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Chinas Boomstadt
Kein Weg vorbei an Chengdu

Auch nach Chengdu, einer Boomstadt im Westen Chinas, führt die China-Reise von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: neben deutschen Firmen wie Siemens und Volkswagen entstehen hier unzählige Hightech-Start-ups und Industrie-Zonen. Sie profitieren von Steuernachlässen, günstigen Büroflächen und einer Politik, die sich lösungsorientiert zeigt.

Von Steffen Wurzel |
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kommt am 01.11.2016 auf dem Flughafen in Peking, China an und wird vom deutschen Botschafter in China, Michael Clauss (re) begrüßt.
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kommt am 01.11.2016 auf dem Flughafen in Peking, China an und wird vom deutschen Botschafter in China, Michael Clauss (re) begrüßt. (dpa/Bernd von Jutrczenka)
    Die Fabrikanlage des deutschen Industriegase-Herstellers Messer steht in einem Außenbezirk von Chengdu. Zwei riesige weiße Gastanks aus Beton und ein schlanker, eckiger Turm prägen das Firmengelände. Überall faucht und dampft es. Unbeeindruckt vom Lärm schlängelt sich Zhang Genqu durch das Dickicht aus Rohren und Ventilen. Der Chef der Messer-Werke in Westchina erklärt, wie die Anlage funktioniert:
    "Dieser Filter holt den Staub aus der Luft. Und in diesem Kompressor hier wird die Luft auf vier bis fünf Bar verdichtet."
    Deutscher Mittelständer Messer schon seit 20 Jahren vor Ort
    Die normale Atem-Luft wird hier zerlegt in drei ihrer Haupt-Bestandteile: Sauerstoff, Stickstoff und Argon. Messer liefert diese stark heruntergekühlten und dann flüssigen Gase an diverse Unternehmen in der Nachbarschaft, direkt per Pipeline oder mit Kühltankern. Die Nachbarfirmen brauchen die Gase zum Beispiel bei der Produktion von Computer-Chips und Monitor-Displays.
    Die Gase des deutschen Mittelständlers Messer sind gefragt in Chengdu, und zwar seit rund 20 Jahren.
    "Damals haben unsere internationalen Konkurrenten West-China noch gar nicht auf dem Schirm gehabt. Wir wussten aber schon, was diese Region für ein Potenzial hat. Das hat uns bewogen, hierher zu kommen."
    Ein paar Kilometer weiter stadteinwärts. In einem der verglasten, modernen Hochhäuser sitzt Sabine Yang-Schmidt, sie leitet das Regionalbüro der deutschen Außenhandelskammer in Chengdu. Von ihrem Büro im sechsten Stockwerk aus versucht sie, Vorurteile abzubauen. Nach wie vor bekommt sie aus Deutschland regelmäßig Fragen wie diese:
    Monat für Monat neue Startups
    "Wo ist das denn? Gehört das noch zu China? Laufen die Leute dort noch mit dem Strohhut herum? Diese Stereotypen und diese völlige Unkenntnis herrschen leider noch vor. Wenn wir in Deutschland Gespräche führen, haben viele West-China nicht direkt auf dem Schirm."
    Chengdu hat sich entwickelt von einer abgelegenen Stadt in den Bergen von Sichuan zu einer der Boomstädte Chinas. Früher war die Stadt bekannt für scharfes Essen und Pandabären. Heute kennt man sie wegen der vielen Hightech-Firmen und immer weiter wachsenden Industrie-Zonen. Monat für Monat werden neue Startups gegründet, vor allem in den Bereichen Software und Computer-Technik. In den vergangenen Jahren haben sich aber auch viele traditionsreiche große deutsche Firmen angesiedelt, neben Messer zum Beispiel auch BASF, Siemens, Volkswagen, Evonik und Bayer.
    Steuernachlässe und günstige Büroflächen
    "Was diese Region besonders macht, dass hier große Freiheiten bestehen, sich zu entfalten. Die Regional-Regierung unterstützt die Wirtschaft hier, das lockt vor allem kleinere und mittlere Unternehmen an."
    Die Chengduer Stadtregierung gewährt Steuernachlässe, erklärt Sabine Yang-Schmidt, neu gegründete Firmen würden außerdem mit günstigen Büro-Flächen versorgt.
    Gute Kommunikation mit der Politik
    Fast jeder Wirtschaftsvertreter, mit dem man in Chengdu spricht, erzählt außerdem noch etwas anderes, etwas für China Außergewöhnliches: Die Kommunikation mit der Politik klappe in Chengdu deutlich besser als in anderen Provinzen. Die Europäische Handelskammer in Chengdu zum Beispiel berichtet von einem Treffen mit dem Bürgermeister der Stadt. Vor dem Treffen hatte die Handelskammer eine Liste mit Problemen an die Stadtverwaltung geschickt. In dem Papier, dem sogenannten Zufriedenheitsbericht der europäischen Firmen in der Region, ging es unter anderem um die chronisch dreckige Luft, die teils immer noch fragwürdigen Zustände in Chengduer Krankenhäusern und um langsames Internet.
    "Und da ist sofort der Bürgermeister von Chengdu an uns herangetreten und hat gesagt: Ja, lasst uns miteinander reden, wir wollen diese Probleme angehen."
    Robin Niethammer, Vorsitzender der Europäischen Handelskammer in Südwest-China.
    "Dann hat er uns eingeladen und ist mit uns tatsächlich alle Probleme, die wir aufgelistet hatten, einzeln durchgegangen. Er hat inzwischen auch schon Vorschläge zur Verbesserung vorgelegt."
    Viele gute Unis in der Region
    Auch, wenn in Chengdu immer noch viel Abenteuer steckt - im Vergleich zu Shanghai zum Beispiel - die Hauptstadt von Sichuan wird immer attraktiver. Das liege auch an den vielen guten Unis in der Gegend, sagt Robin Niethammer:
    "Es gibt zum Beispiel die South-West University for Finance and Economics, die sehr gute Leute in den Markt reinbringt, die Sichuan University, die sehr gut ist, also Du hast sehr viele Möglichkeiten, hier gute Leute zu rekrutieren."
    Der deutsche Mittelständler Messer hat vor kurzem ein neues Werk in Chengdu eröffnet. Immer mehr Firmen produzieren in der Region und egal aus welcher Branche: viele von ihnen brauchen flüssiges Industrie-Gas.
    "Chemie, Metall, Glas, Nahrungsmittel - wir beliefern alle Branchen. Hier in der Gegend haben wir vor allem Kunden aus der Elektronikbranche."
    Und der Bedarf wird weiter wachsen. Das werden auch Yang Genqu, Sabine Yang-Schmidt und Robin Niethammer betonen, wenn sie sich im Rahmen der Chengduer Westmesse mit Sigmar Gabriel treffen.
    "Sichuan ist - was Größe und Bevölkerung angeht - etwa so groß wie Deutschland. Deswegen glauben wir: Da steckt viel Potenzial drin."
    "Hier tut sich was, hier wächst was und das bietet hier nach wie vor Chancen, sich hier anzusiedeln und zu investieren."
    "Ich würde es genau so sagen: Westchina ist der Ort, an dem Man investieren sollte."