Am Anfang fliegt sie noch mit fast fünf Kilometern pro Sekunde. Wenn Tianwen-1, Chinas erste Marssonde, ihren Lander Zhurong entlässt, steckt der zunächst noch gut geschützt in einer kegelförmigen, weißen Kapsel. Für die IngenieurInnen im Pekinger Kontrollraum folgt jetzt ein Blindflug.
"Das große Problem ist die Distanz zum Mars. Das schränkt den Datenaustausch ein. Wir müssen alle Aktionen am Stück vorprogrammieren, aber ob die Ausführung geklappt hat, erfahren wir erst später." Das sagte Teng Baoyi, stellvertretender Chefdesigner der China Aerospace Science and Technology Corporation, dem Fernsehsender CCTV.
China hat schon insgesamt drei Sonden per Funkverbindung auf dem nahen Erdmond gelandet – auf dem viel weiter entfernten Mars dagegen lässt sich nichts mehr fernsteuern: Nacheinander muss erst der Hitzeschild die Landesonde abbremsen. Danach muss sich im richtigen Moment der Fallschirm öffnen, bevor schließlich ein Raketentriebwerk das freigelegte Landegestell in der Luft knapp über dem Boden anhält und der Lander vollautomatisch einen Landeplatz fernab großer Steinbrocken sucht. All das ist ein Wagnis. Nie zuvor hat eine Nation versucht, all diese Schritte gleichzeitig beim ersten Mal zu meistern.
Doppelt so schwer wie der Jadehase
Das Landegebiet liegt in der nördlichen Tiefebene Utopia Planitia, wo 1976 schon der US-Lander Viking 2 aufsetzte, erläutert der Planetengeologe Ernst Hauber vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt: "Die haben nach geeigneten Landeplätzen geschaut. Und weil Utopia Planitia relativ tief liegt und man viel Atmosphäre für den Fallschirmabstieg hat und weil es relativ eben ist, war es ein sicherer Landeplatz. Das ist auch ein Teil der Gründe, warum Tianwen jetzt dort landen wird."
Wie zuvor schon der Rover Jadehase auf dem Mond soll auch Zhurong über eine Rampe von seiner Landeplattform hinabfahren. Der Marsrover besitzt sechs Räder und wiegt 240 Kilogramm, doppelt so viel wie der Jadehase. Zhurong trägt sechs Instrumente, darunter mehrere Kameras, eine Wetterstation, ein Magnetometer und ein Laser-Spektrometer.
Rätsel in der Tiefe: Permafrost
Eines der wissenschaftlichen Ziele der Mission: Der Rover soll die feuchte Vergangenheit des Mars erforschen. In Utopia Planitia gibt es Permafrost, also gewaltige von Rissen durchzogene Strukturen, unter denen viel Wassereis vermutet wird. Dafür ist das sechste Instrument an Bord besonders wichtig: ein Radar.
Ernst Hauber: "So etwas hat der ExoMars Rover der ESA an Bord, der in zwei Jahren landen wird. So etwas hat aber auch der chinesische Rover an Bord. Und wenn es Eis oder Wasser im Untergrund gibt, dann kann so ein Ground Penetration Radar bis in eine Tiefe von ein paar Meter bis zehn Meter feststellen."
Woher kommt so viel Wassereis?
Die in der Tiefe vermutete Wassermenge entspricht 250 Mal dem Bodensee. Aber als Viking hier vor 44 Jahren aufsetzte, war das Eis noch unbekannt. Wie es hierher gelangt ist, ist noch immer unklar.
Hauber: "Wichtig ist, dass es unter dem gegenwärtigen Klima wahrscheinlich nicht passieren würde. Man müsste also Klimaschwankungen in der jüngeren Marsgeschichte annehmen. Man hat auch Ideen, warum das passiert sein könnte, dass sich zum Beispiel die Rotationsachse des Planeten in ihrer Neigung verändert hat und dass das Klimaveränderungen verursacht."
Ob Zhurong diese Frage klären kann, hängt noch von vielen Unbekannten ab: Die chinesischen IngenieurInnen müssen zunächst einmal beweisen, dass sie einen Lander nicht nur sicher absetzen, sondern auch wie geplant drei Monate betreiben können. Denn auch das ist außer den USA bislang noch niemandem gelungen.