Am 11.03.2021 ging in China der Nationale Volkskongress zu Ende. Formal wurde ein neuer Fünfjahresplan verabschiedet, den Chinas Führung aber schon zuvor beschlossen hatte und der mehr Wirtschaftswachstum, mehr neue Technologien, mehr Militär und mehr Umweltschutz vorsieht. Die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat unter der Führung von Präsident Xi Jinping das globale Machtgefüge verändert.
Innenpolitisch hat Xi die Totalüberwachung und die Zensur verstärkt. Der Sinologe Daniel Leese, der an der Universität Freiburg lehrt, ordnet das im Dlf so ein:
"Unter Xi Jinping ist sicherlich der Aspekt der bewussten Neuformierung der Gesellschaftsordnung deutlich wichtiger geworden. Es geht also stärker um eine Lenkung der Gesellschaft, um eine Lenkung auch der der Außenwahrnehmung. Und das ist etwas, was in gewissem Sinne stärker an die maoistische Tradition anknüpft, wo man sicherlich versucht hat, eine Form von neuem Menschen zu prägen."
Instrumentalisierung der Geschichte
Bewusst setzt Xi auch den Personenkult, nach Maos Tod eigentlich als politisches Instrument verworfen, um seine eigene Person ein.
Im Buch "Maos langer Schatten. Chinas Umgang mit der Vergangenheit" beschäftigt Daniel Leese sich auch mit der Funktion, die Geschichte im politischen System der Volksrepublik hat. "Geschichte als Legitimation spielt eine ganz zentrale Rolle für die chinesische Parteiführung. Und wir haben in den letzten zwei Wochen eine neue, wenn Sie so wollen: ideologische Massenkampagne sich entwickeln sehen", so Leese zum Nationalen Volkskongress und der Inszenierung der Macht.
"Es geht also im Wesentlichen darum, einen einheitlichen Rahmen zu schaffen, wie Geschichte wahrgenommen wird und aus welcher dann entsprechend diese Ansprüche etwa auf Taiwan oder auch die Entwicklungen an der Seidenstraße abgeleitet werden können", meint Leese. Die Volksrepublik leitet aus der eigenen Geschichte nicht nur ein Besitzrecht auf Taiwan ab, sondern auch auf große Teile des südchinesischen Meeres.
Skepsis gegenüber Vorbildcharakter des Westens
Bei aller Kritik an Chinas globaler Wirtschaftspolitik, die Abhängigkeiten schafft; und bei aller Kritik am Vorgehen im eigenen Land, in dem Uiguren in Umerziehungslager gesteckt werden und Zensur Alltag ist, gibt Leese zu bedenken: "Es reicht eben nicht, wenn wir immer nur mit den gleichen Schubladen und Stereotypen auf China blicken. Wenn Sie chinesische Kollegen und Freunde haben, dann wissen Sie, dass häufig die schärfste Kritik am System und an den Auswüchsen desselben aus China selber kommt." Voraussetzung dafür sei aber Informiertheit, auch über die Situation der Uiguren in Xinjiang, die Zensur und die Kontrolle über die Medien verhindere aber genau das.
Gibt es also einen Kampf der Systeme? Hat China recht mit seiner erfolgreichen Corona- und Wirtschafts-Politik? Daniel Leese: "Insbesondere vor dem Hintergrund der der Trump-Regierung kann man sicherlich sagen, dass auch in weiten Teilen der chinesischen Bevölkerung eine größere Skepsis gegenüber dem Vorbildcharakter des Westens und insbesondere der USA sich feststellen lässt, dass man also auch hier gewillt ist, solange die Kommunistische Partei weiterhin für massive Wohlstandssteigerungen und Ähnliches sorgt, das mitzutragen."