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"Tiangong-1"
China vergrößert seine Raumstation

China hat das dritte Modul seiner Raumstation "Tiangong-1" in den Orbit gebracht. Chinas Außenposten im All ist zwar immer noch fünfmal kleiner als die internationale Raumstation ISS, doch politisch sendet sie ein machtvolles Signal.

Von Dirk Lorenzen | 01.11.2022
China, Wenchang: Eine Trägerrakete von Typ Langer Marsch 5B-Y4 startet mit Chinas Raumstations-Labormodul "Mengtian" am Weltraumbahnhof in der südchinesischen Provinz Hainan.
Mit einer Rakete vom Typ "Langer Marsch 5B" hat China jetzt ein weiteres Labor-Modul zu seiner Raumstation "Tiangong-1" geschickt. (Guo Zhongzheng/XinHua/dpa)
Auf Betreiben der USA darf sich China nicht an der internationalen Raumstation beteiligen. Deshalb entwickelte das Land in den vergangenen Jahren eigenständig ein ambitioniertes Raumfahrtprogramm. Das Aushängeschild, die Raumstation "Tiangong-1" - auf deutsch "Himmelspalast" - hat mit dem Andocken des dritten Moduls nun bald ihre finale Ausbaustufe erreicht. Sein Name: "Mengtian" - Himmelsträume.

Was genau soll im dem neuen Modul der Raumstation passieren?

Es ist ein Forschungsmodul. Dort soll die Besatzung Experimente in der Schwerelosigkeit durchführen, wie man das auch von der Internationalen Raumstation her kennt. Da geht es vor allem um Materialwissenschaften, etwa das Wachstum von Kristallen, und darum, wie sich Flüssigkeiten verhalten. In gut einem Jahr soll dann auch noch ein Modul mit einem Weltraumteleskop andocken. Der Himmelspalast Tiangong ist viel kleiner als die internationale Raumstation ISS. Aber China betreibt damit eine komplett ausgestattete Raumstation und hat diese innerhalb weniger Jahre sehr konsequent aufgebaut. Derzeit befinden sich drei Menschen an Bord, später könnten sich dort bis zu sechs Personen aufhalten.

Welche Bedeutung hat "Tiangong-1" im Vergleich zur viel größeren ISS?

Für China ist das jetzt vor allem eine Machtdemonstration. China zeigt, dass es selbst eine Raumstation bauen kann. Das war bei allen Raumstationen bisher so, auch bei den Amerikanern und Russen – da ging es nie nur um Raumfahrt. Die ISS gibt es seit fast einem Vierteljahrhundert. Spätestens 2030 dürfte mit ihr Schluss sein. Derzeit sieht es so, als wäre dann China das einzige Land mit einer Raumstation. Während die ISS ihrem Ende entgegen geht, dreht China richtig auf.

Setzt China im All also vor allem auf prestigeträchtige Alleingänge?

Bei der astronautischen Raumfahrt ist das derzeit der Fall. Die eigene Bevölkerung soll sich für die Eroberung des Weltraums begeistern und stolz auf die erzielten Erfolge sein. So war das während des Kalten Krieges auch in den USA und in Russland. Bei der Wissenschaft wirbt man aber durchaus offen um Zusammenarbeit: Wenn es um Experimente in der Schwerelosigkeit geht, tut man sich gerne mit Partnern aus Europa zusammen. Und für Raumsonden ins Planetensystem, etwa zu Jupiter und Uranus, lädt man ausdrücklich andere Länder ein, sich zu beteiligen. Die Forschung im All wird auch in China internationaler, aber Flüge mit Menschen haben vor allem politische Ziele – da bleibt man lieber allein.

Wäre eine russische Beteiligung an "Tiangong-1" denkbar?

Russlands Drohung war wohl mehr der Kriegssituation geschuldet, denn fachlich kann man sie nicht ernst nehmen. Binnen weniger Jahre kann Russland keine neue Station bauen und selbst eine Zusammenarbeit mit China ist schwer vorstellbar. Denn "Tiangong" kreist auf einer Bahn um die Erde, die von den russischen Weltraumbahnhöfen Baikonur und Wostotschny gar nicht zu erreichen ist. Russland wäre also bei China allenfalls Juniorpartner, aber nicht auf Augenhöhe.

Planen China und Russland gemeinsam eine Station auf dem Mond?

Außer der Ankündigung war da noch nicht viel zu hören. China und Russland sind beim Mondprogramm von NASA, ESA, Kanada und Japan nicht dabei. Daher wollen sie einen eigenen Akzent setzen. China wird im kommenden Jahr wohl wieder Gesteinsproben vom Mond zur Erde holen – mit einer automatischen Sonde. Ziel ist ebenfalls, mit Menschen zum Mond zu fliegen. Bei allen bisherigen Erfolgen ist das aber auch für China nicht leicht. Dennoch ist es durchaus möglich, dass nach den 12 Apollo-Astronauten der 13. Mensch auf dem Mond aus China kommt.