Archiv

China und Indien
Wind und Solar verdrängen Kohlekraft

Indien, China und die USA stoßen mehr als die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen aus - sie gelten in Energiefragen als Schmuddelkinder. Doch ausgerechnet Indien und China scheinen Deutschland derzeit den Rang als Energiewende-Vorreiter abzulaufen. Denn sie schlagen mit der Energiewende zwei Fliegen mit einer Klappe, sagte Niklas Höhne vom New Climate Institute im DLF.

Niklas Höhne im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Über einer Photovoltaikanlage in Taizhou, China, schwebt eine Drohne. Mit ihr werden die Panele kontrolliert.
    Eine Fotovoltaikanlage in Taizhou, China. (imago / China Photo Press)
    Stefan Römermann: Das große Ziel wurde auf der UN-Klimakonferenz in Paris festgezurrt: Auf maximal zwei Grad soll die Erderwärmung begrenzt werden, besser noch auf 1,5. Damit das klappt, müssen weltweit riesige Mengen an CO2-Emissionen eingespart werden, Verkehr und Energieversorgung umgebaut werden auf erneuerbare Energien. Wie es damit klappt, das hat jetzt eine neue Studie von German Watch, der Allianz Climate Solutions und des New Climate Institute untersucht. Ich bin jetzt verbunden mit Niklas Höhne vom New Climate Institute. Herr Höhne, was ist denn Ihre Einschätzung? Schaffen wir das wirklich, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen?
    Niklas Höhne: Ich will es noch nicht ausschließen, aber die jetzigen Aktivitäten der Länder reichen noch nicht aus, um den Klimawandel auf dieses Niveau zu senken. Wir kommen auf ungefähr 2,8 Grad, das ist noch weit weg von 1,5. Aber das Positive ist, dass es doch in bestimmten Bereichen schneller geht, als wir das vorher gedacht hatten, insbesondere eben in den Bereichen der erneuerbaren Energien.
    Wind und Solar verdrängen Kohlekraft
    Römermann: Wie steht Deutschland da?
    Höhne: Deutschland müsste eigentlich noch mehr zulegen. Deutschland ist ja weltweit auch immer Vorreiter gewesen bei den erneuerbaren Energien. Aber hier geht es jetzt darum, nicht langsamer zu werden, sondern auch in Deutschland noch etwas schneller zu werden. Und da ist insbesondere wichtig, nicht nur die Erneuerbaren auszubauen, sondern sich auch um die Kohle zu kümmern und langfristig eben einen Kohleausstiegsplan zu entwickeln. Und der ist, das zeigt sich, noch etwas schwer derzeit. Aber das wäre sozusagen der wichtigste Schritt, der in Deutschland jetzt getan werden müsste.
    Römermann: Die Wirtschaft in China und in Indien galt lange Zeit als dreckig und quasi als hoffnungslos in Sachen Klimaschutz, aber da hat sich in letzter Zeit einiges getan. Die laufen uns so ein bisschen den Rang ab.
    Höhne: China war auch schon seit längerer Zeit dabei, erneuerbare Energien zu fördern, auch sehr massiv, und auch in den letzten Jahren sind Wind und Solar wieder massiv hochgegangen, die Investitionen sind sehr hoch. Und was insbesondere interessant ist, ist, dass dadurch der Verbrauch von Kohle rückläufig war. In der Vergangenheit war es immer so, dass immer mehr neue Kohlekraftwerke gebaut worden sind und Kohle in der Industrie auch sehr viel genutzt wurde und der Trend immer nach oben zeigte. Wir haben jetzt seit drei Jahren den Trend nach unten, und das war vorher nicht abzusehen. Und das ist eigentlich eine sehr positive Entwicklung, die auf die starke Position der erneuerbaren Energien zurückzuführen ist. Die verdrängen im Prinzip die Kohlekraftwerke derzeit.
    "Große Probleme mit lokaler Luftverschmutzung"
    Römermann: Warum setzen Indien und China so stark darauf?
    Höhne: Es gibt zwei Gründe. Der erste Grund ist, erneuerbare Energien sind unglaublich günstig geworden. In vielen Fällen können Sie jetzt schon konkurrieren mit den fossilen Energieträgern – nicht überall, aber in vielen Fällen ist es günstiger, Windparks oder Solaranlagen zu bauen, als neue fossile Kraftwerke. Der zweite Punkt ist aber auch, dass sowohl Indien als auch China große Probleme haben mit lokaler Luftverschmutzung, und die kommt auch zum Großteil aus Kohlekraftwerken. Also man kann sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem man Erneuerbare ausbaut und Kohle zurückfährt.
    Römermann: In Ihrer Studie steht, dass die drei wichtigsten Länder in Sachen Klimaschutz China, Indien und die USA sind. Wie groß ist deren Anteil an den Gesamtemissionen? Kann man das so Pi mal Daumen sagen?
    Höhne: Gemeinsam haben die mehr als die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen. China ist ungefähr ein Drittel, USA ist bei 16 Prozent und Indien bei sechs Prozent. Aber gemeinsam sind es eben über die Hälfte und sind jeweils die größten Emittenten. Deswegen, was in diesen drei Ländern passiert, ist überaus wichtig, um das globale Ziel zu erreichen.
    Trumps Klimapolitik: "Am Ende wird der Markt sprechen"
    Römermann: Ausgerechnet die USA machen Ihnen jetzt Sorgen, wenig überraschend. Donald Trump, der neue US-Präsident, gilt als Klimaskeptiker und setzt offenbar stark auf Kohle. Wie beurteilen Sie die Politik dort?
    Höhne: Die Politik von US-Präsident Trump ist komplett gegenläufig zu der Politik von China und Indien. China und Indien setzen weiterhin auf Erneuerbare und unterstützen die und fahren die Kohle zurück. Aber USA, jedenfalls die nationale Politik, macht genau das Gegenteil, also fährt die Unterstützung für Erneuerbare zurück und möchte die Kohle fördern.
    Römermann: Sie betonen jetzt die nationale Politik …
    Höhne: Genau, weil nämlich es auch Bundesstaaten gibt, und die Politik ist ja hier nicht nur zentralisiert, insbesondere bei Energie sind auch die Bundesstaaten sehr wichtig. Und da gibt es sehr viele, die sich dagegen stemmen und sagen, jetzt erst recht, wo aus der nationalen Politik wenig zu erwarten ist, wollen wir das auf Staatenebene fortführen. Und ich glaube, am Ende wird der Markt sprechen. Denn Erneuerbare sind auch in den USA sehr günstig geworden und haben in der Vergangenheit schon Kohle quasi aus dem Markt gedrängt.
    "Kohle ist einfach teurer"
    Römermann: Sie glauben nicht, dass Kohle jetzt ein großes Comeback erlebt.
    Höhne: Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen, weil die wirtschaftliche Situation nicht dafür spricht. Kohle ist einfach teurer in den USA als neue Windkraftanlagen zu bauen. Und in verschiedenen Staaten der USA sehen wir eben, dass sehr viel auf Erneuerbare gesetzt wird, aber eben Kohle quasi nicht mehr weiter gefördert wird.
    Römermann: Niklas Höhne vom New Climate Institute. Vielen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.