Mittwoch, halb zehn Uhr morgens in Düsseldorf. Für die zehn Chinesen steht ein straffes Workshop-Programm auf der Tagesordnung. Die zentrale Frage lautet: Wie baut man eine Sammlung mit westlicher Kunst auf? Bei der Vorstellungsrunde zeigt sich, mit welch ungeheurem wirtschaftlichen Potenzial diese chinesische Elite auftritt.
"Meine Name ist Frau Gao. Ich lebe in Peking und vertrete die Levi Group, die sich mit dem Investment in Diamanten beschäftigt, die aber auch gleichzeitig zeitgenössische Kunst ausstellt und sammelt. Ich erweitere meinen Blickwinkel hier gerade auf die zeitgenössische westliche Kunst.
Auch Herr Shang outet sich als Teil dieser kultivierten Schicht in China.
"Ich stamme aus Peking und bin der Enkel einer einflussreichen Künstlerfamilie in China. Mein Großvater, Wu Zuoren, war ein wichtiger Künstler der klassischen Moderne in China. Ich verwalte seinen Nachlass und um seine Werke besser zu konservieren, habe ich eine Firma gegründet, die sich auf die Produktion hochwertiger handgeschöpfter Papiere spezialisiert hat."
Fortbildung für Chinesen
Seit Sonntag besuchen die chinesischen Unternehmer und Kunstsammler alles, was Rang und Namen hat in der deutschen Kunstszene. Man könnte es eine Fortbildung nennen. Oder auch Nachhilfeunterricht in westlicher Kunstgeschichte und allem, was dazu gehört. Zuerst waren sie in Berlin unterwegs. Leonie Spiekermann von der Düsseldorfer Agentur Art Gate hat für die Chinesen das Kunst-Programm ausgearbeitet.
"In Berlin haben wir sehr viele Gespräche mit Privatsammlern geführt, mit Erika Hoffmann, Karen Boros und Thomas Rusche, also mit wichtigen Vertretern von Berlin."
Kunstbetrieb im Rheinland
Jetzt erforschen die Chinesen den Kunstbetrieb im Rheinland. Erster Termin: Führung durch die Firmenräume der Unternehmensberatung Droege in Düsseldorf. An den Wänden der Büros und Konferenzräume hängen Werke von Gerhard Richter, Neo Rauch oder François Morellet. Welche Rolle die Kunst in dieser Gemengelage von Beratung und Investment spielt, erklärt Chefin Hedda Droege den Gästen aus dem Reich der Mitte selber.
"Kunst ist für uns ein fester Bestandteil der Firma. Das heißt: Wir schulen unsere Mitarbeiter, auch Freunde, Kollegen und Kunden an der Wahrnehmung, weil wir sagen, in der Kunst werden die Regeln sichtbar."
Die Kunst sieht Hedda Droege als Erkenntnishilfe für Mensch und Unternehmen. Anderthalb Stunden dauert die Führung durch das Firmengebäude. Das Interesse der Chinesen an dieser kunstsinnigen Strategie scheint groß. Aufmerksam machen sie sich Notizen. Li Zhao, Unternehmer und zugleich Professor an der Central Academy of Fine Arts in Peking (CAFA), hat die Teilnehmer ausgewählt:
"Die chinesischen Firmen sind momentan konfrontiert mit zwei Phänomenen: erstens mit der Globalisierung und zweitens mit der Errichtung einer eigenen Unternehmenskultur. Für viele der hier anwesenden Firmeninhaber sammeln Kunstsammeln als Hobby. Sie fragen sich, wie sie ihr persönliches Hobby und ihr Firmenleben in Verbindung bringen können."
Einführung in die Provenienzforschung
Zweite Station an diesem Vormittag ist ein Besuch in der Düsseldorfer Filiale des Auktionshauses Villa Griesebach. Geschäftsführer Daniel von Schacky hat einen Vortrag vorbereitet: eine Schnelleinführung in die Provenienzforschung. Er spricht darüber, wie wichtig es ist, beim Kauf eines Werkes auf Herkunft, Vorbesitzer und Titel zu achten.
Kunst, die vor 1945 entstand und eventuell von den Nazis zwangsenteignet wurde, scheint die Teilnehmer weniger zu interessieren. In der anschließenden Fragerunde kommen die Sammler schnell auf ein Thema zu sprechen, das ihnen mehr unter den Nägeln brennt.
Welcher junge Künstler bei Auktionen Toppreise erzielt habe, will ein Chinese wissen.
Und eine Teilnehmerin fragt, wie hoch der Umsatz des Auktionshauses im Jahr 2013 im Bereich zeitgenössischer Kunst gewesen sei.
Der Wert eines Kunstwerks scheint sich für sie vor allem am Preis ablesen zu lesen. Zu erfahren, dass es in der Kunst nicht nur um ein gutes Investment geht, dazu sind sie nach Deutschland gekommen. Nächster Termin an diesem Tag: das Atelier von Thomas Ruff, einem der weltweit gefragtesten Fotografen der Düsseldorfer Schule.