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CHIO in Aachen
Das Image des Reitsports aufpolieren

Beim größten Reitturnier der Welt, dem CHIO in Aachen, wird dieses Mal eine intensive Debatte über das Tierwohl geführt. Grund sind die Szenen vom Modernen Fünfkampf bei den Olympischen Spielen, als ein Pferd heftig mit Gerte und Sporen angetrieben wurde. Beim CHIO soll das Tierwohl streng kontrolliert werden.

Von Marc Eschweiler |
AACHEN - CHIO Aachen 2021, AACHEN - CHIO Aachen 2021 SCHULZE TOPPHOFF Philipp GER, Clemens de la Lande Deutschlands U25 Springpokal der Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport, Preis der Familie Müter - Qualifikation Springprüfung Fehler/Zeit, Qualifikation Aachen, Reitstadion Soers 14. September 2021 - *** AACHEN CHIO Aachen 2021, AACHEN CHIO Aachen 2021 SCHULZE TOPPHOFF Philipp GER , Clemens de la Lande Deutschlands U25 Springpokal der Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport, Prize of the Müter Family Qualification Jumping Test Fault Time , Qualification Aachen, Reitstadion Soers 14 September 2021
Reiter Philipp Schulze Topphoff auf Clemens de la Lande beim Start des CHIO in Aachen. (www.imago-images.de)
Die Bilder aus Tokio haben dem Reitsport geschadet. Keine Frage. Und man muss diese Szenen hinterfragen – aber auch differenzieren. Für Springreit-Legende Ludger Beerbaum sind sie dem Wettkampf-Modus im Modernen Fünfkampf geschuldet.
"Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Die sollen – was weiß ich – Fahrradfahren oder mit einem anderen Sportgerät was machen. Aber bitte nicht mit dem Pferd."
Die klassische Reiterei hat mit dem Modernen Fünfkampf nichts zu tun. Die einzige Gemeinsamkeit: Es sind Pferde beteiligt. Und beim Modernen Fünfkampf in lediglich einer von fünf Disziplinen. Auch die Top-Athleten sind im Fünfkampf in der Regel Amateursportler, die ein fremdes Pferd zugelost bekommen. Sie haben nur 20 Minuten Zeit, eine Beziehung zum Tier aufzubauen. Im echten Reitsport sind Profis am Werk, sagt Ludger Beerbaum, die tagtäglich reiten und Pferde ausbilden:
"Das was unseren Sport ausmacht ist am Ende eine gute Partnerschaft, die sich über Jahre der Zusammenarbeit entwickelt."

Frage nach dem Tierwohl im Reitsport bleibt

Anlass zur Kritik am Reitsport gab und gibt es trotzdem: Rund um die Olympischen Spiele 2004 und 2008 sorgen Dopingfälle für Schlagzeilen. Hauptstreitpunkt ist eine Grundsatzfrage: Wo endet die medizinisch notwendige Behandlung eines Pferdes und wo beginnt leistungssteigerndes Doping? 2009 lösen die Deutsche Reiterliche Vereinigung und ihr Generalsekretär Sönke Lauterbauch zwischenzeitlich sogar ihre Kader auf und setzen eine Kommission ein:
"…um die Situation im Reitsport in Sachen Doping und Manipulation ganz generell untersuchen zu lassen und bewerten zu lassen."
Vieles wurde seitdem geklärt und aufgeklärt, Regelwerke wurden geschaffen oder angepasst. Doch die grundsätzliche Frage nach dem Tierwohl bleibt: So ist beim CHIO-Chef-Veterinär Friedrich-Wilhelm Hanbücken für die Kontrollen und das Wohl der Tiere zuständig. Die jetzt erneut entbrannte Debatte kann er durchaus nachvollziehen.
"Gerade Reiten auf dem Niveau ist gutes Reiten. Das sind ausgewiesene Fachleute und da sehe ich das Missbrauchsrisiko gering. Ich kann jetzt nicht sagen es ist null. Aber es ist gering."

Strenge Kontrollen beim Turnier in Aachen

Die Pferde werden nicht nur durchgecheckt, wenn sie beim CHIO ankommen. In der Turnierwoche stehen sie unter ständiger Kontrolle. Und auch die Reiter werden von morgens früh bis abends spät so gut es geht überwacht.
"Die Stewards sind über 50 an der Zahl. Und auf jedem Platz, zu jeder Trainingszeit von morgens halb sieben bis abends um zehn. Es wird alles beobachtet. Das wenn irgendwann mal was ist, dass man immer eingreifen kann und immer auf der Hut ist sozusagen."
Thies Kaspareit ist Experte der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Als sogenannter Info-Steward steht er seit 2019 gut sichtbar mit einem Zelt auf dem Gelände für Fragen von Zuschauern zur Verfügung:
"Wir nehmen uns dann die Zeit, uns mit dem Menschen auseinanderzusetzen und ihnen zu erklären, wie die Dinge sind. Wenn man es in einfache Worte fasst, ist es so, dass kein Reiter, kein Richter und kein Steward sehen will, dass aggressiv mit Pferden umgegangen wird."

Internationale Regeln wurden verschärft

Vor einigen Jahren ist das beim CHIO trotzdem vorgekommen – und deshalb wurden die internationalen Regeln weiter verschärft. 2019 verlief der letzte CHIO vor der Corona-Zwangspause ohne Zwischenfälle.
"Wenn man das mal vergleicht mit Bildern, die vor dreißig oder vierzig Jahren auf Turnieren aufgenommen wurden, oder gerade in Videosequenzen, dann muss man eigentlich sagen, dass das Reiten sehr harmonischer ist im Vergleich zu der Reitweise von vor vierzig Jahren", sagt Chef-Veterinär Hanbücken.
Deshalb ist es problematisch, dem Reitsport jetzt grundsätzlich den Stempel "Tierquälerei" aufzudrücken. Es ist aber absolut richtig, auch in Zukunft genau hinzuschauen und kritische Fragen zu stellen. Nur so kann vielleicht garantiert werden, dass das Wohl der Tiere im Reitsport immer an erster Stelle steht.