Archiv


China und der Cyberkrieg

Hacking ist ein Streitpunkt zwischen China und den USA. Seit den Enthüllungen über das US-Programm "Prism" sieht sich China in seiner Rolle als Opfer bestätigt. Eine Beschädigung der Beziehungen wegen des Whistle-Blowers Snowden sieht Peking nicht - im Gegenteil.

Von Ruth Kirchner |
    Ein Werbespot im Internet. Die Firma Huameng Hacker Imperium wirbt damit, dass sie jedem beibringen kann, wie man Passwörter knackt und Viren entwickelt. Für nur 80 Euro könne man sich online zum Hacker schulen lassen. In der chinesischen Hacker-Szene gelten die Online-Kurse nicht viel. Das sei Anfängerkram, sagen sie und nütze nur ein paar Kleinkriminellen. Dieser Mann nennt sich Adler Wan.

    "Diese Leute denken, sie brauchen nichts zu riskieren und müssen bloß den ganzen Tag vor dem Computer sitzen, um Geld zu verdienen."

    Adler Wan gilt als der Pate der "Hongke", der roten Hacker, die nicht aus Profitstreben, sondern aus Patriotismus Computer und Webseiten knacken. Anfang des Jahrtausends war er Anführer einer Gruppe junger Patrioten, die amerikanische Webseiten verunstalteten und Seiten der US-Regierung lahmlegten. Heute ist Adler Wan Anfang 40 und arbeitet als Sicherheitsexperte für eine große Technologie-Firma. Dennoch sieht er, wie viele in der Szene, Hacking grundsätzlich nicht als Straftat:

    "In der Szene betrachten wir Informationen wie Wasser. Das meiste sollte umsonst sein und jeder hat das Recht es sich zu holen. Hacking ist dabei nur ein ungewöhnlicher Weg, an etwas heranzukommen."

    Weder die amerikanische noch die chinesische Regierung würden das unterschreiben. Beide lehnen in ihren offiziellen Verlautbarungen Cyberangriffe und Internetspionage ab. Doch Hacking ist seit Monaten ein Streitpunkt zwischen den beiden Großmächten. Die USA werfen China vor, amerikanische Behörden und Firmen systematisch auszuspionieren. Zuletzt hatte das Pentagon in seinem Jahresbericht schwere Vorwürfe gegen Peking erhoben. Die chinesische Regierung weist die Anschuldigungen regelmäßig zurück. Außenamtssprecherin Hua Chunying.

    "Die Cybersicherheit ist ein globales Problem. Cyberattacken stellen für China wie auch für andere Länder eine große Gefahr dar. China ist eines der großen Opfer von Hacker-Angriffen. Die Regierung nimmt Cyber-Sicherheit seht ernst und lehnt Hackerangriffe jeglicher Form ab."

    Seit den Enthüllungen von Edward Snowden, wonach auch China das Ziel des US-Überwachungsprogramms gewesen sei, haben die Chinesen Oberwasser. Sie fühlen sich bestätigt in ihrer Rolle als Opfer und werfen den Amerikanern Doppelzüngigkeit vor. Selbst gemäßigte Kommentatoren wie Guo Xiangang vom Institut für internationale Studien machen aus ihrer Schadenfreude keinen Hehl.

    "Amerikas Doppelmoral zeigt sich nur in diesem Fall, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Bei der Internetsicherheit misst Amerika ohne Zweifel mit zweierlei Maß. Aber auch bei Nuklearfragen – etwa wenn es um Israel und den Iran geht - oder bei den Menschenrechten legen die USA unterschiedliche Maßstäbe an."

    Edward Snowden kam den Chinesen gerade recht. Besser hätte man von den eigenen Aktivitäten nicht ablenken können. Seine Anwesenheit in Hongkong war für die Regierung jedoch ein Problem. Denn die Beziehungen zu den USA sind kompliziert genug – der Fall des jungen Amerikaners hätte die wirtschaftliche und strategische Kooperation beeinträchtigt, sagt Jin Canrong von der Volksuniversität Peking, der wie viele Experten vermutet, dass Peking hinter den Kulissen auf eine Ausreise Snowdens aus Hongkong gedrängt hat:

    "Aus chinesischer Sicht war dies die beste Lösung. Er war für uns wie eine heiße Kartoffel. Am besten war es ihn so schnell wie möglich ziehen zu lassen – dann hat der Fall mit uns nichts mehr zu tun."

    Die USA sprechen erbost von einem "schweren Rückschlag" im Verhältnis zu China, doch in der Volksrepublik ist man sich sicher, mit der Ausreise Snowdens Schaden vom bilateralen Verhältnis abgewendet zu haben. Jenseits der diplomatischen Verwerfungen fängt man in China aber auch an, weitergehende Fragen zu stellen. Etwa diese: wen und was die chinesischen Behörden im Internet überwachen. Dass sie E-Mails mitlesen, Telefonleitungen von Regierungskritikern und Journalisten ausspionieren, gilt als ausgemacht. Doch einige Anwälte wollen es genau wissen und verlangen vom Ministerium für Öffentlich Sicherheit jetzt Auskunft über die Überwachungsmethoden und deren rechtliche Grundlagen. Eine Antwort haben sie bislang nicht bekommen. Aus gutem Grund: Chinas eigene Haltung gegenüber der Internet-Überwachung ist mindestens so doppelbödig wie die amerikanische.

    Und die Regierung lässt sowohl die Hackerschulen wie auch die patriotischen Roten Hacker im ansonsten streng zensierten Netz gewähren. Dies ist Musik von der Webseite der "Roten Hacker Armee". Schon vor drei Jahren wurde die Gruppe, die behauptet 80.000 Mitglieder zu haben, aufgefordert, ihre Aktivitäten einzustellen. Doch die Webseite und ihr Forum sind weiter aktiv. Und junge Nachwuchshacker sagen sehr freimütig, dass sie – anders als ihr Pate Adler Wan – heutzutage für Geld alles machen: Aus patriotischen Gründen Regierungswebseiten im Ausland knacken, für satte Gewinne im Zocker- und Wettmilieu Daten ändern oder im Auftrag der Regierung aktiv werden - Hauptsache sie zahlt genug.