Karin Fischer: Das Internet ist ein Medium der Demokratisierung, nicht nur, weil es seine Inhalte theoretisch überall und jedem zur Verfügung stellt. Ein Schwarzafrikaner mit Smartphone weiß heute mehr als der damalige US-Präsident Ronald Reagan, war kürzlich irgendwo zu lesen. Doch mit dem theoretisch demokratisierenden Wissen wächst auch die Internet-Zensur, das stellt "Reporter ohne Grenzen" fest. Die Organisation hat heute anlässlich des "Welttags gegen Internet-Zensur" Bilanz gezogen.
Matthias Spielkamp ist Journalist und Blogger, außerdem Berater für Online-Journalismus und Urheberrecht, und er sitzt im Vorstand der deutschen Sektion von "Reporter ohne Grenzen". Herr Spielkamp, auf Ihrer "Achse des Bösen" haben Sie eindeutig China und Iran ausgemacht. Was haben Sie dort festgestellt?
Matthias Spielkamp: China und Iran sind Länder, die schon lange auf der Liste stehen und die sich eben leider immer wieder als echte Feinde des Internets erweisen. China ist besonders berüchtigt, weil das Land sehr viel Ressourcen hat, auch sehr viel Know-how, um das Internet auf ganz viele Arten und Weisen zu nutzen gegen seine eigene Bevölkerung. Das ist einmal so: die zensieren. Das heißt, die versuchen, bestimmte Internet-Inhalte gar nicht erst den Nutzern anzuzeigen. Dann nutzen sie das Netz aber gleichzeitig auch, um Propaganda zu machen für ihre eigenen Ziele, und nach dem, was wir hören, ist das auch sehr erfolgreich.
Das heißt, es gibt viele Chinesen, die praktisch da überhaupt kein Bewusstsein dafür haben, die gar nicht merken, dass ihnen zum Beispiel Suchergebnisse über Tibet nicht angezeigt werden und dass das auch gar nicht als Problem empfunden wird. Außerdem sitzen dort richtig viele Online-Aktivisten und Dissidenten im Gefängnis, und das ist eben beim Iran auch so, und der Iran ist sogar so weit gegangen zu sagen, die möchten sich ganz abschotten vom echten Internet. Das echte Internet ist international und grenzübergreifend und die haben gesagt, nein, wir wollen das nicht, wir wollen eigentlich lieber unser eigenes Internet, und das wäre dann so eine Art Intranet für den Iran und das hätte mit dem Internet, wie wir es uns vorstellen, eigentlich überhaupt nichts mehr zu tun.
Fischer: Sie sagen, das gibt es schon lange. Aber haben diese Staaten auch auf die Umbrüche in Nordafrika reagiert? Danach hatte man ja schon den Eindruck, dass gerade Peking sehr nervös wird. Gibt es eine wahrnehmbarere Angst vor diesen Informationen im Netz, oder kann es auch gerade in Sachen Peking zum Beispiel der Ausdruck eines stärkeren Selbstbewusstseins dieser Regimes sein?
Spielkamp: Bei China muss man schon eben wirklich den Eindruck haben, dass die zwar das mit sehr großer Besorgnis zur Kenntnis genommen haben, aber die Reaktion darauf war dann eher eine Verschärfung dessen, was sie dort tun und tun können. Und dass man jetzt dann eben darauf hoffen kann, dass die zum Beispiel offener werden, das sehen wir nicht. Das ist weder in China, noch im Iran, noch natürlich gerade in Syrien der Fall.
Fischer: Wie groß ist denn eigentlich die Rolle des Internets beim Thema Dissidenz überhaupt? Sie nennen das "Cyber-Dissidenz".
Spielkamp: Ja, die Rolle ist sehr groß. Es ist eben einfach eine Technik, mit der es möglich ist, sehr viele Inhalte sehr weit zu verbreiten, und es ist im Grunde genommen für Regierungen äußerst schwierig, das unter Kontrolle zu halten. Es gelingt ja auch vielen Regierungen nicht, oder wenn es ihnen gelingt, dann eben nur zum Preis, dass sie das vollständig abschalten. Ägypten hat das gemacht auf dem Höhepunkt der Aufstände dort, fünf Tage lang das Internet abgeschaltet, aber da kann heute im Grunde genommen kein Staat mehr mit leben. Das heißt, die müssen wirklich dann irgendwann auch einsehen, wir brauchen das Internet. Und wenn sie das Internet brauchen, das dann aber so zu kontrollieren, dass es ihnen praktisch zu Pass kommt, das ist schwierig und das können eben nicht viele Länder.
Fischer: Gibt es denn auch positive Entwicklungen?
Spielkamp: Es gibt auch positive Entwicklungen. Eine ist zum Beispiel Libyen. In Libyen haben die Bürger ihr Regime zum Teufel gejagt und das Land ist jetzt von der Liste der Länder, die unter Beobachtung stehen, verschwunden. Man muss hoffen, dass es dabei bleibt, denn jetzt ist es ja erst mal so, da gibt es im Grunde genommen keine richtige Regierung, die Kontrolle ausüben kann. Was danach kommt, wird man sehen. Ägypten ist eins der Länder, die leider beispielhaft dafür stehen, dass wenn dann wieder eine funktionierende Regierung etabliert wird, die auch gleich wieder zu sehr harschen Methoden greifen kann. Da sind schon wieder Blogger ins Gefängnis gekommen, und das hatte man sich ja nun wirklich völlig anders vorgestellt.
Fischer: Wie reagieren die Blogger und Internet-Aktivisten in den Ländern auf diese Maßnahmen, haben Sie da ein konkretes Beispiel?
Spielkamp: Ein Beispiel, wie etwa Menschen versuchen, sich davor zu schützen, dass etwa ihre Identität gestohlen wird und Leute auf ihre Kontakte zugreifen können, sieht so aus, dass in vielen arabischen Ländern Leute, die eben Dissidenten dort sind, ihre Passwörter für wichtige Social Networks, sagen wir mal für Facebook, an sehr, sehr gute und vertrauenswürdige Freunde weitergeben. Das heißt, wenn die ins Gefängnis kommen und der Freund hört davon, dann schaltet er sofort zum Beispiel dieses Facebook-Profil ab, damit der Mensch nicht das Risiko eingeht, dass ihm zum Beispiel unter Folter dieses Passwort abgerungen wird und die Leute dann seine ganze Aktivität bei Facebook und auch alle Freunde und Bekannte dort praktisch auf dem Silbertablett serviert bekommen.
Fischer: Danke an Matthias Spielkamp für diese Einschätzungen zum "Welttag gegen Internet-Zensur".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Matthias Spielkamp ist Journalist und Blogger, außerdem Berater für Online-Journalismus und Urheberrecht, und er sitzt im Vorstand der deutschen Sektion von "Reporter ohne Grenzen". Herr Spielkamp, auf Ihrer "Achse des Bösen" haben Sie eindeutig China und Iran ausgemacht. Was haben Sie dort festgestellt?
Matthias Spielkamp: China und Iran sind Länder, die schon lange auf der Liste stehen und die sich eben leider immer wieder als echte Feinde des Internets erweisen. China ist besonders berüchtigt, weil das Land sehr viel Ressourcen hat, auch sehr viel Know-how, um das Internet auf ganz viele Arten und Weisen zu nutzen gegen seine eigene Bevölkerung. Das ist einmal so: die zensieren. Das heißt, die versuchen, bestimmte Internet-Inhalte gar nicht erst den Nutzern anzuzeigen. Dann nutzen sie das Netz aber gleichzeitig auch, um Propaganda zu machen für ihre eigenen Ziele, und nach dem, was wir hören, ist das auch sehr erfolgreich.
Das heißt, es gibt viele Chinesen, die praktisch da überhaupt kein Bewusstsein dafür haben, die gar nicht merken, dass ihnen zum Beispiel Suchergebnisse über Tibet nicht angezeigt werden und dass das auch gar nicht als Problem empfunden wird. Außerdem sitzen dort richtig viele Online-Aktivisten und Dissidenten im Gefängnis, und das ist eben beim Iran auch so, und der Iran ist sogar so weit gegangen zu sagen, die möchten sich ganz abschotten vom echten Internet. Das echte Internet ist international und grenzübergreifend und die haben gesagt, nein, wir wollen das nicht, wir wollen eigentlich lieber unser eigenes Internet, und das wäre dann so eine Art Intranet für den Iran und das hätte mit dem Internet, wie wir es uns vorstellen, eigentlich überhaupt nichts mehr zu tun.
Fischer: Sie sagen, das gibt es schon lange. Aber haben diese Staaten auch auf die Umbrüche in Nordafrika reagiert? Danach hatte man ja schon den Eindruck, dass gerade Peking sehr nervös wird. Gibt es eine wahrnehmbarere Angst vor diesen Informationen im Netz, oder kann es auch gerade in Sachen Peking zum Beispiel der Ausdruck eines stärkeren Selbstbewusstseins dieser Regimes sein?
Spielkamp: Bei China muss man schon eben wirklich den Eindruck haben, dass die zwar das mit sehr großer Besorgnis zur Kenntnis genommen haben, aber die Reaktion darauf war dann eher eine Verschärfung dessen, was sie dort tun und tun können. Und dass man jetzt dann eben darauf hoffen kann, dass die zum Beispiel offener werden, das sehen wir nicht. Das ist weder in China, noch im Iran, noch natürlich gerade in Syrien der Fall.
Fischer: Wie groß ist denn eigentlich die Rolle des Internets beim Thema Dissidenz überhaupt? Sie nennen das "Cyber-Dissidenz".
Spielkamp: Ja, die Rolle ist sehr groß. Es ist eben einfach eine Technik, mit der es möglich ist, sehr viele Inhalte sehr weit zu verbreiten, und es ist im Grunde genommen für Regierungen äußerst schwierig, das unter Kontrolle zu halten. Es gelingt ja auch vielen Regierungen nicht, oder wenn es ihnen gelingt, dann eben nur zum Preis, dass sie das vollständig abschalten. Ägypten hat das gemacht auf dem Höhepunkt der Aufstände dort, fünf Tage lang das Internet abgeschaltet, aber da kann heute im Grunde genommen kein Staat mehr mit leben. Das heißt, die müssen wirklich dann irgendwann auch einsehen, wir brauchen das Internet. Und wenn sie das Internet brauchen, das dann aber so zu kontrollieren, dass es ihnen praktisch zu Pass kommt, das ist schwierig und das können eben nicht viele Länder.
Fischer: Gibt es denn auch positive Entwicklungen?
Spielkamp: Es gibt auch positive Entwicklungen. Eine ist zum Beispiel Libyen. In Libyen haben die Bürger ihr Regime zum Teufel gejagt und das Land ist jetzt von der Liste der Länder, die unter Beobachtung stehen, verschwunden. Man muss hoffen, dass es dabei bleibt, denn jetzt ist es ja erst mal so, da gibt es im Grunde genommen keine richtige Regierung, die Kontrolle ausüben kann. Was danach kommt, wird man sehen. Ägypten ist eins der Länder, die leider beispielhaft dafür stehen, dass wenn dann wieder eine funktionierende Regierung etabliert wird, die auch gleich wieder zu sehr harschen Methoden greifen kann. Da sind schon wieder Blogger ins Gefängnis gekommen, und das hatte man sich ja nun wirklich völlig anders vorgestellt.
Fischer: Wie reagieren die Blogger und Internet-Aktivisten in den Ländern auf diese Maßnahmen, haben Sie da ein konkretes Beispiel?
Spielkamp: Ein Beispiel, wie etwa Menschen versuchen, sich davor zu schützen, dass etwa ihre Identität gestohlen wird und Leute auf ihre Kontakte zugreifen können, sieht so aus, dass in vielen arabischen Ländern Leute, die eben Dissidenten dort sind, ihre Passwörter für wichtige Social Networks, sagen wir mal für Facebook, an sehr, sehr gute und vertrauenswürdige Freunde weitergeben. Das heißt, wenn die ins Gefängnis kommen und der Freund hört davon, dann schaltet er sofort zum Beispiel dieses Facebook-Profil ab, damit der Mensch nicht das Risiko eingeht, dass ihm zum Beispiel unter Folter dieses Passwort abgerungen wird und die Leute dann seine ganze Aktivität bei Facebook und auch alle Freunde und Bekannte dort praktisch auf dem Silbertablett serviert bekommen.
Fischer: Danke an Matthias Spielkamp für diese Einschätzungen zum "Welttag gegen Internet-Zensur".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.