Uli Blumenthal: Frage an Dirk Lorenzen, der uns aus Hamburg zugeschaltet ist: Wie steht es aktuell um die Mission 'Chang'e 4'?
Dirk Lorenzen: Der Lander und der Rover, den er ausgesetzt hat, erleben gerade die zweite Nacht. Am Montag wurden die Geräte so weit wie möglich heruntergefahren. Gestern ist dort im Van-Karman-Krater mitten auf der Mondrückseite die Sonne untergegangen. Nun herrscht dort völlige Dunkelheit und es wird bitterkalt. In der ersten Nacht haben die Temperaturen bei rund minus 190 Grad Celsius gelegen. Das Forschungsteam wartet nun auf das Monatsende. Dann werden 'Chang'e-4' und der Rover 'Yutu-2' hoffentlich wieder aufwachen.
Blumenthal: Ganz kurz: Was bedeuten diese Namen?
Lorenzen: Chang'e ist eine berühmte Mondfee in der chinesischen Sagenwelt. Deshalb heißen Chinas Mondsonden immer nach ihr. Und Chang'e wird in der Sage meist von einem Jadekaninchen namens Yutu begleitet. Es ist wirklich ein Kaninchen und kein Hase, wie es oft heißt.
Blumenthal: Es hat nun die zweite Nacht begonnen. Wie läuft ein Tag-Nacht-Rhythmus auf dem Mond ab?
Lorenzen: Von einem Sonnenaufgang bis zum nächsten vergehen 29,5 Tage. Gut zwei Wochen dauert jetzt die kalte dunkle Nacht. Gut zwei Wochen dauert dann auch ein Tag. Dann ist es hell, aber die Temperatur ist wieder ein Problem: Dann wird es über 100 Grad Celsius heiß.
Der Rover hält Siesta
Insbesondere 'Yutu-2', dem Jadekaninchen, setzen diese Temperaturen sehr zu. Der Rover macht dann während des langen Mond-Tages eine Art Mittagsschlaf. Die aktivsten Zeiten dort sind jeweils die drei Tage nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang.
Blumenthal: Laufen die wissenschaftlichen Experimente?
Lorenzen: Nach Angaben des chinesischen Mondforschungsprogramms haben die Messungen bereits begonnen. Es gibt viele Bilder, die den Rover 'Yutu-2' zeigen und die Landesonde selbst. 'Yutu-2' ist wohl bereits 120 Meter weit durch den Mondstaub gerollt – und ist damit bereits einige Meter weiter gekommen als sein Vorgänger 'Yutu-1' vor fünf Jahren. Damals war der Rover am zweiten Tag für immer stehen geblieben. Interessant sind auch Bilder des 'Lunar Reconnaissance Orbiter' der NASA. Diese Sonde hat 'Chang'e 4' auf der Oberfläche fotografiert. Chinas Mondlander ist zwar nur zwei Pixel groß, aber deutlich zu erkennen.
Strahlung aus der Anfangszeit des Kosmos messen
Blumenthal: Welche Rolle spielt diese Mission für China – und wie offen ist das Land, was die Kommunikation angeht?
Lorenzen: China zeigt einmal mehr, dass es zu einer der führenden Raumfahrtnationen gehört. Die Landung auf der Rückseite war genauso leicht oder schwierig wie die Landung auf der Mondvorderseite Ende 2013. Der Unterschied jetzt ist nur, dass man einen speziellen Relay-Satelliten weit hinter dem Mond braucht, um die Daten zur Erde zu funken. Während des zweiten Mond-Tages hat das Projektteam eher sparsam kommuniziert. Aber es gibt internationale Partner, die dann ein wenig offener sind und mitteilen, wie der Status ihrer Instrumente ist.
Blumenthal: Wie lange wird die Mission dauern?
Lorenzen: Bei 'Yutu-2' heißt es, der Rover solle drei Monate arbeiten. Der Lander bleibt sicher länger in Betrieb. Dann geht auch ein Forschungsprojekt erst richtig los. Auf dem Relay-Satelliten befindet sich ein niederländisches Instrument, um die ganz schwache Radiostrahlung aus der Anfangszeit des Kosmos zu erfassen. Ein chinesisches Gegenstück befindet sich auf 'Chang'e 4'. Diese Instrumente werden frühestens im März richtig mit der Arbeit beginnen – wenn keine Gefahr mehr besteht, dass man mit der Arbeit den Einsatz des Rovers 'Yutu-2' stören könnte. Das Jadekaninchen wird irgendwann den harschen Bedingungen Tribut zollen. Aber der Lander von 'Chang'e 4' könnte den Forschern noch lange Freude machen.