem Potential zur Pandemie. Es geht dann vom Tier auf den Menschen über, ein Vorgang, der Zoonose heißt.
"Sie müssen sich vorstellen, dass alle Tiere dieser Welt, und auch Pflanzen und Bakterien, alle von Viren befallen sind. Und die Viren versuchen, sich dann an den jeweiligen Wirt anzupassen. Das passiert dann so, dass dann Mutationen auftreten, und diese Mutation nutzt das Virus dazu, die am besten angepasste Variante für eine speziellen Wirt dann zu selektionieren, und dann wird diese Variante eben in dem Wirt besonders gut vervielfältigt." Erklärt Professor Stephan Becker, Virologe an der Universität Marburg.
"Dass das Virus schon früh übertragen werden kann, ist für uns alle neu gewesen. Das macht, wenn man das zu Ende denkt, auch schwieriger, Quarantäne-Maßnahmen erfolgreich umzusetzen. Wenn das Virus übertragen wird, bevor jemand sehr krank wird und bevor er überhaupt einen Arzt aufsucht, dann ist es eben möglich, dass er Menschen ansteckt, bevor er in Quarantäne kommt. Und das macht deshalb die Maßnahmen, die wir im Moment ergreifen, nicht mehr ganz so effektiv."
Internationaler Gesundheitsnotstand verpflichtet WHO-Mitglieder zur gegenseitigen Hilfe
Der Schritt der Weltgesundheitsorganisation WHO, den internationalen Gesundheitsnotstand auszurufen, so wie in den letzten Jahren auch bei der Schweinegrippe oder dem Zika-Virus, sei deshalb ein geeignetes Mittel, um die weitere Ausbreitung einzudämmen, betont auch Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut in Berlin, dem Forschungsinstitut vom Bundesgesundheitsministerium:
"Die WHO ist nicht bekannt für Alarmismus, aber dieser internationale Gesundheitsnotstand macht allen deutlich, dass es jetzt gilt. Und es wird betont, dass die Länder voranschreiten müssen. Deutschland hat die ganzen Forderungen wie Vorhalten von Diagnostik oder Kontakte nachverfolgen etc. erfüllt. Aber die WHO will betonen, dass die Länder unterstützt werden, die eben nicht so ein gutes Gesundheits- und Wissenschaftssystem haben."
Der Gesundheitsnotstand verpflichtet deshalb alle WHO-Mitglieder, sich nicht nur gegenseitig zu informieren, Daten und Erkenntnisse zu teilen, sondern auch, wenn nötig, mit Geld, Material und Expertenteams zu helfen.
Für die betroffenen Menschen in China ändert sich durch den von der WHO verordneten Gesundheitsnotstand konkret zunächst nichts. Andere Staaten aber, vor allem die in der Asien-Pazifikregion, können nun auf einen möglichst schnellen und direkten Informationsaustausch mit China hoffen.
Coronavirus als Wirtschaftsbremse für China
In der Volksrepublik muss sich die Staats- und Parteiführung inzwischen nicht mehr nur mit den medizinischen Aspekten der Virus-Krise befassen. Immer deutlicher wird: Der Ausbruch des neuartigen Corona-Lungenvirus bringt auch massive wirtschaftliche Probleme mit sich. Klar ist schon jetzt: Die Wirtschaft in China wird dieses Jahr deutlich weniger wachsen als geplant. Was noch nicht klar ist: Wie stark der Rückgang sein wird.
Bei der "Economist Intelligence Unit", einem internationalem Wirtschaftsanalyse-Anbieter, hat man inzwischen vier Szenarien entwickelt. Sie reichen von einem Minus beim Wachstum von wenigen Nachkommastellen, falls das Virus bis Ende Februar eingedämmt wird. Pessimistischere Szenarien hingegen spielen die Möglichkeit durch, dass es noch bis Sommer oder Herbst dauert. Dann droht China ein Wirtschaftswachstum von nur 4,5 Prozent oder weniger. Das wäre ein für die Volksrepublik sehr schlechter Wert.
Nick Marro von der "Economist Intelligence Unit" in Hongkong: "Das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Nicht nur auf das Weltwirtschaftswachstum, sondern auch auf den Welthandel. Das träfe vor allem Handelsnationen. Betroffen wären viele asiatische Staaten, aber auch Industrienationen wie Deutschland."
Um die chinesische Wirtschaft zumindest etwas zu stabilisieren, hat Chinas Staatsführung bereits erste Hilfsmaßnahmen angekündigt. So will die Zentralbank den Finanzmärkten zusätzlich Kapital zur Verfügung stellen. Die Rede ist zunächst von umgerechnet mehr als 150 Milliarden Euro. Das wird allerdings nichts am Gesamtbild ändern. Die chinesische Wirtschaft wird massiv Schaden nehmen durch die Virus-Krise: Betroffen sind zunächst der Einzelhandel und der Tourismus. In den nächsten Tagen, nach den verlängerten Frühlingsfest-Feiertagen, machen chinaweit auch die Unternehmen und Fabriken wieder auf. Dort muss dann erstmal geschaut werden: Haben wir genügend Mitarbeiter; oder wollen oder müssen diese zunächst daheim bleiben? In der Industrie stellt sich außerdem die große Frage nach der Produktionskette, also: stehen genügend Grundstoffe, Bauteile und so weiter zur Verfügung?
Offen diskutiert wird all das in China bisher nur wenig. Stattdessen versucht die Staats- und Parteiführung, den Blick auf Projekte wie das neue Huoshenshan-Krankenhaus in der Provinz Hubei zu richten.
Krankenhausbau in Rekordzeit - ein Ablenkungsmanöver?
Chinas staatliche Onlinemedien zeigten Anfang der Woche spektakuläre Bilder der Klinik – unterlegt von dramatischer Musik. In nur gut einer Woche haben Bauarbeiter und Soldaten insgesamt zwei Spezialkrankenhäuser in der Provinz-Hauptstadt Wuhan hochgezogen, mit mehr als 2.000 Betten Kapazität. Für Kritiker sind die Kliniken und die aufwendige mediale Inszenierung ein schamloses Ablenkungsmanöver. Schließlich ist seit Jahren bekannt, dass das chinesische Gesundheitssystem massiv überfordert ist und den Bedürfnissen der immer größer werdenden chinesischen Mittelschicht in keiner Weise gerecht wird.
Weltweit arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt mit Hochdruck. In den Laboren gibt es nur noch dieses eine Thema, und täglich veröffentlichen mehrere Forschergruppen weltweit neue Erkenntnisse. Alles online, damit jeder überall Zugriff hat.
"Das Virus wurde ja im Dezember das erste Mal beschrieben. Wir haben jetzt schon für die gesamte Weltöffentlichkeit verfügbar die Sequenzen von all diesen Viren im Vergleich zu den anderen bekannten Coronaviren. Das ist eine Schnelligkeit der Diagnostik, die war vorher noch nicht da."
Impfstoff gegen Coronavirus - in etwa einem Jahr fertig
Eine solche Zusammenarbeit mit einem so hohen Tempo hat es bisher noch nicht gegeben, so Marylyn Addo. Deutsche Wissenschaftler sind beispielsweise in China, um die dortigen Experten zu unterstützen, hierzulande stehen Marylyn Addo und Kollegen mit ihren Teams im Labor, testen Wirkstoffe und mögliche Impfstoffe.
Hiesige Wissenschaftler halten es für durchaus möglich, bereits in etwa einem Jahr einen Impfstoff gegen das neue Coronavirus auf den Markt zu bringen. Das wäre Rekordzeit. Denn sie wollen verhindern, dass das Virus, wie zum Beispiel die Masern oder der Grippeerreger, zu einer dauerhaften Infektionsgefahr wird.
In China versucht die Staats- und Parteiführung, den Kampf gegen das Corona-Lungenvirus als nationale Aufgabe, als Mission des ganzen Volkes darzustellen.
"Unter der starken Führung der Kommunistischen Partei mit dem Genossen Xi Jinping in ihrem Kern werden wir diese Schlacht gewinnen": So hieß es vor einigen Tagen in einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums. Eher selten zu hören bekommen Chinesinnen und Chinesen selbstkritische Aussagen wie die von Ma Guoqiang zu hören. Er ist Partei-Chef von Wuhan und damit ist er der mächtigste Politiker der Stadt. Obwohl man alles daran setze, die Zahl der Krankenhausbetten zu erhöhen, komme man nicht so schnell voran, wie erhofft, sagte Ma vergangenen Freitag im Staatsfernsehen. Auch Medizintechnik und Medikamente seien knapp. Die Lage verbessere sich aber. Und Lebensmittel gebe es genügend, betonte Ma.
"Dank der Vorkehrungen des Staatsrates in Peking und der Hilfe aus den anderen Provinzen haben wir genügend Reis, Mehl, Speiseöl, Eier und Milchprodukte. Wenn es etwas gibt, woran es mangelt, dann sind es frisches Obst und Gemüse."
Dass ein hochrangiger Partei-Funktionär im Staatsfernsehen offen über Probleme spricht, das ist für chinesische Verhältnisse außergewöhnlich. Die Virus-Krise hat die Staats- und Parteiführung überrumpelt, auch wenn niemand in China ernsthaft damit rechnet, dass die Krise die Allmacht von Staats- und Parteichef Xi Jinping erschüttern wird: Der innerparteiliche Druck auf die kommunistische Führung in Hubei und in Peking dürfte steigen.
Internetvideos zeigen Chaos in den Krankenhäusern
Das öffentliche Gesundheitssystem ist vielerorts immer noch völlig unzureichend ausgestattet. Besonders deutlich wird das in der abgeriegelten Region rund um Wuhan, wie auf diversen Internetvideos der vergangenen Tage zu sehen ist. In einem der Videos ist ein etwa 40-jähriger Mann zu sehen, der an einem Schalter eines Krankenhauses steht und völlig ausrastet. Die Szene soll in einer Klinik in Wuhan gefilmt worden sein. Der Mann befürchtet offenbar, sich mit dem neuen Coronavirus angesteckt zu haben. Er bittet um einen Termin bei einem Krankenhaus-Arzt, er will sich am Aufnahme-Schalter registrieren lassen, doch die vier Krankenschwestern hinter dem Schalter schicken ihn weg: Keine freien Betten mehr im Krankenhaus, sagen sie, kein Mediziner sei verfügbar.
Es ist schwer zu sagen, wann und wo Videos wie dieses genau entstanden sind, aber klar ist: Im Kampf gegen das Virus läuft in China längst nicht alles so organisiert ab, wie von den staatlichen Medien vermittelt wird.
Besonders eindrücklich schildert dieser etwa Mitte-20-jährige Mann seine Eindrücke. Er komme aus Wuhan, erzählt er in die Kamera. Wenn man ins Krankenhaus will, um sich auf das Virus testen zu lassen, erzählt er: Keine Chance. Chaos. Man muss stundenlang anstehen, bis man dran kommt.
Sein Gesicht hat der anonyme Video-Erzähler hinter einer Gesichtsmaske versteckt; wohl nicht nur aus medizinischen Gründen, sondern auch, um wegen seiner sehr deutlichen Worte keinen Ärger von den Behörden zu bekommen.
"Warum um alles in der Welt haben uns die zuständigen Behörden nicht eher gesagt, wie gefährlich das Virus ist, und dass wir eine Maske tragen sollen? Die verantwortlichen Politiker hätten schon längst entlassen werden sollen."
Bevölkerung misstrauisch gegenüber Staatsführung
Was die Kommunikation mit dem eigenen Volk angeht, hat sich kaum etwas verbessert in China seit der SARS-Krise Anfang der 2000er. Damals und auch bei vielen weiteren Gesundheits- und Medizinskandalen der vergangenen Jahre versuchte die Staatsführung, wichtige Informationen zurückzuhalten. Entsprechend misstrauisch sind viele Menschen in China gegenüber den vollständig staatlich kontrollierten Medien. So sagt dieser 70jährige Passant aus Shanghai:
"Ich bin sicher, dass die Krankheit in Wuhan nicht erst im Dezember, sondern schon im November ausgebrochen ist. Man hat das nicht ernst genommen und hat so wertvolle Wochen im Kampf gegen das Virus verloren. Ich finde, dafür müssen Leute zu Verantwortung gezogen werden."
Offene und kritische Worte wie diese sind normalerweise selten in China. Je länger die Virus-Krise aber dauert, desto größer wird die Ungeduld vieler Menschen, so scheint es.
Quarantäne als Familienzeit nutzen
In der unter Quarantäne stehenden Stadt Shiyan in der Provinz Hubei versucht die 28-jährige Lili inzwischen, der ganzen Situation trotzdem etwas Positives abzugewinnen. Am Telefon erzählt sie:
"Das ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass ich so viel Zeit mit meinen Eltern verbringe. Seit meinem Schulabschluss sind zehn Jahre vergangen. Seitdem habe ich die beiden immer nur kurz gesehen. Jetzt sitzen wir zusammen, reden, schauen gemeinsam Filme und so weiter. Das tut uns gut. Wir verstehen einander nun besser."