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Chinas KP und die Religion
Kirchen im Käfig

Beim Kongress der Kommunistischen Partei in China will sich Staatspräsident Xi Jinping eine zweite Amtszeit sichern. Er gilt als autoritär - auch im Umgang mit Religionsgemeinschaften. "Echte Religionsfreiheit gab es in der Volksrepublik nie", sagte China-Korrespondent Axel Dorloff im Dlf.

Axel Dorloff im Gespräch mit Monika Dittrich |
    Staats- und Parteichef Xi Jinping spricht zu den etwa 2.300 Delegierten auf dem Parteikongress in Peking
    Chinas Präsident Xi Jinping auf dem Parteitag - wie hält er's mit der Religion? (AFP)
    Monika Dittrich: In Peking hat der Parteitag der Kommunistischen Partei begonnen. Es ist ein politisches Spektakel mit tausenden Delegierten, das nur alle fünf Jahre abgehalten wird und eine Woche lang dauert. Dieses Mal dürfte es eine Art Krönungsmesse für Staatschef Xi Jinping werden, der sich eine zweite Amtszeit sichern und seine Machtposition ausbauen will. Sein Politikstil gilt als autoritär und repressiv. Die Frage an unseren China-Korrespondenten Axel Dorloff, wie hat sich die Religionsfreiheit in den vergangenen fünf Jahren unter der Führung von Xi Jinping entwickelt?
    Axel Dorloff: Na, China erkennt erst mal fünf Religionen offiziell an: den Buddhismus, Daoismus, Islam, Protestantismus und Katholizismus. Aber die Aktivitäten der Religionsgemeinschaften werden kontrolliert, mal mehr und mal weniger. Und unter Xi Jinping gab es da sehr gegensätzliche Tendenzen.
    Auf der einen Seite Unterstützung für die sogenannten traditionellen Religionen in China, also Buddhismus, Daoismus, auch Konfuzianismus wird in diesem Zusammenhang oft genannt, wenn es ja auch eigentlich keine Religion ist. Präsident Xi sieht in diesen traditionellen Volksreligionen eine Säule der Gesellschaft und keine Gefahr für den Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei. Xi hat zum Beispiel den Geburtsort von Konfuzius besucht und ihn dabei sehr lobend erwähnt, er hat bekannte buddhistische Führer aus Taiwan empfangen – Chinas Präsident gilt deshalb bei den klassischen Volksreligionen auch durchaus als beliebt.
    Das chinesische Neujahrsfest: Am Guiyuan Tempel verehren Einwohner Caishen, den Gott des Reichtums - hier in Wuhan in der Provinz Hubei am 01. Februar 2017.
    Weitgehend repressionsfrei: daoistische Zeremonien und Rituale in China (imago/China Foto Press)
    Insgesamt wurde aber unter Xi Jinping die Religionsausübung in China eher weiter begrenzt: Christliche Kirchen und muslimische Glaubensgemeinschaften wurden teils sehr streng überwacht. Unter Xi Jinping haben die Repressionen nach innen in den vergangenen fünf Jahren allgemein zugenommen - und das trifft auch auf die Religionsfreiheit zu.
    "Echte Religionsfreiheit gab es in China noch nie"
    Dittrich: Laut Verfassung gilt in China Religionsfreiheit, andererseits gibt es strenge Religionsvorschriften, Sie haben das gesagt, auch eine Behörde, die über ihre Einhaltung wacht. Was würden Sie sagen, wie leben gläubige Menschen heute in China?
    Dorloff: Das ist sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gilt in China: Wenn Religionsgemeinschaften den absoluten Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei anerkennen, dann ist ihre Chance größer, ihren Glauben ungehindert leben zu dürfen.
    Vielleicht nur mal am Beispiel der Christen in China: Die christliche Kirche in der Volksrepublik ist ja im Prinzip gespalten, es existiert ein Nebeneinander von offiziellen Staatskirchen auf der einen Seite – das sind die sogenannten 'Patriotischen Vereinigungen', die sich dem Primat der Kommunistischen Partei unterwerfen und deshalb ihren Glauben auch leben dürfen, weil sie die Autorität der KP anerkennen. Und auf der anderen Seite gibt es in China halböffentliche und im Untergrund agierende Gemeinden – sogenannte Hauskirchen, die sich nicht der Kommunistischen Partei unterwerfen. Die haben schon deutlich mehr Probleme, ihren Glauben zu leben. Hauskirchen sind zwar nach amtlicher chinesischer Lesart nicht verboten, solange sie sich nicht gegen die Staatsmacht und die sozialistische Ideologie stellen – trotzdem gehen die Behörden in China immer wieder gegen diese Gruppierungen vor, sie werden als Sekte oder als Kulte bezeichnet.
    Also Fazit nur am Beispiel der Christen in China: Es kann sehr unterschiedlich sein, wie man als gläubiger Mensch in China lebt. Man muss aber auch sagen, eine echte Religionsfreiheit, wie man sie in Deutschland kennt, auch wenn sie in der Verfassung hier in China garantiert wird, gab es in der Volksrepublik noch nie.
    "Bischöfe von Untergrundkirchen sind verschwunden"
    Dittrich: Sie haben jetzt die Untergrundkirchen angesprochen. Welche Repressalien erleben die denn?
    Dorloff: Es war, gerade in den letzten Jahren auch, immer wieder die Rede von Kameras, die in Gemeinderäumen installiert werden, damit die lokalen Behörden die Gläubigen beobachten können, Kreuze wurden von Kirchendächern gerissen, Bischöfe von Untergrundkirchen sind verschwunden. Bis heute gibt es Bischöfe, von denen man nicht weiß, wo sie sind. Und die Liste ließe sich weiterführen.
    Und eigentlich auch noch dramatischer am Beispiel der Muslime. Ein Beispiel: Seit April dieses Jahres gelten neue Regeln in Xinjiang, das ist eine Provinz ganz im Nordwesten Chinas. Etwa die Hälfte der rund 20 Millionen Einwohner dort ist muslimisch, die meisten davon sind Uiguren. Und in Xinjiang ist ein Gesetz erschienen, das insgesamt 15 religiöse Verhaltensweisen verbietet, Verbote wie: keine Burka über dem Gesicht, keine übermäßig langen Bärte, Eltern dürfen sich nicht mehr weigern, ihre Kinder in die normalen staatlichen Schulen zu schicken; Muslimen ist es auch untersagt, das staatliche Fernsehen oder Radio oder andere staatliche Einrichtungen abzulehnen.
    Ein uigurischer Mann mit traditioneller Kopfbedeckung und verschwommen im Hintergrund eine Frau in traditioneller Kleidung. 
    In Xinjiang ist die Rasur für den Mann zur staatlichen Pflicht geworden (AFP / Frederic Brown)
    Offiziell begründet die Regierung das alles mit Terrorismusbekämpfung. Die Provinzregierung sagt: Nur mit diesen scharfen Gesetzen können wir islamistischen Terror, können wir religiösen Fundamentalismus und Separatismus effektiv bekämpfen. Und Menschenrechtsgruppen prangern dagegen zu Recht an – das ist heftige religiöse Diskriminierung.
    "Heftiger Zulauf zu Kirchen"
    Dittrich: Auf der anderen Seite haben viele Religionsgemeinschaften starken Zulauf, insbesondere die christlichen Kirchen. Es gab einen regelrechten Tauf-Boom. Es gibt die Zahl, dass es angeblich mehr Christen gibt in China als Parteimitglieder. Wie kommt das? Was denken Sie, warum wachsen die Kirchen in China so stark?
    Dorloff: Erst mal ist das richtig, es gibt in den vergangenen Jahren einen heftigen Zulauf zu Kirchen und zu Glaubensgemeinschaften in China. Das ist auch eine Spätfolge der Kulturrevolution. Die hat in den 60er-, 70er-Jahren die Religion in China den traditionellen Glauben, die traditionellen Werte weitgehend zerstört. Danach gab es dann fast 40 Jahre rasantes Wirtschaftswachstum, einen sehr ungezügelten Kapitalismus, der ebenfalls viele Werte zerstört hat. Und das beides hat einen Nährboden für Religion in der chinesischen Gesellschaft geschaffen.
    Ein Blick auf die Xujiahui-Kathedrale in Shanghai
    Die Xujiahui-Kathedrale in Schanghai - die chinesischen Kirchen haben großen Zulauf (dpa / ChinaFotoPress/ MAXPPP / Wang Feng)
    Es gibt eine Situation, viele Experten sagen, in der ein moralischer Kompass fehlt. Es gibt viele Menschen, die fragen: Wofür steht unsere Gesellschaft eigentlich, was hält uns in China zusammen, welche Werte haben wir? Also Bedürfnisse auf der einen Seite nach Identität, nach gesellschaftlichem Miteinander – auf der anderen Seite eine allgemeine Verunsicherung der Menschen, die dann auch in Religionen nach Antwort suchen.
    Und gerade die volkseigenen Religionen wie Buddhismus und Daoismus werden jetzt auch als möglicher Kitt der Gesellschaft gesehen, auch von der Kommunistischen Partei. Aber natürlich nur, solange sie sich nicht gegen die Staatsmacht, gegen die Partei und die sozialistische Ideologie stellen.
    "Sehr klare rote Linien für Religionsgemeinschaften"
    Dittrich: Und gibt es in diesen Religionsgemeinschaften oder in den Kirchen auch politische Stimmen? Wird das politische System möglicherweise thematisiert?
    Dorloff: Keine Stimmen, die offensiv nach außen auftreten würden. Wenn das politische System in China von Religionsvertretern thematisiert oder gar kritisiert werden würde, dann würde es heftige Probleme geben. Die kommunistischen Machthaber in China setzen da sehr klare rote Linien für Religionsgemeinschaften: Ausländisches Geld und Beziehungen gelten als Problem, politische Agitation – deshalb hat auch die katholische Kirche ein Problem in China, wegen des Vatikans und den Beziehungen zum Vatikan. Dessen Anspruch, Bischöfe zu weihen, widerspricht der chinesischen Verfassung. Danach dürfen Religionen nicht vom Ausland gesteuert sein. Papsttreue Christen werden ja deshalb bis heute immer wieder attackiert und auch verfolgt.
    Andersherum sollen politische Kader auch möglichst nichts mit der Kirche zu tun haben. Erst neulich gab es im offiziellen Parteiorgan, der Volkszeitung, die Anweisung an Parteifunktionäre: nicht zu Gott beten und nicht Buddha verehren! Ein gutes Mitglied der Kommunistischen Partei möge bitteschön Atheist sein! Und das wurde gerade jetzt zum 19. Parteitag noch mal sehr deutlich vermeldet.
    "Egal wie groß der Käfig ist, es bleibt ein Käfig"
    Dittrich: Gibt es Sorgen aus den Religionsgemeinschaften oder den Kirchen heraus? Könnten vielleicht Umsturzversuche erwachsen? Wir haben das ja schon mal gesehen in der Geschichte, in Polen zum Beispiel oder in der DDR, wo die Kirchen eine wichtige Rolle gespielt haben beim Zusammenbruch des Ostblocks.
    Dorloff: Bei den traditionellen Religionen in China nicht, also Buddhismus, Daoismus. Wenn die einen neuen Tempel bauen oder einen alten Tempel renovieren wollen, dann gibt es derzeit relativ einfach Subventionen von der Regierung. Dagegen hat die kommunistische Führung vor den sogenannten ausländischen Religionen wie Christentum oder auch dem Islam eher Angst, das ist richtig, vor allem vor der politischen Mobilisierungskraft dieser beiden Religionen.
    Bei den traditionellen Religionen, wie Daoismus, wie Buddhismus, vertritt man da eher die Meinung: Das ist keine Herausforderung für die Kommunistische Partei Chinas. Grundsätzlich hat aber das chinesische System ein grundlegendes Problem mit Religionen, weil ja im Prinzip alle einen Anspruch auf höhere Werte haben, Werte, die im Zweifel auch wichtiger sind als die einer Partei oder die einer Verfassung eines Landes.
    Das ist per se ein Problem für den Alleinherrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei, weil es die Legitimation der Partei untergräbt. Und deshalb bleibt für mich immer dieser Vergleich mit dem Vogelkäfig sehr passend: Die Situation der Gläubigen in China ist wie die eines Vogels im Käfig – egal wie groß der Käfig ist, es bleibt ein Käfig.