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Chinesischer Volkskongress
Premier Li warnt vor harten Zeiten

Zum Ende des Volkskongresses hat Chinas Premier Li das Land vor harten Zeiten gewarnt: Es werde schwierig, das Wachstumsziel von sieben Prozent zu erreichen. Es gehe um Schnitte "ins eigene Fleisch", nicht ums "Fingernägelschneiden".

Von Ruth Kirchner |
    Li spricht gestikulierend vor blauem Hintergrund in mehrere Mikrofone. Er hält im Rahmen einer Pressekonferenz sein Schlusswort zum Volkskongress in Peking.
    In seinem Schlusswort zum Volkskongress in Peking hat Chinas Premier Li das Volk auf die Regierungslinie eingeschworen. (dpa / picture alliance / Wu Hong)
    Noch einmal die Militärkapelle, noch einmal fast 3.000 Abgeordneten unter dem roten Stern in der großen Halle des Volkes. Die Schlusssitzung des Volkskongresses ist traditionell kurz. Im Minutentakt wird über die Rechenschaftsberichte der Regierung und den Haushalt abgestimmt. Dieser enthält eine kräftige Erhöhung der Militärausgaben um rund zehn Prozent.
    Wie jedes Jahr gibt es eine überwältigende Zustimmung - denn frei gewählt ist dieses Parlament ja nicht. Anschließend gehört die Bühne noch einmal - wie schon beim Auftakt vor elf Tagen - dem Ministerpräsidenten. Der ansonsten eher machtlose Regierungschef gibt seine einzige Pressekonferenz des Jahres.
    Wachstumsziel nach unten korrigiert
    Erneut warnte Li Keqiang das Milliardenvolk vor harten Zeiten: "Chinas wirtschaftliche Entwicklung hat eine neue Normalität erreicht. Wir rechnen mit einem Wachstum von etwa sieben Prozent. Es stimmt, dass wir unser Ziel nach unten korrigiert haben. Aber auch dieses Ziel zu erreichen, wird nicht leicht."
    Der Abwärtsdruck in der Wirtschaft sei sehr stark, warnte Li. Sollte das Wachstum stärker als geplant fallen, werde die Regierung sogar Konjunkturmaßnahmen ergreifen müssen. Allerdings will sie auch ihre Wirtschaftsreformen voranbringen - weniger Bürokratie, weniger Staat, mehr Markt, mehr Innovation. Einfach sei das nicht, räumte Li ein, es gebe qualvolle Umstrukturierungen und Widerstand mächtiger Interessengruppen. "Das ist nicht wie Fingernägelschneiden, sondern es ist, als würde man sich mit einem Messer ins eigene Fleisch schneiden. Aber egal wie schmerzhaft das ist, wir werden weitermachen bis die Aufgaben erfüllt sind."
    Mehr Offenheit - nur zugesagt, nicht eingehalten
    Lis Auftritt vor mehreren hundert Journalisten war sorgfältig orchestriert. Dieses Jahr hatten die Organisatoren zwar mehr Offenheit zugesagt, doch die meisten Fragen waren dann doch wieder vorher abgesprochen. So musste sich der Premier weder Fragen zur Verschärfung der Internetzensur, noch zu Menschenrechten oder zur Politik in Tibet stellen.
    Einer Frage zum Widerstand staatlicher Ölkonzerne gegen Umweltschutz und zu einer populären Umweltdokumentation, die vor einer Woche aus dem Internet verbannt wurde, wich Li mit vagen Versprechungen aus: "Lassen Sie mich sagen, dass die Regierung entschlossen ist, den Smog und die Umweltverschmutzung zu bekämpfen - und wir haben bereits gewaltige Anstrengungen unternommen. Aber die Fortschritte liegen noch weit hinter den Erwartungen der Bürger." Nach zwei Stunden war Lis Auftritt vorbei. Und damit auch der Volkskongress und das, was China als "beratende Demokratie" bezeichnet. Sie dient allerdings vor allem dazu, die Funktionäre aus dem ganzen Land und das Volk auf die Regierungslinie einzustimmen.